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Klimarelevante Risiken

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Klimarelevante Risiken sind vielfältig. Zunächst geht es um mögliche direkte wirtschaftliche Auswirkungen in Folge des Klimawandels, wie Brände, Dürren und Überschwemmungen. Diese wirken aber nicht nur unmittelbar, indem sie immense Schäden und menschliches Leid verursachen und in Folge zum Beispiel Klimaflüchtlingsströme in Gang setzen, sondern sie haben auch starken Einfluss auf die Finanzbranche. Erstens, wenn es um Kreditvergaben geht (Welche Branchen erhalten zu welchen Konditionen Kredite?) und zweitens natürlich auf die Versicherungsbranche, die für Schäden aufkommen muss und ihre Prämien entsprechend anpasst. Indirekt kann sich der Klimawandel zudem auf Lieferketten oder die Preise für Rohstoffe, wie zum Beispiel Getreide, auswirken, um nur zwei Beispiele zu nennen. Preisverwerfungen im Bereich von Grundnahrungsmitteln wiederum können politisch und »nachhaltigkeitstechnisch« naheliegende, aber geopolitisch brisante Auswirkungen mit sich bringen, wie zum Beispiel Empfehlungen, nur heimische Waren zu kaufen oder Ausfuhren zu stoppen. Wenn Weltmächte wie China, Russland, Indien oder die USA solch protektionistische Tendenzen an den Tag legen, wird sich das massiv auf das Weltwirtschaftsgeschehen und die internationalen Märkte auswirken.

Sie sehen, das ungute Gefühl, dass es immer wärmer wird, wirkt sich allumfassend aus – kein Wunder, dass die Menschheit da in vielerlei Hinsicht und nicht nur wortwörtlich ins Schwitzen kommt. Wenn man all diese Kettenreaktionen in Betracht zieht, wird offensichtlich, dass der Klimawandel sowie die Versuche, sich an diesen anzupassen, umfassende Auswirkungen auf die ganze Welt haben. Aber es gilt nicht nur direkt vom Klimawandel verursachte Ereignisse im Auge zu haben, sondern auch zu bedenken, welche indirekten Auswirkungen die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel haben. Immer mehr Branchen erkennen, dass sie sich anpassen müssen, um zu überleben. Aktuell passieren Transformationen in richtig großem Maßstab und die Welt von übermorgen wird anders aussehen als die, in der wir aktuell leben. Diese Veränderungsprozesse bergen gewisse Risiken – aber natürlich auch tolle Chancen für Finanzinvestoren. Im Finanzchinesisch nennt man die Gefahren, die diesen Veränderungsprozessen innewohnen, Transitionsrisiken. Für Unternehmen geht es darum, mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell abzuschätzen und sich entsprechend auf denkbare Veränderungen vorzubereiten. Je besser ein Unternehmen auf den Wandel vorbereitet ist, desto stabiler wird es durch diese turbulenten Zeiten kommen und desto eher können Sie als Investor mit diesem Unternehmen Gewinne erzielen.

Der EU-Aktionsplan Green Finance ist ein zentraler Baustein, wenn es um die Bewältigung all dieser Entwicklungen geht. Grundvoraussetzung, um das alles zu bewerkstelligen, ist aber zunächst das gemeinsame Verständnis darüber, was nun tatsächlich als nachhaltig gilt: Wer Nachhaltigkeit verordnet, muss vorab definieren, was Nachhaltigkeit ist. In diesem Zusammenhang wurden seitens der EU sechs Themen beziehungsweise Umweltziele identifiziert:

1 Klimaschutz

2 Anpassung an den Klimawandel

3 Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen (bis Juli 2022)

4 Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling (bis Juli 2021)

5 Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (bis Juli 2021)

6 Schutz gesunder Ökosysteme (bis Juli 2022)

Die EU-Kommission legt nun schrittweise fest, welche Tätigkeiten innerhalb dieser Themen jeweils als nachhaltig zu betrachten sind. Basis ist ein 2019 vorgelegter ausführlicher Expertenbericht der Technical Expert Group (TEG). Dieser hat bis dato 67 wirtschaftliche Aktivitäten aus acht Branchen identifiziert, die klimarelevant positiv sind. Zudem wurde eine Methodik entwickelt, um zu überprüfen, ob Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel Wirkung zeigen. In Folge soll präzise abgeleitet werden, welche Aktivitäten tatsächlich als klima-kompatibel erachtet werden können.

Rund um das Thema Klimawandel werden Ihnen in diesem Zusammenhang sicher auch die Begriffe »Scope 1« bis »Scope 3« unterkommen.:

 Scope 1 umfasst alle direkt von einem Unternehmen durch Verbrennung verursachten Emissionen.

 Scope 2 umfasst die mit eingekaufter Energie verursachten Emissionen (zum Beispiel Elektrizität oder Fernwärme).

 Scope 3 umfasst Emissionen, die durch erworbene Vorleistungen und Dienstleistungen Dritter verursacht werden – quasi ein klimarelevantes Äquivalent zur Zulieferkette (mehr dazu im nächsten Abschnitt).

Ganz wesentlich bei all diesen Überlegungen zu Green Finance ist es, sicherzustellen, dass Aktivitäten eines Bereichs nicht einen anderen Bereich signifikant beeinträchtigen. Und genau das ist das Do-No-Significant-Harm-Prinzip.

Kernenergie ist nicht Teil der Taxonomie, obwohl sie bei der Stromerzeugung hinsichtlich CO2-Ausstoß als nahezu klimaneutral angesehen wird. Sie könnte also einen Beitrag zu den ersten beiden Zielen »Klimaschutz« und »Anpassung an den Klimawandel« leisten. Allerdings steht Kernenergie in Konflikt mit dem vierten Ziel »Kreislaufwirtschaft«. DNSH konnte nicht verifiziert werden, da ungeklärte Fragen zur Entsorgung des atomaren Abfalls die Umwelt mehr beeinträchtigen, als Atomkraft klimarelevanten Nutzen bringt. Atomenergie wird daher – so zumindest der aktuelle Stand der Dinge im Frühsommer 2021 – nicht als geeignete Technologie zur Finanzierung des Green Deal anerkannt.

Das DNSH-Prinzip ist quasi der kleinste gemeinsame Nenner und das größte gemeinsame Vielfache der Nachhaltigkeit. Es beschreibt Minimumanforderungen und soll gleichzeitig den Weg in die Zukunft aufzeigen.

Sie können sich sicher leicht vorstellen, dass es nicht einfach sein wird, Branchen zu identifizieren, die alle Nachhaltigkeitskriterien komplett erfüllen. Aber genau das ist die Herausforderung. Verstärkend auf diesen Prozess wirkt die seit März 2021 in Kraft getretene EU-Offenlegungsverordnung, die – nomen est omen – nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten für den Finanzsektor verlangt. Institutionelle Finanzmarktteilnehmer genauso wie Finanzberater werden dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Analysen miteinzubeziehen. Das heißt nichts anderes, als dass auch Privatanlegern erstens Informationen über die Nachhaltigkeitswirkung von Finanzprodukten zur Verfügung gestellt werden und zweitens Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt werden müssen.

Betreffend Transparenzpflichten sind Finanzprodukte derzeit im Zuge der sogenannten Securities Financing Transactions Regulation – kurz SFTR – wie folgt eingeordnet:

 Finanzprodukte mit ökologischen und/oder sozialen Merkmalen (»Artikel 8 Produkte«, auch »lightgreen« genannt)

 Finanzprodukte, die eine Nachhaltigkeitswirkung anstreben (»Artikel 9« beziehungsweise »darkgreen« Produkte«)

 Sonstige Finanzprodukte (»Artikel 6«)

Als Basis für diese Klassifizierung dienen wiederum Nachhaltigkeitsratings – auf diese wird im Kapitel 6 noch näher eingegangen –, die ESG-Faktoren berücksichtigen. Praktisch heißt das, dass es konkrete Positiv- und Negativkriterien geben soll, anhand derer Investmententscheidungen getätigt werden. Die Liste über »gute« und »schlechte« Investments ist allerdings auf EU-Ebene noch nicht final erstellt. Vielmehr bleibt sie notgedrungen »Work in progress« und kann nicht vollständig sein, bevor es nicht zu allen sechs Umweltzielen konkrete Empfehlungen und Ausarbeitungen gibt. (Dies soll bis Juli 2022 der Fall sein.)

Bis dahin müssen sich nachhaltig interessierte Anleger mit Rumpf-Empfehlungen behelfen, sich selbst eine Meinung bilden oder sich auf nationale Gütesiegel verlassen, die in Teil II des Buches skizziert werden. Falls Sie sich selbst eine Meinung bilden wollen, sind die nächsten beiden Abschnitte, in denen es um typische Ausschlusskriterien sowie den Best-in-Class-Ansatz geht, sicher lesenswert für Sie.

Nachhaltig investieren für Dummies

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