Читать книгу Nachhaltig investieren für Dummies - Alexandra Bolena - Страница 63
ОглавлениеKapitel 4
Der Impact-Typ – der Weltverbesserer
IN DIESEM KAPITEL
SDG-Ziele beachten
Mit Investments Gutes bewirken
Engagementpolitik
In diesem Kapitel wird Ihnen der Impact-Typ vorgestellt, also ein Anleger, der bewusst in »gute« – und zwar im absoluten, und nicht nur im relativen Sinn – Branchen und Themen investieren will. Zudem ist so mancher Impact-Typ auch noch aktiv tätig und ergreift auf Aktionärsversammlungen das Wort.
Nicht alle Investmentideen, die Sie in Teil III und IV kennenlernen, sind für alle Typen gleich gut geeignet. Es lohnt also durchaus, sich nochmals zu überlegen, welcher Impact-Typ Sie sind. Folgende Fragen können dabei behilflich sein:
Sind Sie ein gläubiger Mensch? Dann finden Sie in Kapitel 2 Hinweise, die Ihnen Investmententscheidungen erleichtern.
Reicht es Ihnen, keine »bösen« Industrien zu unterstützen? Am besten orientieren Sie sich an Ausschlusskriterien (siehe dazu Kapitel 3).
Wollen Sie in die Besten der Branche investieren? Orientieren Sie sich an dem »Best-in-Class«-Prinzip (mehr in Kapitel 3).
Haben Sie positive Kriterien definiert und wollen in Themen investieren, die diese Werte teilen? Dann sind Sie im ersten Abschnitt dieses Kapitels richtig.
Wollen Sie direkt Impact bewirken und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Geschäftspraktiken in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern? Dann stürzen Sie sich in die letzten beiden Abschnitte dieses Kapitels über Voting und Engagement.
Positivkriterien
Wer nach Positivkriterien veranlagt, identifiziert Branchen und investiert in Unternehmen, die einen besonderen ökologischen oder sozialen Nutzen für Umwelt und Gesellschaft bewirken. Weitere mögliche Positivkriterien: gute Governance, also gute und sozialverträgliche Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitern. Die Lieferketten sind transparent und fair – mit anderen Worten: Allen Stakeholdern – inklusive der Umwelt – soll wertschätzend und anständig begegnet werden.
Bei der Überlegung, welche Kriterien für Sie am besten passen, kann ein Blick auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals, auch als SDGs bekannt, hilfreich sein. Abbildung 4.1 bietet die Übersicht über die 17 SDGs von den United Nations. Näheres erfahren Sie im Teil II.
Abbildung 4.1: Nachhaltigkeitsziele.
Quelle: https://www.un.org/sustainabledevelopment/
(The content of this publication has not been approved by the United Nations and does not reflect the views of the United Nations or its officials or Member States.)
Die Ziele klingen alle klar und vernünftig. Dennoch kann es auch hier zu Zielkonflikten kommen, wenn man aus ihnen konkrete Handlungs- und Investmentanweisungen ableiten will, wie im Kapitel 2 näher ausgeführt wird. Die Problematik kennen Sie ja schon vom DNSH-Prinzip.
Ein Beispiel vorweg: Beim SDG Nummer 7, das die Bereitstellung bezahlbarer und sauberer Energie fördern möchte, rücken wohl Hersteller von Solar-und Windanlagen in den Investmentfokus. Allerdings kommt es bei Windenergie definitiv zu einem Konflikt mit den Zielen 14 und 15. Nicht nur Vögel, Insekten und Fledermäuse sind von den riesigen Windrädern irritiert, auch das Leben unter Wasser wird bei Offshore-Windanlagen beeinträchtigt.
Nichtsdestotrotz sind die 17 SDG-Ziele ein Meilenstein und dienen als gute Messlatte für eine erste Orientierung zum Thema Nachhaltigkeit. Unternehmen, deren Geschäftszweck darin besteht, eines oder mehrere dieser Ziele zu erreichen, agieren klar nach Positivkriterien und finden sich häufig in Portfolios von Impact-Investoren. Ebenfalls beliebt bei Anlegern, die nach Positivkriterien screenen, sind Pioniere der jeweiligen Branchen, wie zum Beispiel vor ein paar Jahren Tesla bei E-Mobilität. Aber auch Firmen mit überzeugendem Umweltmanagementsystem, gelungenen Inklusionsprogrammen oder herausragender Mitarbeiterförderung können über die Definition von Positivkriterien in den Investmentfokus von Impact-Investoren rücken.
Unternehmen im Transitionsprozess
Wer überzeugt davon ist, dass Veränderung Zeit braucht und nicht von heute auf morgen gelingen kann, kann auch den aktiven Transitionsprozess unterstützen. In diesem Fall macht es Sinn, sich Unternehmen anzusehen, die sich von ihren »alten« Geschäftsfeldern verabschieden und auf »nachhaltige Themen« umschwenken. Traditionelle Energieunternehmen zum Beispiel, die Kohle und Kernkraft abschwören und Ausstiegsszenarien entwickeln, um in Zukunft grünen Strom zu produzieren, oder Unternehmen aus der Automobilindustrie, die auf Elektroautos umstellen und/oder intensive Forschung zu Wasserstoffantrieb betreiben.
Voting auf der Hauptversammlung
Wenn Sie Aktien besitzen, haben Sie damit auch ein Mitspracherecht in der jeweiligen Aktiengesellschaft erworben. Als Aktionär sind Sie schließlich Anteilseigner der Gesellschaft und haben das Recht, an Hauptversammlungen teilzunehmen.
Der Besuch einer Jahreshauptversammlung ist seit jeher ein interessantes Erlebnis. Einerseits werden Sie in der Regel gut verköstigt – kostenlose Imbisse und Getränke gehören zu Hauptversammlungen einfach dazu –, andererseits können Sie sich aus erster Hand über die Entwicklung »Ihres« Unternehmens informieren und sich mit anderen Investoren austauschen.
Die Hauptversammlung
Als Aktienbesitzer haben Sie das Recht, bei der jährlich stattfindenden ordentlichen Hauptversammlung an den Abstimmungen teilzunehmen. Das Gewicht Ihrer Stimme als Aktionär hängt dabei von der Anzahl der gehaltenen Aktien ab – je mehr Aktien Sie halten, desto gewichtiger ist Ihre Stimme. Auf der Hauptversammlung werden der Vorstand entlastet und andere formale Dinge erledigt. Es wird auch darüber abgestimmt, ob der Bilanzgewinn für Ausschüttungen oder Investitionen verwendet werden soll. Je mehr Anleger sich darüber einig sind, dass nachhaltige Investitionen rascher Gewinnmaximierung und hohen Ausschüttungen vorzuziehen sind, desto eher wird das Management den Ruf hören und ihm folgen.
Zu beachten ist jedoch, dass nicht jeder Aktionär ein Stimmrecht hat. Nur Besitzer von Stammaktien, auch Stammaktionäre genannt, haben auf Hauptversammlungen Stimmrechte. Als Besitzer von Vorzugsaktien haben Sie auf dieses Recht verzichtet, erhalten im Gegenzug aber eine etwas höhere Dividende.
Als Dividende bezeichnet man den laut Beschluss der Hauptversammlung an die Aktionäre ausgeschütteten Unternehmensgewinn.
Die Höhe einer Dividende sagt also nichts über die Qualität eines Unternehmens aus, denn Gewinne können auch zum Nutzen des Unternehmens reinvestiert werden – solche Entscheidungen einer Aktiengesellschaft nennt man Dividendenpolitik. Nicht ausgeschüttete Gewinne können über diese Dividendenpolitik perfekt dafür verwendet werden, ein Unternehmen »nachhaltig« auszurichten. Das kann über verstärkte F&E, also Forschung und Entwicklung, die Einführung innovativer Technologien, umweltadäquate Anpassung des Produktions- oder Transportprozesses oder eine Adaptierung der Lieferkette nach ESG-Kriterien erfolgen. Und das sind noch bei Weitem nicht alle Themen, die über nicht ausgeschüttete Dividenden finanziert werden können, um ein Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Wenn Ihre Aktien in einem Bankdepot liegen oder über einen Fonds verwaltet werden, haben Sie die Möglichkeit, sich auf der Hauptversammlung von der Bank vertreten zu lassen, beziehungsweise nimmt bei einem Fondsinvestment der Fondsmanager das Stimmrecht für Sie wahr.
Sprechen Sie Ihre depotführende Bank also ruhig auf das Thema Hauptversammlung an und erkundigen Sie sich nach deren Auftreten und Stimmverhalten ebendort. Auch bei Fondsinvestments lohnt sich das Hinterfragen: Wenn sich ein Fonds dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat, sollte er in der Hauptversammlung aktiv für »Nachhaltigkeitsmaßnahmen« eintreten und dies auch kommunizieren.
Es macht daher für Anleger mit Nachhaltigkeitsanspruch Sinn, sich bei der Selektion der Fonds auch das Verhalten der Fondsgesellschaft auf Aktionärsversammlungen näher anzusehen. Wer sich auf Hauptversammlungen aktiv einbringt, engagiert sich, womit wir schon beim dritten Abschnitt des Kapitels wären – der Engagementpolitik. Ein weiterer Terminus, mit dem sich manche in der Finanzbranche gerne, aber nicht immer zu Recht schmücken.
Engagementpolitik
Engagementpolitik war viele Jahre ein Begriff der Zivilgesellschaft und hat sich erst in den letzten Jahren auch in der Finanzbranche durchgesetzt. Doch was heißt Engagement in der Finanzbranche überhaupt?
Engagement in der Finanzwelt beschreibt einen langfristigen Dialog zwischen Investoren und Unternehmen mit dem Ziel, Eigentümer und Konzerngeschäftsführung für soziale, ethische und ökologische Kriterien zu sensibilisieren und Veränderungen anzustoßen.
Engagementpolitik heißt weiters, den Dialog aktiv zu suchen. Neben Hauptversammlungen bieten sich auch andere Gelegenheiten wie offene Pressekonferenzen und Präsentationen an, um das Gespräch zu suchen. Aktive Engagementpolitik bedeutet, diesen Dialog hartnäckig einzufordern. Insbesondere dann, wenn Vorstände angesichts voller Terminkalender lieber Presse- und Konzernsprecher vorschicken, als sich selbst kritischen Fragen zu stellen. Darüber hinaus werden im Zuge von Engagementstrategien auch Gespräche mit anderen Organisationen wie NGOs, Interessensvertretungen und auch der Politik gesucht, um ESG-Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Ein großartiges Beispiel, wie aktive Engagementpolitik funktioniert, illustriert das Beispiel der Norges Bank Investment Management (NBIM).
Norwegen: Engagement und Impact
Der staatliche norwegische Pensionsfonds, der größte Staatsfonds der Welt, verwaltet ein Vermögen von rund einer Billion Euro. Vor einigen Jahren hat sich das Managementteam des Fonds eine Branche seines Veranlagungsuniversums herausgepickt und die Aktieninvestments in Schuh- und Bekleidungsunternehmen näher analysiert. Im Zuge der Prüfung wurden bei so gut wie allen Branchenunternehmen Missstände in den drei ESG-Belangen festgestellt. In Folge begann NBIM im Jahr 2018 eine Zusammenarbeit mit UNICEF, um zunächst die Zusammenhänge besser zu verstehen und dann Einfluss auf globale Unternehmenspolitik und -praktiken zu nehmen. Das Ergebnis: ein Dialog zwischen einer NGO, einem Staatsfonds und Marktschwergewichten. Im Zuge dieses Dialogs haben sich unter anderem der größte europäische Sportartikelhersteller Adidas, das schwedische Modehaus H&M und Yves-Saint-Laurent-Eigentümer Kering rund um das Thema Kinderrechte verständigt. In Folge wurden speziell bei den Zulieferfirmen dieser Konzerne massive soziale Verbesserungen erwirkt.
Nach zweijährigem Netzwerkengagement veröffentlichten NBIM und UNICEF im Jahr 2020 einen umfassenden Bericht über die Rechte von Kindern mit Fokus auf die Zulieferfirmen der umstrittenen Modebranche. Es wurden klare Mindeststandards für die Bekleidungs- und Schuhindustrie definiert und Empfehlungen ausgesprochen, die heute vielen als Messlatte dienen, wenn es um Verträge mit diesen Zulieferern geht. (Nähere Informationen erhalten Sie unter www.nbim.no/contentassets/d3bda851912f4bcc832520cd93700699/childrens-rights-expectations.pdf
und www.unicef.org/reports/childrens-rights-in-garment-and-footwear-supply-chain-2020
.)
Klar, nur weil Sie die eine oder andere Aktie besitzen, wird noch kein Weltkonzern nach Ihrer Pfeife tanzen und natürlich sind Privatanleger kein norwegischer Staatsfonds. Trotzdem – steter Tropfen höhlt den Stein und wenn alle Privatanleger sich Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit machen und entsprechend nachfragen, dann ist schon viel erreicht. Nur wir alle gemeinsam und damit jeder einzelne kann den notwendigen Prozess in Richtung Nachhaltigkeit in Schwung bringen.
Die Frage, wie man Ergebnisse bestimmter Maßnahmen und Investitionen, ja wie man Nachhaltigkeit selbst misst, ist allerdings nicht so leicht zu beantworten, wie Sie schon mehrmals erfahren haben. Im Teil II lernen Sie nichtsdestotrotz bisher erprobte Methoden und Tools zur Nachhaltigkeitsmessung und -bewertung kennen. Nachdem Sie jetzt wissen, was Sie motiviert, nachhaltig anzulegen, und was Sie mit Ihrem Geld bezwecken wollen, ist es höchste Zeit, sich mit der Frage zu befassen, wie Sie die für Sie definierte Nachhaltigkeit erkennen können.