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Keine Kohle für die Kohle

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Mittlerweile gibt es immer mehr gezielte Divestment-Kampagnen, um die Kohle-, Öl- und Gasindustrie zu schwächen. Der Hintergrund ist klar: Diese mächtigen Branchen mit großer wirtschaftlicher – und politischer – Bedeutung verzögern und behindern mit ihrem Einfluss immer wieder konkrete Maßnahmen und wichtige Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels. Sie wehren sich mit Bezugnahme auf Verträge, die ihnen langfristige Ausstiegsszenarien zusichern oder mit Arbeitsplatzargumenten (beides nachvollziehbare Gründe) gegen Grubenschließungen und beharren manchmal sogar auf die Erschließung neuer. Wenn jetzt aber große institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen (und immer mehr von ihnen bekennen sich zu ihrer Klimaverantwortung) ihre Marktmacht als Investoren nutzen und sich aus klimaheiklen Branchen zurückziehen, dann entsteht dort unmittelbarer Handlungsbedarf. Mit jedem Divestment wird die Notwendigkeit für klimakritische Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeiten klimapositiv zu adaptieren, dringender und das, ohne dass die Politik unmittelbar eingreifen muss.

Divestment ist aber nicht nur ein mächtiges Instrument für institutionelle Anleger, wie Pensions- und Abfertigungskassen. Auch Sie als Privatanleger können im Rahmen Ihrer Veranlagung über Einzeltitel wie Aktien oder Anleihen ein Zeichen setzen und gewisse Branchentitel abstoßen. Auch immer mehr Fondsgesellschaften folgen diesen Überlegungen und beginnen, ihre Fonds umzustrukturieren.

Aber nicht nur für Unternehmen, auch für Staaten gibt es einige recht weit verbreitete Ausschlusskriterien, die entweder zu Divestments oder dazu, dass ein ganzes Land auf einer Ausschlussliste landet, führen können. So haben die Anwendung der Todesstrafe, Menschenrechtsverletzungen oder inakzeptable Arbeitsrechte schon bei vielen Investoren dazu geführt, dass Finanztitel – Aktien oder Anleihen – aus Ländern abgezogen wurden.

Bei manchen Themen, wie zum Beispiel der Todesstrafe, ist bezüglich der Erstellung von Ausschlusslisten eine klare Ja-Nein-Regelung anwendbar. Bei vielen Themen braucht es aber Feinjustierung. Hier die vier wichtigsten Ansatzpunkte:

 Position in der Wertschöpfungskette: Sollen nur die Hersteller eines kontroversen Produktes ausgeschlossen werden oder auch Händler? Und wenn Händler: bis zu welchen Umsatzgrenzen?

 Definition von Umsatzgrenzen im Unternehmen: Sollen beispielsweise grundsätzlich alle Verkäufer von Tabakprodukten ausgeschlossen werden oder nur solche, die damit einen relevanten Umsatzanteil erwirtschaften? Gängig sind hier Umsatzgrenzen von fünf oder zehn Prozent. (Konkretes Beispiel: Aktien von Duty-Free-Shop-Betreibern oder Mischkonzernen.)

 Definition von Grenzen global betrachtet beziehungsweise im Vergleich: Ein Ausschluss erfolgt nur dann, wenn ein Unternehmen einen bestimmten Schwellenwert – meist 0,5 oder ein Prozent– am globalen Gesamtumsatz überschreitet oder sich im Vergleich im untersten, also schlechtesten Viertel befindet.

 Sollen Zulieferbetriebe bei der Analyse ebenfalls Berücksichtigung finden? Und wenn ja, bis in welche Tiefe? Da bei so gut wie allen Branchen Zulieferbetriebe in Schwellen- und Entwicklungsländern angesiedelt sind und dort bei Arbeitsschutz- und Menschenrechtsfragen meist andere Standards gelten als bei uns, ist hier der Widerstand der Wirtschaft, sich bis in die Lieferketten analysieren zu lassen, noch sehr groß. Besonders Nahrungsmittelindustrie und Textilhandel stehen hier häufig am Pranger, aber in Wahrheit ist so gut wie jede Branche betroffen, schafft es aber nicht so oft in die Schlagzeilen.

2023 soll in Deutschland erstmals ein Lieferkettengesetz verabschiedet werden, um Missstände in den globalen Lieferketten transparent zu machen. Auch auf EU-Ebene werden entsprechende gesetzliche Rahmenwerke diskutiert. Der grundsätzliche politische Wille ist ein erstes gutes Zeichen, auch wenn die Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung sicher hart werden.

Je mehr man sich mit der Thematik befasst, desto mehr Gründe werden einem bewusst, warum man Staaten, Branchen oder Unternehmen für ein Investment nicht in Betracht ziehen oder sogar sein Geld wieder abziehen sollte. Zu bedenken ist aber, dass das investierbare Universum umso kleiner wird, je enger man Ausschlusskriterien definiert.

Bedenken Sie bitte immer, dass der unüberlegte Fokus auf wenige ausgewählte Branchen letztlich die Diversifikation Ihres Portfolios verringert und zu einem Klumpenrisiko führen kann.

Was ein Klumpenrisiko ist haben Sie ja schon im letzten Kapitel erfahren, etwas näher wird darauf auch noch im Praxisteil dieses Buches ab Kapitel 8 eingegangen. In diesem Zusammenhang ist zudem wichtig zu wissen, dass global agierende Unternehmen oft in mehreren Branchen tätig sind. Diese Konzerne sind häufig richtige Börsen-Schwergewichte, auch »Value-Unternehmen« genannt, die man vielleicht nicht gänzlich aus dem Anlageuniversum ausschließen will.

Nachhaltig investieren für Dummies

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