Читать книгу DIE AKTE NOSTRADAMUS (Project 6) - Alex Lukeman - Страница 12
Kapitel 8
ОглавлениеSie flogen nach Paris und von dort weiter nach Avignon. Harker hatte einen kleinen Gefallen eingefordert, sodass sie ihre Waffen bei sich tragen durften. Sie mieteten sich einen weißen Renault und machten sich auf den Weg zu Jean-Paul Bertrands Urlaubsdomizil.
Den ersten Teil der Fahrt verbrachten sie schweigend.
Nick ging die ganze Zeit die Melodie eines Folksongs durch den Kopf.
Joshua fit the battle of Jericho, Jericho, Jericho
Joshua fit the battle of Jericho
And the walls come a-tumblin‹ down.
»Dieses verdammte Lied macht mich noch ganz irre«, sagte er.
»Welches Lied?«
»Das über Josua und die Schlacht von Jericho.«
Selena summte ein paar der Zeilen. »Ich kann mich nur an den Refrain erinnern.«
»Ja. Wäre nicht schlecht, wenn ich mich zumindest an den Rest des Textes erinnern könnte.«
»Irgendwas über Josua und die Trompeten, die erklangen, glaube ich.«
»Sie trugen damals die Bundeslade in die Schlacht von Jericho«, sagte Nick. »Deshalb musste ich an dieses Lied denken. Ich frage mich, wie es Josua gelungen ist, diese Wände zum Einsturz zu bringen? Jericho war uneinnehmbar, die ultimative Festung ihrer Zeit.«
»Jener Teil der Geschichte ist verloren, abgesehen von den Berichten in der Bibel.«
Nick kratzte sich am Ohr. »Glaubst du, Gott hat die Mauern eingerissen, um Josua zu helfen?«
»Ich glaube an Gott, aber ich glaube nicht, dass er auf diese Weise einschreitet. Ich denke, diese Geschichte enthält eine Botschaft, auf Basis der tatsächlichen Schlacht. Aber diese Mauern waren real. Ich denke nicht, dass Josuas Armee sie durchbrechen konnte, ohne etwas, dass wir bis heute nicht verstehen.«
»Wie eine Geheimwaffe.«
»Ja. In der Bibel heißt es, dass die Priester die Bundeslade für sechs Tage um die Festung trugen und in ihre Hörner bliesen, und am siebten Tag stürzten die Mauern ein. Vielleicht besaßen sie etwas, das den Klang der Hörner vervielfachen konnte.«
»In der Bundeslade?«
»Schall ist, die richtige Frequenz vorausgesetzt, in der Lage, Steine zu zertrümmern. Mit der heutigen Technik wäre das möglich.«
»Vor dreitausend Jahren gab es aber noch keine heutige Technik.«
»Niemand wird je herausfinden, wie sie es geschafft haben.« Selena hatte ihr GPS-Gerät hervorgezogen. »Biege die nächste rechts ab, und dann geradeaus.«
Die Straße wurde zu einer schmalen Fahrspur, die zwischen flachen, mit Ranken bewachsenen Steinmauern verlief.
»Fahre langsamer«, sagte sie. »Die Zufahrt müsste auf der linken Seite liegen.«
Sie bogen auf einen langen geraden Schotterweg ab, der von Bäumen gesäumt war. Verkrüppelte Eichen, Wacholderbüsche und Rasen erstreckten sich zu beiden Seiten. Das Gras war grün, hochgewachsen und mit gelben und blauen Blumen gesprenkelt.
Das Haus war ein eingeschossiges, weiß getünchtes Steingebäude, das in der Nachmittagssonne badete, mit einem Ziegeldach und einer überdachten Terrasse. Es wirkte wie ein Teil der Landschaft, ein Haus aus einer anderen Zeit. Nick konnte sich mühelos vorstellen, dass Cezanne oder Van Gogh im Garten saßen und malten.
»Hübsch«, sagte er.
»Es ist ein Bauernhaus aus alten Tagen. Jean-Paul hat es renoviert. Ich war nie hier, aber er sprach oft davon. Er liebte es.«
»Ich kann verstehen, wieso.«
Nick hielt den Wagen an. Sie stiegen aus und liefen zur Veranda.
»Die Tür ist offen«, sagte er.
Beide griffen gleichzeitig nach ihren Pistolen. Nick stieß die Tür mit dem Fuß an. Sie schwang nach innen auf. Im Haus war niemand, aber das Durcheinander war nicht zu übersehen.
Es dauerte nur eine Minute, um das Haus zu durchsuchen. Es gab ein Badezimmer, ein Schlafzimmer und einen kombinierten Wohn- und Essbereich. Die hintere Terrasse blickte auf einen Garten und einen kleinen, von Eichen beschatteten natürlichen Teich hinaus. Niemand war hier.
Bücher und Dokumente lagen überall im Wohnzimmer verstreut. Schubladen waren herausgerissen und auch den Boden geworfen worden. Neben der Tür lag eine zerbrochene Vase, die man von einem Beistelltisch gefegt hatte.
»Wie es aussieht, ist uns jemand immer einen Schritt voraus«, sagte Nick.
Selena sah aus dem Fenster. »Da kommt ein Auto.«
Ein alter Citroën 2CV kam die Einfahrt hinaufgefahren und zog eine bläuliche Abgasspur hinter sich her. Die Reifen knirschten über den Kies. Aus dem Wohnzimmer beobachteten sie den Wagen.
»Vielleicht haben die bösen Jungs etwas vergessen«, sagte Nick.
»Ich glaube nicht, dass die Mafia in so etwas herumfährt«, erwiderte sie.
»Du bist ein Auto-Snob. Vielleicht konnten sie keinen anderen Wagen auftreiben.«
Der Citroën hielt neben ihrem gemieteten Renault. Eine Frau stieg aus dem Wagen. Sie trug ein violett geblümtes Kleid, das locker um ihren Körper hing. Ein Kopftuch war um hennafarbene Haare geschlungen, die von zu vielen Besuchen im Schönheitssalon ruiniert waren. Sie war etwa um die fünfzig, mollig und von dunkler Hautfarbe. Sie trug weiße Plastiksandalen. Sie griff in den Wagen und holte einen Korb heraus. Nick konnte ein paar Sprayflaschen und eine Rolle Küchentücher herausragen sehen. Er steckte die Pistole ein.
»Die Putzfrau, allem Anschein nach.« Zusammen mit Selena trat er auf die Terrasse hinaus.
»Bonjour, Madame«, begrüßte Selena sie.
»Bonjour.« Die Frau griff in ihren Korb, förderte eine schwedische Maschinenpistole zutage und richtete sie auf die beiden. »Auf die Knie«, sagte sie dann auf Englisch. »Sofort.«
Selena sah Nick an. »Ich glaube nicht, dass sie hier ist, um zu putzen.«
Ein weiteres Fahrzeug kam die Auffahrt hinaufgefahren, dieses Mal ein schwarzer Mercedes. »Gefällt dir der besser?«, spottete Nick.
»Halten Sie den Mund«, sagte die Putzfrau. »Nehmen Sie die Hände hoch. Und runter auf die Knie, oder ich schieße.«
Mit erhobenen Händen ließen sie sich auf die Knie sinken. Der Mercedes stoppte. Zwei Männer stiegen aus. Einer von ihnen war lang und hager, der andere untersetzt. Sie trugen sportliche, teuer aussehende Kleidung. Dann kamen Waffen zum Vorschein, die auf Nick und Selena gerichtet wurden.
»Sie sind bewaffnet«, erklärte die Frau. »Der Mann hat ein Schulterholster.«
»Nehmen Sie Ihre Waffen heraus und legen Sie sie auf den Boden«, sagte der größere der beiden. »Aber ganz langsam und vorsichtig.«
Er ist Amerikaner, dachte Nick. Irgendwo von der Ostküste.
»Selena, tu, was er sagt. Erinnere dich an Mali.«
»Halten Sie die Klappe. Nehmen Sie die Waffe heraus. Mit zwei Fingern.«
Nick fischte seine neue SIG-Sauer am Kolben mit Daumen und Zeigefinger heraus und legte sie auf die Veranda. Selena folgte seinem Beispiel.
»Sehr gut. Und jetzt hoch mit Ihnen. Die Hände bleiben hinter dem Kopf.«
Langsam standen sie auf.
»Treten Sie die Waffen von sich weg.«
Sie gaben den Waffen einen Tritt, sodass diese von der Terrasse schlitterten. Die Putzfrau ließ den Lauf ihrer Maschinenpistole sinken und verschwand hinter den anderen. Die beiden Männer betraten die Terrasse. Der Untersetzte hielt Plastikfesseln in der einen Hand, seine Pistole in der anderen.
»Umdrehen«, befahl der Große. »Die Hände hinter den Rücken.«
Sie treten sich um. Der kleine Mann kam näher.
Selena reagierte als Erste. Sie wirbelte herum und trat ihm die Pistole aus der Hand. Ein Schuss löste sich dabei und ließ kreischend einen erschrockenen Schwarm Vögel in den Himmel aufsteigen. Mit der Handkante hieb sie gegen seinen Hals, härter, als sie es beabsichtigte. Etwas gab unter dem Schlag nach.
Der große Mann hatte nicht mit Gegenwehr gerechnet. Für einen Sekundenbruchteil war er wie erstarrte. Doch das genügte.
Nick schob mit einer fließenden Handbewegung seinen Arm mit der Pistole beiseite und schob sich an ihn heran. Die Pistole feuerte in den Boden. Er trieb seine Faust tief in die Kehle des großen Mannes, ein tödlicher Treffer gegen den Kehlkopf. Die Putzfrau riss ihre Waffe nach oben. Der Mann krallte nach seiner Kehle und versuchte zu atmen. Sein Gesicht lief purpurn an. Nick stieß ihn von der Terrasse und gegen die Putzfrau, als diese auf ihn zu feuern begann, und benutzte ihn so als menschliches Schutzschild. Die Kugeln bohrten sich in seinen Rücken. Die Frau fiel nach hinten und beide Männer auf sie. Nick zielte an dem toten Mann vorbei und rammte der Frau seine Faust ins Gesicht. Dann hob er den Arm noch einmal und ließ die Faust gegen ihr Nasenbein krachen. Es brach. Sie beschimpfte ihn schreiend, versuchte mit ihrer Maschinenpistole auf ihn zu zielen und schoss in die Luft. Er traf sie erneut, mit einem schweren Schlag. Sie verstummte.
Auf der Terrasse lag tot der zweite Mann. Nick rappelte sich auf.
»Mali?«, fragte Selena.
»Vielleicht nicht genauso. Aber du wusstest, was ich meine.«
In Mali waren sie auf der Straße angegriffen worden. Selenas Kampfsportkünste hatten ihnen damals das Leben gerettet.
»Ja, das habe ich.«
»Hattest du vor, ihn zu töten?«, fragte er.
»Nein. Aber er bettelte förmlich darum.«
Sie hatte sich sehr verändert, seit Nick sie das erste Mal traf. Zwei Jahre im Dienste des PROJECTS hatten einen Großteil ihrer Bedenken ausgeräumt, anderen Menschen wehzutun, die das Gleiche mit ihr vorhatten. Es war eine Frage des Überlebens. Man durfte nicht zögern. Der zweite Mann hatte gezögert, und deshalb lag er jetzt tot vor ihnen.
»Wir sollten besser verschwinden«, schlug Nick vor.
»Sollten wir nicht weitersuchen?«
»Wenn etwas hier war, haben sie es bereits gefunden.«
»Und was ist mit ihr?«
Die Putzfrau war bewusstlos, ihr Gesicht blutverschmiert.
»Sie kann hier aufräumen.«
Sie stiegen in ihren Wagen und fuhren davon.