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Kapitel 11

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Selena saß nun schon beinahe eine Stunde vor ihrem Computer.

»Ich weiß jetzt, wofür die fünf Bäume stehen, aber ich bin nicht sicher, ob uns das weiterhilft.«

Nick wartete, dass sie es näher erläuterte.

»Sie sind ein gnostisches Symbol, das mehrere Bedeutungen haben kann. Eine davon lautet, dass sie die Reinigung der fünf Sinne repräsentieren, eine Metapher für die Einswerdung mit Gott. Jesus soll einmal gesagt haben, dass es im Paradies fünf Bäume gäbe, und wer sie findet, würde ewiges Leben erlangen. Man findet diesen Ausspruch im Thomasevangelium und anderen gnostischen Texten.«

»Ich erinnere mich nicht, schon einmal von dem Thomasevangelium gehört zu haben.«

»Es ist eine der Apokryphen, die nicht Einzug in die Bibel fanden.«

»Wieso hat man sie herausgelassen?«

»Weil sie nicht die gleiche Geschichte wie die anderen Texte erzählen. Die gnostischen Texte werden als ketzerisch angesehen. Sie werfen ein anderes Licht auf die Ereignisse. Gnostiker glauben an die Erkenntnis, die direkt von Gott selbst kommt. Ohne Vermittler.«

»Also keine Priester?«

»Genau. Wenn man eine Kirche erbauen will, in der man selbst das Sagen hat, darf man nicht zulassen, dass die Menschen für sich selbst entscheiden, was Gott womöglich von ihnen will. Man muss sicherstellen, dass jemand als Mittelsmann auftritt.«

»So jung und schon so zynisch«, scherzte Nick.

Sie zuckte mit den Achseln. »Ist nicht meine Idee gewesen. Aber das ist es, was die Bäume symbolisieren.«

»Das verrät uns immer noch nicht, wo wir als Nächstes suchen sollen.«

»Vielleicht sind wir ja auf dem Holzweg, was die Bäume anbelangt.«

»Was meinst du?«

»Ich dachte, dass der Hinweis in der Bedeutung der Bäume zu finden ist. Aber das hat uns nicht weitergebracht. Jetzt frage ich mich, ob Nostradamus etwas anderes damit gemeint haben könnte. Ich glaube immer noch, dass sie die fünf Zeichen sind, die in dem Quatrain erwähnt werden.«

Nick stand auf und sah aus dem Hotelzimmer in Amman. »Okay«, sagte er über seine Schulter hinweg. »Wenn es aber nicht um die Bedeutung der Bäume als Symbol geht, wieso sollte er dann einen Vers darüber schreiben?«

»Um die Aufmerksamkeit auf die Hirten zu lenken?«

»Ein Hirte ist nur ein Hirte. Man kniet sich auf den Boden und sieht die Bäume. Die Bäume sind Teil des Mosaiks. Was gab es da noch zu entdecken, abgesehen von den Bäumen.«

»Die Tiere«, antwortete sie. »Das Zebra, der Löwe und die anderen.«

Er drehte sich zu ihr um. »Afrikanische Tiere. Vielleicht wollte uns Nostradamus wissen lassen, dass die Bundeslade in Afrika ist.«

»Äthiopien«, sagte sie. »Die Stadt Aksum. Dort gibt es eine Kirche, in der sich angeblich die Bundeslade befinden soll.«

»Davon habe ich gehört«, sagte Nick. »Aber wenn sie wirklich dort ist, würde sie nicht als verloren gelten, oder?« Nick zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr. »Wir wissen gar nichts. Wir können nicht einfach in Afrika herumrennen und nach ihr suchen. Lass uns wieder ein paar Vermutungen durchspielen.«

»Schieß los.«

»Die erste Vermutung lautet, dass dieser Quatrain ein echter Hinweis auf den Aufenthaltsort der Bundeslade ist, oder?«

»Wenn nicht, haben wir eine Menge Zeit verschwendet.«

»Erzähl mir mehr über Nostradamus.«

»Zum Beispiel?«

»Du sagtest, dass er stets die wahre Bedeutung seiner Quatrains verschleierte, weil er fürchtete, von der Kirche verfolgt zu werden.«

»Ja. Deshalb ist es auch so schwer, sie zu entschlüsseln.«

»Erwähnte er in seinen Prophezeiungen auch spezifische Orte wie den Berg Nebo?«

»Oft.«

»Waren diese Orte sinnbildlich zu verstehen?«

»Manchmal. Worauf willst du hinaus?«

»Was ist es, dass den Berg Nebo so bedeutend macht?«, fragte Nick.

»Es ist der Ort, an dem Gott Moses das Gelobte Land zeigte, und wo Moses begraben liegt. Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.«

»Was, wenn der Hinweis nichts mit den Bäumen zu tun hat, sondern mit Moses als Hirten seines Volkes?«

»Du glaubst, der Hirte in dem Mosaik ist Moses?«

»Nein. Ich denke, Nostradamus wollte eine Verbindung zu Moses herstellen.«

»Und wie sollte uns das helfen?«

»Was fällt dir als Erstes ein, wenn du an Moses denkst?«

»Das ist leicht«, sagte Selena. »Die Zehn Gebote.«

»Richtig. Er erhält von Gott die Zehn Gebote und gelangt eines Tages zum Berg Nebo. Der Hinweis hat mit Moses zu tun. Das ist die zweite Vermutung.«

Selena sah ihn an. »Du hättest Prediger werden sollen, bei all diesen biblischen Gedanken«, sagte sie. »Aber ich verstehe es immer noch nicht.«

»Vermutung Nummer drei lautet, dass der Vers eigentlich auf die Zehn Gebote verweist. Wo Moses sie erhielt.«

»Er bekam sie auf dem Berg Sinai. Willst du damit sagen, dass sich die Bundeslade auf dem Berg Sinai befindet?«

»Wenn nicht die Bundeslade selbst, dann vielleicht ein Hinweis, wo sie sein könnte.«

»Das ist ziemlich weit hergeholt, Nick. Außerdem … selbst wenn du recht haben solltest, gibt es da ein kleines Problem.«

»Es gibt immer ein Problem. Welches ist es diesmal?«

»Niemand weiß genau, auf welchem Berg genau Moses die Gebote erhalten haben soll, sofern das Ganze nicht einfach nur eine Geschichte ist.«

»Ich dachte, es wäre in Ägypten gewesen, auf der Halbinsel Sinai?«

»Viele biblische Archäologen sind da anderer Ansicht. Ich bezweifle, dass die Bundeslade dort zu finden ist. Kaum ein Berg der Welt wurde gründlicher abgesucht als dieser.«

»Wo könnte er dann liegen?«

»Im Buch Exodus heißt es, dass Donner, Blitze und eine Rauchwolke den Berg einhüllten.«

»Das klingt, als hätte es jemand etwas ausgeschmückt, des Effekts wegen.«

»Aber was, wenn es keine Ausschmückung war? Welche Art von Berg hat Rauch und Donner?«

»Ein Vulkan. Aber gibt es denn Vulkane in Ägypten?«

»Nein«, sagte Selena. »Aber in Saudi-Arabien.«

DIE AKTE NOSTRADAMUS (Project 6)

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