Читать книгу Hanseschwestern - Historical Romance Sammelband 6020: 3 Romane - Alfred Bekker - Страница 15
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ОглавлениеZu dieser Zeit wuchsen Kinder der Hanse durchaus wohlbehütet und wohlerzogen auf, während sich ihre Erwachsenen allerlei Ausschweifungen hingaben. Es wurde geprotzt und geprasst. Dabei war von guter Erziehung in der Regel kaum noch etwas zu spüren, weil es kaum eine Ausschweifung zu geben schien, denen sich die Hansekaufleute nicht hingaben.
Ohne starke Persönlichkeiten wie eben Margarethe Brinkmann hätte das übel geendet. Eine Pleitewelle ohnegleichen hätte die Obrigkeit von Hamburg nachhaltig entmachtet und ein Chaos beschworen, das sich niemand wirklich vorstellen wollte.
Aber auch eine Persönlichkeit wie Georg Wetken war ein wesentlicher Regulator, um das Schlimmste zu verhindern und die Ordnung trotz alledem noch aufrecht zu erhalten.
Andererseits waren die Kinder der Hanse trotz ihrer guten Erziehung nicht dumm genug, um nicht mit zu bekommen, was ihre Erwachsenen so trieben, die ja angeblich ihre besten Vorbilder hätten sein wollen. Und von daher gesehen war es weiter nicht verwunderlich, wenn beispielsweise im Hansehaus Schopenbrink heimlich ein Fest gefeiert wurde, an dem nur Jugendliche teilnahmen, die es zwar wesentlich harmloser angingen als ihre erwachsenen Vorbilder, aber es fand natürlich vollkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Vor allem kein Erwachsener durfte davon erfahren, um das Trugbild der vollkommenen jugendlichen Unschuld aufrecht zu erhalten.
So war es gekommen, dass Johann Wetken verbotenerweise nicht nur Gordula Schopenbrink gekannt hatte, sondern mit ihr sogar befreundet gewesen war. Etwas, was ganz offiziell völlig unmöglich erschien.
Eine garantiert platonische Freundschaft sowieso. Wie auch die Feste der heranwachsenden Jugend in der Regel absolut gut situiert abliefen, ohne auch nur annähernd so ausschweifend werden zu können wie die Feste der Erwachsenen, die sich als wahre Herren von Hamburg sahen, weil sie hier unangefochten die Obrigkeit bildeten.
Es war Gordula während des kleinen und eher bescheidenen Festes gar nicht so recht aufgefallen, dass sich Johann in Adele verliebt hatte, die ausnahmsweise ebenfalls an diesem Fest teilgenommen hatte. Überhaupt war Adele Gordula mit ihrer Anwesenheit völlig entgangen. Hätte sie jemand gefragt, ob unter den Teilnehmern dieses verbotenen Festes eine Adele Brinkmann anwesend gewesen war, hätte sie es womöglich sogar verneint. Weil sie es ganz einfach gar nicht wusste.
Sie hatte sich eher darum bemüht, dass alles so ablief, dass sie halt nicht auffallen konnten. Das war die wichtigste Maßgabe überhaupt. Und genau deshalb lief das ja auch alles so gut situiert - um nicht zu sagen anständig - ab.
Der eine oder andere sprach vielleicht einmal zu viel dem Alkohol zu, ungeübt darin, das Risiko richtig abzuschätzen. Doch alle anderen kümmerten sich dann um diese Einzelfälle, immer eben mit der Maßgabe, nur ja nicht bei diesem verbotenen Spiel erwischt zu werden.
So hatte Gordula wahrlich ganz anderes zu tun gehabt als sich auch nur darüber zu wundern, wie wenig Zeit ihr Freund Johann für sie erübrigen konnte, weil er ganz und gar damit beschäftigt gewesen war, Adele Brinkmann näher kennenzulernen.
Immerhin waren beide so wohl erzogen, dass es dabei noch nicht einmal zum Händchenhalten gekommen war. Sie hatten sich einfach nur ganz tief in die Augen gesehen, dabei feststellend, dass es da etwas gab wie eine höhere Magie, die sie miteinander verband.
Und sie hatten sehr viel miteinander geredet. Wobei ihre Hansehäuser ganz und gar kein Thema geworden waren. Das hätte ja nur unnötig die romantische Stimmung verdorben.
Es war jedenfalls eine Begegnung, die Johann niemals in seinem ganzen Leben wieder vergessen würde. Und er war sich ganz sicher, dass es Adele genauso erging.
Nicht nur, dass er in dieser Erinnerung besonders gern schwelgte: Er war sich vollkommen sicher, dass er es niemals ertragen und somit auch niemals zulassen konnte, Adele auf Dauer nicht mehr sehen zu können. Koste es, was es wolle.
Obwohl er sie dermaßen schändlich hatte verleugnen müssen im Angesicht seines Vaters. Aber dazu hatte es ganz einfach keine Alternative gegeben, wie er sich immer wieder selbst einredete. Wenn er es schaffen wollte, Adele jemals wieder zu sehen und ihr vielleicht eines Tages sogar richtig näher zu kommen, dann ging das eben nur auf diesem Wege. Es war die hohe Zeit der Hanse. Da hatte man keine Freiheiten, konnte man nicht selbst bestimmen. Da bestimmten die Oberhäupter der Hansehäuser und über diese wiederum die Gildenführer. Jeder andere musste sich dem uneingeschränkt beugen, ob er nun wollte oder nicht. Wenn nicht, musste er mit Sanktionen rechnen, die er sich besser nicht vorstellen wollte.
Und wie sollte Johann es unter solchen Umständen jemals schaffen, auch nur Gordula wieder zu treffen, um sie endlich in Kenntnis zu setzen über alles? Denn das musste er dringend, ehe seine ganze Geschichte als strategischer Schwindel aufflog, die er nur deshalb ersonnen hatte, um sich aus der Affäre zu ziehen.
Sein Vater kannte da keine Gnade. Das wusste er. Andererseits konnte er keinen Schritt mehr ohne Beobachtung machen. Gar das Haus zu verlassen war so unmöglich wie zu Fuß auf dem Mond zu landen. Da wäre vielleicht sogar ein Gefängnisausbruch leichter gefallen.
Nun, er wäre nicht seines Vaters Sohn gewesen, der Sohn des berühmten und nicht minder gefürchteten Hansekaufmannes Georg Wetken, hätte er nicht den Verstand aufgebracht, sich dahingehend erneut eine passende Strategie einfallen zu lassen.
Und weil das besonders schnell gehen musste, hatte er dabei noch nicht einmal die Zeit mehr, sich seiner Sehnsucht nach Adele hinzugeben, ihrem für ihn unendlich lieblichen Anblick, ihrer Stimme, die in seinen Ohren wie Engelsgeläut klang. So kam es, dass er noch vor dem Abend es schaffte, endlich von seinem Vater vorgelassen zu werden. In einer äußerst dringlichen Angelegenheit, wie er hatte ausrichten lassen.
Ein sehr missmutiger Georg Wetken erwartete ihn. So missmutig, wie Johann ihn selten erlebt hatte. Und bevor noch Johann auch nur einen Ton von sich geben konnte, bellte er seinen Sohn ärgerlich an:
„Dringende Angelegenheit, wie? Was, zum Donnerwetter, kann denn da so dringend sein?“
„Es geht darum, möglichen Schaden rechtzeitig abzuwenden!“, behauptete Johann und gab sich dabei alle erdenkliche Mühe, seiner Stimme jenen festen Klang zu verleihen, den sein Vater von einem möglichen Nachfolger erwartete.
„Schaden für wen? Für dich?“
Oh, das sah sein Herr Vater durchaus richtig, obschon es nun an Johann lag, ihn schleunigst von diesem Standpunkt wieder herunter zu bringen und ihn in die gewünschte Richtung zu bugsieren, ohne dass es diesem natürlich bewusst werden konnte.
Eine Aufgabe, die alles andere als leicht war. Obwohl er als Sohn natürlich einen gewissen Bonus hatte im Umgang mit seinem Vater, trotz alledem, was es derzeit für Missstimmung zwischen ihnen gab.
Georg Wetken musterte seinen Sohn von Kopf bis Fuß, doch es war erkennbar, dass sich in sein Misstrauen bereits so etwas wie Neugierde eingeschlichen hatte.
Das sah Johann als besonders positives Zeichen. Jetzt musste er es nur noch schaffen, keinen Fehler zu begehen. Noch nicht einmal den geringsten wohlgemerkt!
Er spürte, dass seine innere Nervosität, die er eigentlich bereits auf dem Höhepunkt gewähnt hatte, jetzt sogar noch anstieg, allen Befürchtungen zum Trotz. Es schien sich eine unsichtbare Hand um seine Kehle zu klammern, um ihn zu ersticken.
Wie sollte er unter diesen Umständen überhaupt auch nur ein einziges vernünftiges Wort noch hervorbringen können?
Und dann hörte er jemanden sprechen. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Das war auch nicht verwunderlich, weil es sich nämlich um seine eigene Stimme handelte. Er sprach trotz dieser Nervosität, die ihm schier das Bewusstsein rauben wollte, und seine Stimme klang dabei überhaupt nicht nervös. Ganz im Gegenteil: Fest, stark, überzeugend. Wie es sich gehörte für einen jungen Mann in seiner Position als künftiger Nachfolger des mächtigsten Gildenführers der Stadt.
Das nahm ihm einen Großteil der Nervosität, weil er erkannte, dass er es tatsächlich beherrschte. Nein, er war nicht umsonst in diese Position geraten. Sein Vater hatte durchaus sein Potenzial erkannt und hatte ihn nur deshalb entsprechend gefördert. Nicht nur, weil er sein Sohn war. Ganz im Gegenteil: Diese Tatsache, dass er sein eigenes Fleisch und Blut war, erschwerte es sogar noch für ihn, weil er sich ständig aufs neue beweisen musste, denn niemand war natürlich dermaßen unter der Aufsicht von Georg Wetken im Verlauf dieser mehr als harten Schulung, als ausgerechnet sein eigener Sohn und künftiger Nachfolger. Und das nun schon seit so vielen Jahren.
Das gnadenlose Training, um sich dabei behaupten zu können, zahlte sich jedenfalls in diesen Sekunden enorm aus, wenngleich nicht so im Sinne von Georg Wetken, dem er das überhaupt verdankte, sondern tatsächlich in erster Linie für dessen Sohn Johann Wetken.
Dieser sagte nämlich:
„Mir ist es gelungen, Gordula Wetken auf unsere Seite zu ziehen, wie du weißt, mein Vater. Eine zugegebenermaßen zunächst nur eher kleine Hürde, die ich genommen habe, ja, zugegeben, aber es ist ja erst der Beginn von etwas wirklich Großem. Und wenn ich jetzt plötzlich überhaupt nicht mehr bei ihr auftauche, kann das nur zu unserem Schaden sein. Alles dies, was ich angestrebt habe, wird mit einem Schlag zunichte gemacht.“
Georg Wetken legte leicht den Kopf schief und betrachtete seinen Sohn mit schrägem Blick.
„Aha, das schon wieder: Gordula Wetken als Eingangspforte zum Hansehaus Schopenbrink?“, vergewisserte er sich mit grollender Stimme, die jedem, der Angesicht zu Angesicht Georg Wetken gegenüber stand, nicht selten eiskalte Schauer über den Rücken rieseln ließ. Dieser Mann strahlte eine Autorität aus, die praktisch jeden in die Knie zwang, außer natürlich einer einzigen Person: Margarethe Brinkmann! Dafür war ihr Hass auf ihn viel zu groß. Einmal abgesehen davon, dass eine persönliche Begegnung dieser beiden hohen Persönlichkeiten innerhalb der Obrigkeit von Hamburg völlig unmöglich erschien.
Aber auch Johann hatte es im Laufe der Zeit gelernt, nicht schon beim bloßen Klang der Stimme seines Vaters in Demutshaltung zu versinken. Genau das gehörte ja zu den Dingen, die Georg Wetken so besonders an seinem Sohn schätzte.
Nein, Johann Wetken blieb aufrecht und stolz stehen und ohne dem sengenden Blick aus den Augen seines Vaters auszuweichen. Er hielt ihm stand. Seine Stimme blieb ruhig und unbeirrt:
„Genau das ist sie! Wir verstehen uns prächtig. Das ist eine Freundschaft, die mir sehr teuer ist – und nützlich zugleich. Teuer und damit wichtig für mich selbst, aber auch für unser Hansehaus, ja, für unsere ganze Gilde.
Ich will nicht versprechen, dass ich auf diesem Wege wirklich erreichen kann, das Hansehaus Schopenbrink am Ende dazu zu bewegen, Mitglied in unserer Gilde zu werden, aber auch uneingeschränktes Wohlwollen uns gegenüber wäre doch sehr erstrebenswert. Auch und vor allem im ewigen Kampf gegen die schändliche Brinkmann-Gilde.“
Georg Wetken ließ seinen Sohn ausreden. Für ihn alles andere als selbstverständlich, zumal ihm bisher aus seinem Munde nichts wirklich Neues zu Ohren gekommen war, sondern nur bereits Bekanntes eindringlich wiederholt wurde. Aber es war klar, dass sein erster Zorn trotzdem einigermaßen verflogen war und er sich natürlich bemühen wollte, ausreichende Rechtfertigungsgründe für seinen Lieblingssohn zu finden. Insofern hatte Johann tatsächlich eine Art Bonus bei seinem Vater, den man nicht unterschätzen durfte.
Nach dieser Ansprache überlegte Georg Wetken erst noch. Er wog anscheinend sorgfältig das Gehörte ab, bevor er sich zu einer Entgegnung herab ließ.
Und die fiel leider immer noch nicht im beabsichtigten Sinne aus:
„Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun in dieser Situation?“
„Du hast mich festgesetzt, hast mir untersagt, das Haus zu verlassen. Mit Verlaub, mein Vater, ich will jetzt keineswegs respektlos erscheinen, und es liegt mir auch völlig fern, deine Entscheidungen auch nur im Geringsten in Frage zu stellen, aber dadurch kann ich mich jetzt natürlich nicht mehr Gordula treffen.
Sie hat sich ja ebenfalls nur heimlich mit mir treffen können. Das heißt, ihr eigenes Haus weiß darüber überhaupt nicht Bescheid. Das ist auch gut so, einerseits, denn es wäre ja viel zu früh noch, die Verbindung zwischen Gordula und mir offiziell zu machen. Und es würde ja offiziell werden, sobald ihr Haus dies erführe.
Ich will mir gar nicht ausmalen, wie ihr Vater, Hieronymus Schopenbrink, auf diese Erkenntnis reagieren würde zu diesem noch viel zu frühen Zeitpunkt.“
„Und andererseits?“
„Es müsste natürlich noch der Weg dazu bereitet werden, um sozusagen die offizielle Verlautbarung überzeugend vorbereiten zu können.“
„Ach, und du meinst in diesem Zusammenhang natürlich, wenn du jetzt die Verbindung abbrichst, könnte niemals mehr gelingen, was du dir vorgenommen hast?“, vergewisserte sich sein Vater ungerührt.
„Ich bin wahrlich meines Vaters Sohn!“, versprach Johann großspurig. „Ich muss ja nicht warten, bis ich eines Tages in deine Fußstapfen treten darf. Was spricht denn dagegen, wenn ich vorher schon ganz zum Wohle unseres Hauses aktiv werden will? Natürlich dort, wo ich deutlich genug die entsprechende Chance sehe? Es wäre doch schade, würde meine ganze Vorarbeit letztlich umsonst gewesen sein.“
„Immerhin eine Vorarbeit, die dir zudem sehr zupass kam, wie ich vermute?“
„Selbstverständlich kam sie mir sehr zupass! Das ist nicht zu leugnen. Ja, ich genieße es tatsächlich, mit Gordula Schopenbrink zusammen zu sein. Wir sind schließlich so etwas wie Seelenverwandte, um dies noch einmal zu betonen.“
„Aber sie ist nur eine junge Frau. Ist dir das denn wirklich klar? Also, wie groß kann denn schon ihr Einfluss sein im Hause Schopenbrink – eben als junge Frau?“
„Ja, gewiss, mein Vater, sie ist nur eine junge Frau, oberflächlich betrachtet, aber wer Gordula Schopenbrink wirklich kennt, so wie ich, der weiß, dass dies keinesfalls zu ihrer Charakterisierung ausreicht. Nicht bei ihr, wie ich versichern darf!
Du weißt ja schon, dass ausgerechnet sie mich zu jenem verbotenen Fest eingeladen hat, an dem nur Jugendliche aus verschiedenen Hansehäusern teilnehmen durften. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit natürlich.“
„Eine Verschwiegenheit, die du hiermit erneut brichst?“
„Nun, es ist ja sowieso nichts Neues mehr für dich, mein Vater, mit Verlaub. Ich verrate ja kein Geheimnis mehr. Du weißt ja schon, dass ich auf diesem einen Fest Adele zum ersten Mal gesehen habe. Allerdings weiß ich bis heute nicht, wer sie dahin eingeladen hat. Ich bin mir nur sicher, dass Gordula das nicht gewesen sein kann.“
„Und was macht dich da so sicher?“
„Gordula hätte es mir vorher schon gesagt, und sie hätte von mir erfahren, dass dies ganz und gar nicht in meinem Sinne gewesen wäre.“
„Ach, du setzt also tatsächlich voraus, dass diese Gordula Schopenbrink Adele Brinkmann niemals eingeladen hätte, allein schon aus Rücksicht auf dich, weil du ein Wetken bist?“
„So ist es!“, antwortete Johann überzeugt.
Georg Wetken schürzte nachdenklich die Lippen. Oh, das kam besonders selten bei ihm vor. Er schien tatsächlich hin und her zu wanken zwischen Zustimmung und Ablehnung. Bis er die nächste Frage abschoss, von deren Beantwortung möglicherweise jetzt alles abhing:
„Und wie sollte es deiner Meinung nach überhaupt gelingen, über Gordula Schopenbrink auf die Geschäftspolitik ihres Vaters Einfluss zu nehmen?“
„Allein schon deshalb, weil Gordula die Lieblingstochter ist von Hieronymus Schopenbrink. Das ist ja durchaus bekannt, und ich nehme an auch dir?“
„Willst du damit etwa andeuten, es könnte Dinge von entscheidender Bedeutung geben, die mir nicht bekannt sind?“
„Nein, nein!“ Johann winkte mit beiden Händen ab. „Das war damit keineswegs gemeint. Ich wollte lediglich an deine Erinnerung appellieren, was dies betrifft. Also, wenn Gordula ihrem Vater in entsprechender Weise beibringt, dass sie in mir den möglichen Vater ihrer zukünftigen Kinder sieht, wird er höchstwahrscheinlich nicht völlig abgeneigt sein.“
„Eine Vermutung, mehr nicht!“, trumpfte sein Vater auf. „Deine Vermutung vor allem, weil es dir gerade mal wieder in den Kram passen würde.“
„Andererseits“, beeilte sich Johann noch zu ergänzen: „Der Lieblingssohn von Hieronymus Schopenbrink ist ja Christian Schopenbrink. Es heißt, sein Vater würde ihn schon seit Jahren auf die Nachfolgeschaft vorbereiten, gerade so wie du es mit mir getan hast.“
„Und was soll das jetzt mit deiner Rolle als möglicher Ehegatte seiner Schwester zu tun haben?“
„Ziemlich viel, wie ich meine, denn Gordula und ihr Bruder sind das, was man gern ein Herz und eine Seele nennt. Es ist Gordulas unnachahmliches, um nicht zu sagen einmaliges Gemüt. Sie ist wahrlich eine junge Frau, die man einfach gern haben muss. Auch als Bruder.“
„Du bist also überzeugt davon, dass nicht nur ihr Vater, sondern auch ihr Bruder dich als ihren künftigen Ehemann akzeptieren würde?“
„Nicht auf Anhieb“, schränkte Johann jetzt geschickt ein. „Dazu ist noch einiges an Arbeit nötig, wie ich zugeben muss. Ich stehe ja, wie schon erwähnt, erst am Anfang. Nun habe ich an diesem Fest teilgenommen, ihrer Einladung folgend, und habe mich mehrmals mit ihr in der Zwischenzeit heimlich getroffen. Weiter ging das leider noch nicht.“
„Ja, das ist in der Tat als eher zaghafter Anfang zu werten“, gab jetzt Georg Wetken für seinen Sohn sehr überraschend zu. „Andererseits sehe ich da auch eine Art Testlauf für dich. Soll heißen: Falls es dir wirklich gelingen sollte, gewissermaßen das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, auch und vor allem zum Wohle der Gilde, würde dir das durchaus Pluspunkte verschaffen. Nicht nur bei mir, sondern bei allen Hansekaufleuten, die sich innerhalb unserer Gilde zusammengeschlossen haben.
Doch was mache ich mit dir, wenn du versagst?“
„Würde ich versagen“, antwortete Johann überzeugt und nach außen hin völlig ruhig und beherrscht, obwohl es nach wie vor in seinem Innern mächtig brodelte, „wäre ich eindeutig nicht ausreichend geeignet, dein würdiger Nachfolger zu werden!“
Jetzt lachte Georg Wetken sogar. Ebenfalls eine absolute Seltenheit bei ihm. Er trat sogar vor und hieb mit seiner fleischigen Hand kräftig auf Johanns Schulter.
Der junge Mann war gottlob stabil genug gebaut, um dabei nicht in die Knie zu gehen wie es mach anderem wohl widerfahren wäre.
„Also gut, überredet, aber noch längst nicht völlig überzeugt: Nimm wieder Kontakt auf mit dieser Gordula Schopenbrink. Ich werde das allerdings stets und ständig im Auge behalten: Ich werden DICH stets und ständig im Auge behalten. Du wirst keinen Schritt ohne mich gehen. Betrachte mich als Schatten, der dir auf Schritt und Tritt folgt.“
Nun, das war nicht ganz so neu für Johann, obwohl die Überwachung, die Georg Wetken seinem Sohn anheim fallen ließ, durchaus verschärft worden war seit dem Mittag. Aber er war damit jahrelang zurecht gekommen, also würde er sich auch in Zukunft damit arrangieren können.
Zwar würde es vorerst unmöglich bleiben, auch noch zusätzlich wieder Kontakt zu Adele aufzunehmen, aber dies würde ja dennoch das eigentliche Fernziel bleiben.
Obwohl Johann selbst noch nicht wusste, wie er über Gordula und einer Vertiefung seiner Freundschaft mit dieser jungen Frau aus dem Hansehaus Schopenbrink letztlich seinen Weg zu Adele zurück finden konnte. Aber darüber durfte er sich sowieso erst zu einem späteren Zeitpunkt Gedanken machen. Er musste umsichtig und gezielt Schritt für Schritt vorgehen und durfte es niemals wagen, einen Schritt schon vor dem nächsten zu tun. Selbst wenn die brennende Sehnsucht nach seiner Adele ihn noch so sehr dazu drängen wollte, den Vorgang leichtsinnigerweise zu beschleunigen.
Denn wenn er dabei wirklich versagte, war es für alle Zeiten aus. Das war es, was er sich stets und ständig vor Augen führen musste, sobald der Leichtsinn versuchte, in ihm die Oberhand zu gewinnen.