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Schalows Magen ballte sich zu einem Klumpen zusammen. Seine Augen quollen aus den Höhlen. So etwas Furchtbares hatte er noch nie in seinem Leben gesehen.

Haare wie Tang auf einem zerstörten Gesicht. Leere Augenhöhlen. Durch die Reste der vermoderten Haut schimmerten bleiche Knochen. Die Zähne, hell und regelmäßig, grinsten lippenlos.

Der Beamte ließ die Plane wieder über das Gesicht fallen.

»Wir wissen nur, dass es eine Frau war. Und nicht einmal das ist ganz sicher ...«

Die Stimme dröhnte in Schalows Schädel. Er drehte sich um, machte ein paar torkelnde Schritte, dann fiel er auf die Knie und übergab sich.

*


Tränen rannen über seine Wangen.

Monika.

Sie hatte ihn doch nicht betrogen. Denn es war kein Zufall, dass ihre Leiche in dieser Kiesgrube lag.

In den Augen der Männer meinte Schalow so etwas wie Mitleid zu erkennen. Einer gab ihm Feuer, als er sich eine Zigarette zwischen die klappernden Zähne klemmte. Er war unfähig, ein Wort zu sagen.

Wie hatte Gerd es nur herausgefunden?

Gerd hatte in den wassergefüllten Kiesgruben dieser Gegend tauchen lassen wollen. Oder nur in einer ganz bestimmten?

Wieso?

Schalow ging mit unsicheren Schritten zu seinem Wagen zurück. Niemand hielt ihn auf. Er setzte zurück. Der Motor heulte, als er die Steigung hinaufkroch.

Scheinwerfer fingerten oben auf der Straße herum, strichen über das verrostete Schild, dann bog ein Wagen in die Zufahrt. Seine Scheinwerfer blendeten Schalow für einen Moment. Als der Wagen an ihm vorbeirollte, erkannte er einen schwarzen Mercedes, den er am Morgen schon hier gesehen hatte. Wahrscheinlich gehörte er dem Arzt aus Mechernich. Oder dem Staatsanwalt aus Euskirchen.

Schalow fuhr über Eicks in Richtung Kommern. Irgendwo, zwischen ein paar Häusern, wo Licht war, hielt er neben einer hell erleuchteten Telefonzelle. Er brauchte Licht. Die Dunkelheit flößte ihm Furcht ein.

Er betrat die enge Kabine. Jetzt kam er sich wie eine Zielscheibe vor. Draußen glitt ein Wagen vorbei. Sehr langsam. Schalow erkannte den Umriss eines Kombis.

Hastig stopfte er Münzen in den Schlitz, dann drehte er die Nummer von Gerds Wohnung.

Das Läuten in der Wohnung des toten Freundes verhallte ungehört. Beate war noch nicht aus Siegburg zurück.

Schalow drückte den Haken herab, ließ ihn wieder los, fischte die Münzen aus dem Rückgabefach, wählte erneut.

»Ich will Hartmann sprechen«, sagte er, als sich eine neutrale Stimme meldete. »Ich bin Schalow.«

Dieses Mal wusste der Mann am anderen Ende gleich Bescheid.

»Ich kann Herrn Hartmann im Augenblick nicht erreichen, Herr Schalow. Aber er hat eine Nachricht für Sie hinterlassen. Sie lautet: >Sie sind in Gefahr. Suchen Sie das nächste Polizeirevier auf und melden Sie sich wieder bei mir.< Nachricht Ende.«

Eine Münze fiel durch den Schacht. Schalow starrte nach draußen.

»Hören Sie noch, Herr Schalow?«

»Ja. Können Sie den Besitzer oder Halter eines Wagens ermitteln, wenn ich Ihnen das Kennzeichen durchgebe?«

»Ja, natürlich. Aber ich darf Ihnen die Information nicht weitergeben.«

»Geben Sie sie Hartmann.« Schalow nannte das Kennzeichen des Opel.

»Wo sind Sie jetzt?«, fragte der Mann am anderen Ende. »Was kann ich Herrn Hartmann sagen?«

»Nichts«, antwortete Schalow und legte auf.

Er trat auf den kleinen Platz zwischen den Häusern. Aus dem Dorfgasthof schräg gegenüber schallten Stimmen. Sonst war es still.

Er stieg in den Käfer, startete und raste los. Erst als er schon wieder auf der Landstraße war und die Dunkelheit erneut über ihm zusammenschlug, fiel ihm auf, dass er die Scheinwerfer nicht eingeschaltet hatte. Hastig holte er es nach.

Das Licht lag wie ein heller Teppich vor dem Käfer. Die Fahrbahn wurde enger. Die Mauern der dunklen Tannen rückten zusammen. Die Straße verlief leicht abschüssig. Unten in einem weit entfernten Tal blinkten Lichter. In einer anderen Welt.

Schalow wusste, dass er auf dem richtigen Weg war, in einem streng geographischen Sinn. Er näherte sich seinem unbekannten Feind. Dem Mann, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, und der dennoch sein Leben so entscheidend beeinflusst hatte und jetzt vollends vernichten wollte. Er näherte sich dem Mann, der einen tödlichen Kreis um ihn gezogen hatte.

Ob Heikaus ihn erwartete?

Monika! Monika!

Er sah die bleichen Knochen. Das lippenlose Grinsen der leuchtenden Zähne. Schalow zitterte. Warum fuhr er ins Zentrum des Todeskreises? Was konnte er dem Mann dort anhaben?

Er wollte ihn fragen. Er wollte ihm das WARUM ins Gesicht schleudern.

Und er wollte Rache, auch wenn er selbst dabei sterben musste. Sein Leben war nichts mehr wert. Er war ein Ausgestoßener.

Rache.

Rache für Monika, deren verfaulte Leiche jetzt am Rande eines Baggerloches lag.

Aber er war doch schon in diese Richtung gefahren, bevor er von Monikas Tod wusste.

Stimmte es, dass er sie rächen wollte?

Es stimmte nicht. Er wollte den Mann vernichten, der ihm drei Jahre seines Lebens genommen hatte. Mehr noch. Der ihm seine Ehre genommen und seine Zukunft zerstört hatte. Der seinen Freund ermordet hatte.

Er wollte Rache. Das Gefühl war neu und stark. Wenn er schon damals, vor drei Jahren, gewusst hätte, dass Heikaus für das Fehlurteil verantwortlich war, hätte er ihm damals schon Rache geschworen.

Aber die Flamme wäre nicht so lange am Brennen geblieben. In drei Jahren erlischt jedes Feuer zwischen diesen dicken steinernen Mauern.

Er zuckte zusammen, als grelles Licht wie eine Bombe im Inneren des Käfers explodierte.

*


Der Opel hatte in einer Schneise gewartet, bis Schalows VW vorbeiratterte. Er hatte sich mit abgeschalteten Lichtern an ihn gehängt. Und dann alle zugleich eingeschaltet.

Die Flut traf Schalow wie ein körperlich spürbarer Schlag. Er verriss das Lenkrad. Der Wagen trieb auf die Gegenfahrbahn hinüber. Schalow brachte ihn wieder in seine Gewalt. Der andere Wagen klebte fast an der hinteren Stoßstange. Schalow konnte nicht erkennen, ob es der Opel war. Das Licht war überall. Es füllte das Innere des Käfers vollkommen aus.

Schalow rammte seinen Fuß auf die Bremse, gab jedoch sofort wieder Gas. Denn der andere ließ es vielleicht auf eine Karambolage ankommen.

Er kniff die Lider zusammen und sah nicht in die Rückspiegel, die wie Ausschnitte der Sonnenoberfläche gleißten. Der dunkle Straßentunnel schwenkte nach rechts. Schalow behielt die Geschwindigkeit bei, trat das Gas sogar noch weiter. Er fuhr gerade über die gekrümmte Mittellinie hinaus. Erst im letzten Moment, als der Begrenzungsstein der linken Fahrbahnseite hell im Kegel der Scheinwerfer lag, riss er das Lenkrad herum. Er tippte auf die Bremse, gab wieder Gas, steuerte gegen die Fahrtrichtung. Er hatte es nicht verlernt.

Im kontrollierten Powerslide schlingerte der Käfer durch die Kurve.

Der Fahrer des anderen Wagens hatte die Kurve nicht rechtzeitig gesehen. Jetzt musste er voll auf die Bremse steigen. Schalow sah, wie der Vorderwagen tief einsackte, das linke Vorderrad geriet auf den Seitenstreifen. Flüchtig erkannte er die Umrisse eines Kombi. Es gab keinen Zweifel. Es war der Opel, der ihn seit Köln verfolgte.

Das Bremsmanöver kostete den Verfolger Zeit. Schalow gewann dadurch wertvolle Sekunden. Mit Vollgas fegte er in eine S-Kurve. Das Fahren entspannte ihn in gewisser Hinsicht. Er musste sich auf den Wagen und die Straßen konzentrieren. Er brauchte nicht an Monika zu denken. Oder an Gerd. Oder an Heikaus.

Die Straße hinter ihm versank in Dunkelheit. Aber jeden Moment konnte sich eine Gerade anschließen, auf der ihm der Verfolger überlegen war. Im Rückspiegel blitzte es kurz auf, als die Scheinwerfer des Opel über eine Böschung strichen.

Ein zweites Mal konnte er den anderen nicht austricksen.

Ein Wegweiser huschte vorbei. Es war nicht mehr weit bis zu dem Jagdhaus.

Schalow entdeckte eine Schneise. Er visierte die Stelle an, ehe er den Handballen auf den Lichtknopf hieb.

Dunkelheit senkte sich über ihn wie eine Decke. Er konnte nichts sehen, absolut nichts, nachdem er so lange in das Licht gestarrt hatte.

Wenn er die Einfahrt verpasste, landete er im Graben.

Der Volkswagen rumpelte und sprang über einen unebenen Weg. Schalows Fuß blieb der Bremse fern. Das rote Licht der Bremsleuchten wäre in der Nacht weit zu sehen gewesen.

Wie Pfeile schossen jetzt die Lichtfinger der aufgeblendeten Scheinwerfer über die Straße, die er soeben verlassen hatte. Der Opel zischte vorbei, bevor der VW noch ganz ausgerollt war. Schalow drehte den Zündschlüssel herum. Das betäubende Dröhnen des Motors erstarb.

Schalow klammerte sich am Lenkrad fest. Seine Lungen arbeiteten wie nach einem anstrengenden Lauf. Das Herz hämmerte schmerzhaft im Hals. Er drehte die Seitenscheibe herab und ließ die würzige Luft herein. Sie beruhigte die überstrapazierten Nerven.

Er fischte eine Zigarette aus seiner Jackentasche und zündete sie an.

*


Schalow presste die Stirn auf das harte Lenkrad. Er war müde, so müde.

Draußen hörte er etwas knacken. Er reagierte nicht darauf. Erst als sich das Geräusch wiederholte, schreckte er auf. Er drückte die Zigarette aus, warf den Kopf herum.

Nichts war zu sehen. Nur die Schwärze der Nacht.

Seine Hand tastete nach dem Zündschlüssel. Der Schlüssel klirrte leise. Er drehte ihn herum. Die Maschine kam sofort. Er legte den Rückwärtsgang ein.

Die Rückfahrscheinwerfer leuchteten kaltweiß.

Ihr Licht fing sich in einer Batterie runder Scheinwerfer, im Chrom einer Stoßstange und des Kühlergrills, und es ließ den grünen Lack des Opel Kombi glänzen. Der Wagen rollte gerade aus.

Der Fahrer des Opel hatte die Spur des Käfers nicht gleich wiedergefunden und sofort den richtigen Schluss gezogen. Geräuschlos wie eine Katze hatte er die wenigen Schneisen abgesucht, die als Versteck in Frage kamen.

Eine Hand fuhr durch das geöffnete Seitenfenster, und Schalow spürte den Druck von etwas Hartem an seiner Schläfe. Sie waren also zu zweit. Einer war vorausgegangen.

»Das ist eine Pistole. Wenn Sie unbedingt wollen, können Sie sofort sterben.«

Schalow wollte nicht sterben. Nicht einfach so.

Nicht ohne dem Mann gegenübergestanden zu haben, der ihn als Joker in diesem tödlichen Spiel missbraucht hatte.

Ilja Petrovic ist der Pistolenmann, dachte Schalow. Er sprach ein einwandfreies, sehr klar akzentuiertes Deutsch. Mit ihm würde er immer fertig werden. Es war leicht, gegen einen Mann zu kämpfen, den man sehen oder doch wenigstens spüren konnte.

Der Kerl mit der Pistole öffnete die Tür. Schalow nahm den Rückwärtsgang wieder heraus.

Konnte er mit dem Wagen in die Tiefe des Waldes flüchten?

Kaum. Wahrscheinlich würde er ihn nur unter eine Schranke jagen, die den Waldweg sperrte.

»Steigen Sie aus, bitte.«

Schalow stieg aus. Eine Hand tastete ihn blitzschnell ab. Schalow spannte seine Muskeln, um dem anderen einen Ellbogen in die Seite zu stoßen.

Aber der zweite Mann war ausgestiegen und trat neben ihn. Schalow ahnte, dass er verloren war.

Sie waren Profis. In der JVA hatte er nur die Amateure kennengelernt. Die Burschen, die sich schnappen ließen. Sie hatten immer von den Profis gesprochen und davon, dass sie so sein wollten wie die.

Diese armen Irren. Sie hatten ja keine Ahnung. Schalow wurde von einem bitteren lautlosen Lachen geschüttelt.

*


Sie verfrachteten ihn in den Opel. Er musste auf die Ladefläche steigen und sich hinlegen. Der Kerl mit der Pistole - Petrovic? - hatte sogar Handschellen bei sich, mit denen er Schalows Hände mit den Füßen zusammenschloss. Dann setzte er sich hinter das Steuer.

Er schaltete die Scheinwerfer an und setzte zurück. Als er über die Rücklehne des Vordersitzes nach hinten spähte, konnte Schalow undeutlich den Kopf des Killers erkennen. Er war kantig und mit glattem, streng gescheiteltem Haar bedeckt. Die Augen standen eng zusammen.

Schalow hörte das Lärmen des Käfermotors. Der Opel wartete, bis der VW aus der Schneise setzte. Dann fuhr der Opel los und folgte dem Volkswagen. Die Fahrt würde nicht lange dauern, vermutete Schalow.

Er rutschte ein wenig hin und her, wenn der Wagen in eine Kurve ging, aber ansonsten lag er nicht allzu unbequem.

Bis die Fahrzeuge offenbar die asphaltierte Straße verließen und einen geschotterten Weg hinauffuhren.

Schalow krachte ein paar Mal mit den Schultern auf den ungepolsterten Boden der Ladefläche. Er sah Bäume und Äste über den Wagen hinwegstreichen.

Petrovic rangierte den Opel in eine Einfahrt. Als er den Motor abstellte, war es plötzlich sehr still. Der VW schien schon angekommen zu sein, denn der zweite Mann öffnete die hintere Klappe.

Schalow sah den Umriss eines wuchtigen Blockhauses mit einer breiten Veranda, die über die ganze Hausbreite lief und vom überhängenden Dach geschützt wurde. An der Hausecke, über der hölzernen Treppe, brannte eine Lampe.

Gegen ihr Licht erkannte Schalow den zweiten Mann. Er trug das helle Haar lang bis in den Nacken. Der ungepflegte Schnurrbart bedeckte die wulstigen Lippen. Er war jünger als Schalow, vielleicht vierundzwanzig.

Der Blonde wartete, bis Petrovic an der hinteren Klappe erschien.

»Du bleibst draußen«, sagte Petrovic mit einer Stimme, die Autorität verriet. Er trug einen dunkelblauen Blazer mit blinkenden Messingknöpfen und eine rauchblaue Hose mit scharfen Bügelfalten. Er öffnete die Stahlfesseln und half Schalow wortlos beim Aussteigen. Ebenso stumm deutete er auf die Stufen, die zur Veranda hinaufführten. Dabei hielt er Schalows Oberarm mit hartem Griff umklammert.

Er öffnete die Haustür, die nicht abgeschlossen war. Offenbar wurde kein ungebetener Besuch erwartet, doch als sie den engen Windfang betraten, verriegelte Petrovic die Haustür.

Dann erst öffnete er eine andere.

Schalow schloss einen Moment geblendet die Augen. Als er sie wieder aufschlug, sah er einen sehr großen rustikal eingerichteten Raum. Felle bedeckten die groben Holzbalkenwände. An Haken hingen historische Waffen, eine Armbrust, ein Schwert, gekreuzte Säbel, ein Morgenstern. Das offene Gebälk des Dachstuhls wirkte urwüchsig. Im gemauerten Kamin prasselte ein Feuer.

Sein flackernder Schein zuckte über die Gestalt des Mannes, der hinter einem derben Buchentisch saß. Schalow starrte ihn an.

Dieser Mann sah nicht so aus wie jemand, der im Hinterzimmer einer Bar zweifelhafte Unternehmungen ausheckte.

Der Mann sah so aus, als ob er nur in einer Umgebung wie dieser leben könnte. Er hatte weißes Haar von nicht zu bändigender Fülle. In dem lederfarbenen rissigen Gesicht hatte das Leben tiefe Spuren hinterlassen. Der Mund war schmal und verkniffen, die Augen dunkel und kalt zugleich. Ruhig tasteten sie Schalows Gestalt ab.

Schalow blieb stehen. In einer Ecke des Raumes stand ein Telefon auf einem Sims an der Wand. Tanja hatte ihm also etwas vorgelogen, als sie behauptete, es gebe kein Telefon in der Jagdhütte. Und sie hatte so harmlos getan, als sie ihm den Weg zur Hütte beschrieb. Dieses Luder. Wahrscheinlich hatte Petrovic die ganze Zeit am Hansaring gewartet. Heikaus hatte gewusst, dass er, Schalow, aufkreuzen würde.

Schalow spürte Petrovics Anwesenheit in seinem Rücken, aber der Mann kümmerte ihn nicht. Jetzt nicht.

»Sie sind also Heikaus«, sagte er rau.

Der Weißhaarige nickte knapp. Seine nervigen Hände, braun, mit dicken blauen Adern darauf, lagen ruhig auf der Tischplatte. Daneben stand ein schwarzer Aktenkoffer, dessen Deckel aufgeklappt war. Gerds Koffer.

Heikaus bewegte die Hände. Er hob ein dünnes Bündel Papier auf, schlug es spielerisch hin und her. Schalow hatte noch nie einen Tausendmarkschein gesehen, doch er wusste, dass Heikaus welche in der Hand hielt.

»Das sind hundert Tausender«, sagte er. Er warf sie in den Koffer und drückte den Deckel mit dem Handrücken herab.

»Warum?«, schrie Schalow. »Warum haben Sie mir das Ding angehängt?«

Heikaus gab Petrovic einen Wink. Der elegant gekleidete Mann ging um Schalow herum. Schalow sah erst jetzt, dass Petrovic Handschuhe trug. Der Killer nahm den Koffer.

»In den VW! Nimm Herrn Schalow gleich wieder mit. Und dann ein Unfall. Beeil dich, ich brauche dich nachher noch.«

Schalow ballte die Fäuste. Sie wollten ihn endgültig und Gerd nachträglich zu Komplizen und Terroristen stempeln.

»WARUM?«, brüllt er.

»Niemand nimmt mir etwas weg«, antwortete Heikaus leise. »Nicht einmal eine Frau, die mir nicht gehört.«

»Deshalb? Weil Monika und ich ...«

Heikaus nickte. »Ich gebe zu, Ihr BMW gefiel Ilja. Sie hatten den Wagen ausgezeichnet in Schuss, besser als es eine Werkstatt vermocht hätte.«

Schalow hatte es schon geahnt. »Aber warum mussten Sie sie töten? Gerd Wissmeyer? Und Monika?«, fragte er hilflos.

»Monika?« Heikaus Kopf ruckte in die Höhe, die dunklen Augen trafen Petrovics Gesicht. »Hat man sie doch gefunden? Es war ein Fehler, diesen Wissmeyer in dieselbe Grube zu befördern. Ich habe es gleich gewusst.«

»Er hatte eine Menge Kiesgruben angefahren«, verteidigte sich der Killer. »Aber bei keiner war die Abfahrt so steil.« Da waren also die fehlenden Stunden geblieben. Gerd hatte Kiesgruben gesucht. »Die Grube bot sich an, weil er ohnehin hineinfuhr, Hans Josef. Ich brauchte ihm nur einen Schlag gegen die Halsschlagader zu versetzen und ihn rollen zu lassen.«

Schalow stieß einen keuchenden Laut aus, als er sich auf den Mörder stürzte.

Er traf ihn mit dem ersten Hieb am Hals. Petrovic stieß einen gurgelnden Laut aus. Er ließ die Tasche fallen, seine Hand fuhr in die Jacke.

Schalow schlug erneut zu. Seine Faust wühlte sich tief in den Leib des Mörders. Petrovic taumelte, sein Unterkiefer klappte herab, das Gesicht wurde fahl.

»Stopp!«, zischte Heikaus. Er war aufgesprungen. Aus den Augenwinkeln sah Schalow die Zwillingsläufe einer Doppelflinte herausschwenken. Die daumendicken Mündungen wiesen auf seinen Kopf.

Schwer atmend ließ er von Petrovic ab. Der Verbrecher zerrte die Pistole aus seiner Jacke.

»Steck das Ding wieder ein!«, befahl Heikaus scharf. »Wenn du aufpasst, brauchst du die Knarre nicht! Wenn er irgendwo ein Loch hat, ist unsere ganze Geschichte im Eimer!« Heikaus stellte die Flinte wieder an ihren Platz, wo Schalow sie nicht sehen konnte.

»Warum, Heikaus! Sagen Sie mir doch, warum? Warum haben Sie meinen Freund getötet?«

»Er war dahintergekommen, dass mir eine Kiesgrube gehört. Das heißt, sie gehörte meinem Vater. Als er starb, war mit der Grube schon kein Geld mehr zu machen. Na ja ... Ihr Freund hatte auch herausgefunden, dass Monika nie meine Frau gewesen ist, wie sie Ihnen weisgemacht hat. Vermutlich hat sie es Ihnen deshalb erzählt, weil sie Komplikationen vermeiden wollte. Sie mochte Sie, war aber blödsinnigerweise der Ansicht, keine Frau für Sie zu sein. Sie war ein Barmädchen ... eine Nutte.«

Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er fort:

»Sie bekam den Moralischen, als Sie in den Knast gingen. Zuerst schien es ja noch so, als würde sie damit fertig. Ein schöner Pelz, ein neuer Wagen hilft einer Frau über manches hinweg. Aber sie dachte nur noch an Sie. Ich wollte ihr eine Boutique in Frankfurt kaufen, ich war wieder flüssig, wissen Sie? Aber sie lehnte ab. Wurde störrisch. Eines Tages hätte sie durchgedreht.« Heikaus lächelte zynisch. »Sie hat Sie geliebt, Schalow. Sie können daran denken, wenn Sie mit Ihrem Trümmerhaufen von Wagen die Kallbergtalbrücke runterfliegen. Ilja, los jetzt. Ich will nach Köln zurück. Tanja ist nicht gern allein.« Das zynische Grinsen blieb wie eingefroren in dem verwitterten Gesicht hängen. »Gehen Sie jetzt, Schalow. Es ist alles gesagt.«

Ja, es war alles gesagt. Er durfte den Kreis wieder verlassen. Als Toter. Bei ihm würde man Gerds Aktentasche mit einhunderttausend Mark aus der Leverkusener Beute finden.

Die Stimme der Rache: 4 besondere Krimis

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