Читать книгу Die Stimme der Rache: 4 besondere Krimis - Alfred Bekker - Страница 31

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Petrovic öffnete die Tür zur Diele. Ausdruckslos sah er Schalow an.

Schalow rührte sich nicht. Was würde geschehen, wenn er sich weigerte zu gehen? Wenn sie ihn töten wollten, sollten sie es hier tun. Vielleicht mit der Schrotflinte. Sollten sie doch sehen, wie sie die Schweinerei wieder wegbekamen und wie sie seinen Tod erklärten.

»Sollten Sie auf dumme Gedanken kommen, Herr Schalow«, sagte Heikaus, »können wir uns auch noch an der Freundin Ihres Freundes schadlos halten.«

Beate!

Natürlich wusste Heikaus von Beate. Ein Gangster wie er informierte sich.

Schalow wirbelte herum.

Das Töten würde nie enden.

Heikaus war zu weit weg hinter seinem Tisch. Petrovic rammte den harten, kantigen Koffer in Schalows Seite. Der stechende Schmerz in der Nierengegend nahm ihm den Atem. Petrovic stieß ihn vor sich her durch den Windfang. Er entriegelte die Vordertür und schob sein Opfer über die Veranda.

Er stolperte über die hölzernen Stufen, folgte seinem eigenen Schatten.

Die beiden Wagen standen vor der Veranda, unmittelbar neben der Treppe. Vorn der Opel, dahinter der Käfer. Das Licht der einzelnen Lampe an der Hausecke versickerte irgendwo.

Irgendwo musste der Blonde stecken.

Petrovic rief seinen Namen. Mit unterdrückter Stimme, als befürchtete er, jemanden zu wecken.

»He, Harry! Harry, wo steckst du?«

Schalow hielt sich am Geländer fest. Das Atmen fiel ihm immer noch schwer. Petrovic bückte sich, um in den VW hineinspähen zu können.

Dann zog er scharf die Luft ein.

Schalow sah den Kopf jetzt ebenfalls, der auf dem Lenkrad lag. Das blonde Haar bewegte sich im Wind, der durch das geöffnete Seitenfenster strich.

Petrovic wollte schon wieder die Pistole herauszerren, denn ihm musste klar sein, dass Harry nicht schlief.

Doch dann erstarrte er. Schalow hörte es auch. Er verstand genug von Waffen, um das scharfe metallische Schnappen richtig zu deuten.

Ein paar Schritte abseits, hinter einem Strauch, außerhalb des Lichtkreises der Lampe, hatte jemand eine Pistole durchgeladen.

*


»Ich kann euch fabelhaft sehen«, schnarrte eine Stimme. Laub raschelte, als eine kurze Gestalt aus dem Gebüsch hervorbrach. Dick, glänzendes Gesicht, kurze Beine, kugelrunder Bauch unter hellem Jackett. Die Augen hart wie Stein.

»Hartmann ...«, hauchte Schalow.

Der kleine Mund verlor etwas von seiner Verkniffenheit.

»Warum sind Sie nicht irgendwo auf einem Polizeirevier?«, fauchte der Mann vom Verfassungsschutz.

»Wie kommen Sie hierher?«, fragte Schalow, obwohl jetzt kaum die richtige Zeit war, um Erklärungen anzuhören. Im Haus hielt sich ein Verbrecher auf, der jeden Moment misstrauisch werden konnte.

Hartmann machte eine wegwerfende Handbewegung, und während er Petrovic grob herumdrehte und ihn gegen die Seite des Opel stieß, um ihn nach Waffen abzutasten, sagte er: »Ich bin den Spuren Ihres Freundes gefolgt. Ich wollte endlich die Wahrheit wissen. Sie haben mich neugierig gemacht, ja. Beim Einwohnermeldeamt hat er nach dem Wohnsitz einer Monika Heikaus gefragt. Natürlich gab es da keine Unterlage, wie Sie inzwischen vielleicht auch schon wissen. Bei der AOK hat er versucht, die Beschäftigungslisten aller Heikaus-Betriebe einzusehen. Er scheint Erfolg gehabt zu haben. Weiß der Teufel, womit er die Mädchen dort beeindruckt hat, wo doch selbst ich Schwierigkeiten hatte. Er ist dort auf eine gewisse Monika Sieger gestoßen, die bis vor zweieinhalb Jahren als Angestellte einer Bar geführt wurde, die Heikaus gehörte. Sie muss spurlos verschwunden sein, denn es gingen keine neuen Zahlungen für die Landesversicherungsanstalt mehr ein, und die Unterlagen wurden auch nie von einem neuen Arbeitgeber abgerufen. Ja, da habe ich dann die gute Tanja hochgenommen. Ich wollte sie eine Weile aus dem Verkehr haben. Es war nicht ganz legal, das gebe ich zu, vor allem, weil ich da zu ahnen begann, dass sie nicht mehr mein Baby sind, Herr Schalow. He, steh still, du Miststück!«

Er knuffte Petrovic hart in die Seite. »Ja, ich dachte, ich bin Ihnen was schuldig. Aber ich fürchtete auch, die Polizei könnte nicht schnell genug sein, denn gerade, als ich bei Tanja in der Heikaus-Wohnung war, haben Sie meine Dienststelle angerufen. Die Wagennummer, die Sie durchgegeben haben, bedeutete Alarm. Der Wagen ist nämlich auf diesen Ganoven zugelassen. Auf den Profikiller Ilja Petrovic, über den auch wir ein Dossier führen. Wir wissen, dass er für den Mord an zwei jugoslawischen Exilpolitikern verantwortlich ist. Leider fehlen die Beweise.«

Der Blonde bewegte sich und stöhnte. Aus dem Schatten hinter dem Käfer trat eine Gestalt. Schalow erkannte sie an den großen Ohren. Mario tippte Harry ein wenig an, und der blonde Gangster schlief weiter. Hartmann bedeutete Mario, näher zu kommen.

»Pass auf ihn auf«, sagte er. »Ich habe da drinnen noch etwas zu erledigen.«

In diesem Moment stieß Petrovic einen lauten Warnschrei aus. Mario packte zu. Der Schrei erstarb unter seiner Hand.

Schalow sprang auf die Veranda. Mit zwei lautlosen Sätzen war er an der Tür. Petrovic hatte sie nicht abgeschlossen. Schalow warf sich gegen die Tür zum großen Hauptraum. Der kleine Dicke keuchte noch auf der Veranda.

Heikaus war ahnungslos. Er sprang aus einem bequemen Lehnstuhl auf. Ein in Leder gebundenes Buch mit Jagdmotiven und -geschichten fiel auf den Boden.

Heikaus starrte Schalow an wie eine Erscheinung.

Aber er überwand seine Überraschung sehr schnell.

Mit einem Satz war er hinter dem schweren Buchentisch, wo die Schrotflinte stand. Schalow sprang auf den Tisch. Er rutschte über die glatte Fläche und schleuderte seine angezogenen Beine herum. Dann streckte er sie. Er traf Heikaus mit beiden Füßen in den Bauch.

Der Verbrecher prallte zurück. Er flog gegen die Wand, wobei er die Arme ausbreitete, als ob er sich festhalten wollte. Die Finger seiner rechten Hand tasteten nach dem Griff des Morgensterns, packten zu. Die eiserne Kugel an der kurzen Kette flog durch die Luft.

Schalow ließ sich vom Tisch fallen. Die scharfen Zacken gruben sich in die Tischplatte.

Hartmann schrie etwas. Er stand in der Tür. Heikaus holte zu einem neuen Schlag aus. Hartmann feuerte einen Warnschuss ab. Die Kugel stanzte ein Loch in ein schönes Dachsfell. Doch Heikaus schien den Schuss nicht gehört zu haben.

Schalow wälzte sich unter dem nächsten Hieb weg. Seine Finger langten nach dem Gewehr, berührten es etwas zu hastig, bekamen es nicht mehr zu fassen. Es kippte. Die Kugel mit den eisernen Zacken schrammte an der Wand entlang. Schalow lag auf dem Rücken wie ein Käfer. Seine Finger schlossen sich um die Zwillingsläufe. Er schwang die Waffe wie eine Keule. Der Kolben krachte in Heikaus' Rippen. Die eiserne Kugel flog wie ein Geschoss durch den Raum und zerschmetterte die Seitenwand einer Vitrine. Die Wucht des Keulenschlages riss Heikaus von den Füßen.

Im nächsten Moment war Hartmann über ihm und legte ihm Handschellen an.

»Ich dachte schon, Sie wollten ihn abknallen«, sagte er keuchend zu Schalow.

»Das dachte ich auch«, Schalow versuchte, sich aufzurichten. Er fühlte sich schlapp. Hartmann reichte ihm die Hand. Schalow nahm sie, und Hartmann zog ihn in die Höhe.

Hartmann lachte. »Sie sind schon ein raffinierter Hund, Herr Schalow! Wenn Sie einen Job suchen, sprechen Sie doch mal bei uns vor.«

Schalow stierte den Mann an, der ihm das Leben gerettet hatte. Der kleine Dicke konnte dem Blick nicht standhalten. Umständlich verstaute er die Pistole in dem Holster an seinem Gürtel.

»Was starren Sie mich denn so an? Ich habe damals nicht gegen Sie ermittelt!«

Nein, das hatten andere getan. Aber der Gedanke hatte nichts Versöhnliches. Er und Männer wie Hartmann konnten nie Freunde werden.

*


Hartmann ging nach draußen. Seinen Wagen - heute war es wieder der Granada - hatte er unten an der Straße stehen gelassen. Er wollte über sein Autotelefon Oberkommissar Retzmann informieren und sich bereit erklären, die Festgenommenen bis zum Eintreffen der Gefangenentransportwagen zu bewachen.

Schalow benutzte unterdessen das Telefon in der Hütte. Zuerst rief er Fred Parnitzki an.

»Mann, Enno!«, brüllte Parnitzki unbeherrscht und so laut, dass Schalow den Hörer ein Stück von seinem Ohr entfernt halten musste. »Enno, wenn dieser Kucharz jemals wieder hier rauskommt, bin ich ein toter Mann! Enno, du, soll ich ihn nicht lieber ...«

»Nein, nein«, sagte Schalow hastig. »Es ist alles in Ordnung! Halt ihn fest, bis jemand von der Kripo kommt. Heikaus ist eben verhaftet worden. Der kommt nie wieder aus dem Knast raus, das steht schon mal fest.«

»Mann, Enno, da fällt mir aber ein Stein von der Brust! Aber ich kann's kaum glauben. Verhaftet? Warum denn?«

»Weil er das Ding in Leverkusen gedreht hat ...«

»Enno! Das warst du gar nicht? Ich habe immer geglaubt ...«

»Ja, ja, Fred. Es ist gut. Ich danke dir für alles.« Schalow drückte die Gabel, ließ sie sofort wieder los und wählte Gerds Nummer.

Beate hob sofort ab. Sie schluchzte erleichtert auf, als sie seine Stimme hörte.

»Enno, oh, Enno! Wo bist du?«

»Bei Mechernich. Ich komme jetzt zu dir.«

»Ja, ja ... Hast du ... ich meine, was ist mit Monika?«

»Sie ist tot, Beate. Schon seit zweieinhalb Jahren.«

»Es tut mir so leid, Enno«, sagte sie traurig.

»Es ist alles vorbei, Beate. Ich bin frei. Ganz frei.«

Langsam legte er auf und drehte sich um. Hartmann stand in der Tür. Schalow ging an ihm vorbei nach draußen.

Mario hatte den immer noch bewusstlosen Harry aus dem Käfer gezogen und ihn gefesselt in den Opel verfrachtet, wo auch Petrovic und Heikaus saßen. Der Mörder sah an Schalow vorbei.

Schalow setzte sich in den Käfer. Er startete und fuhr durch den Waldweg zurück zur Straße.

Du musst noch tanken, dachte er.

––––––––


ENDE

Die Stimme der Rache: 4 besondere Krimis

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