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Kapitel 23: Vermächtnis

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Gorian und seine Gefährten konnten den Palast-Turm unbehelligt verlassen und zur Gesandtschaft des Ordens zurückkehren.

Eine dreitägige Staatstrauer wurde angeordnet, innerhalb der niemand die Stadt verlassen oder betreten durfte, und nach diesen drei Tagen ein neuer König ausgerufen, an dessen Inthronisierung Meister Yvaan teilnahm.

Gorian aber wurde über einen Schlangenmenschen-Boten ein Amulett aus Elfenbein übergeben, das eine erstaunlich naturgetreue Relief-Abbildung jenes Basilisken zeigte, der das Schwert in Matos’ Hand gelegt und offenbar die Gunst der Stunde zu einem lange vorbereiteten Umsturz genutzt hatte. Sein unaussprechlicher Name war in basiliskischen Schriftzeichen als der des neuen Königs angegeben, wie Meister Yvaan bestätigte, der die Schrift dieses Reiches fließend zu lesen vermochte. „Dieses Amulett ist die höchste Auszeichnung, mit der ein Basilisken-König einen Nicht-Basilisken ehren kann“, erklärte er. „Und dazu die erste, die dieser König überreichen lässt.“

Dem Amulett war noch ein Dokument beigefügt, das Gorian und alle, die mit ihm gekommen waren, dazu aufforderte, innerhalb von drei Tagen Basaleia zu verlassen.

„Der neue König will offenbar nicht, dass ich herumerzähle, was wirklich im Thronsaal geschah“, schloss Gorian , der den anderen natürlich über die wahren Geschehnisse im Thronsaal unterrichtet hatte.

. „Aber das trifft sich gut. Ich muss ohnehin zum Speerstein nach Orxanor, und das so schnell wie möglich.“

„Ich hoffe nicht, dass du wirklich ernst meinst, was du da sagst!“, rief Thondaril.

„Warum nicht? Engagieren wir Centros Bal, damit er uns dorthin fliegt. Morygor hat die Schwerter meines Vaters in den Speerstein gesteckt, und ich werde sie mir holen!“

„Es war Morygors Plan, dich am Speerstein zu töten“, war Thondaril überzeugt. „Du bist soeben seinen Klauen entronnen und willst geradewegs zu der Hinrichtungsstätte eilen, die er für dich vorgesehen hat?“

„Es geht um die Schwerter!“

„Wer sagt, dass sie wirklich dort sind und dass alles nicht eine Illusion war!“

„Nein, das glaube ich nicht“, widersprach Gorian. „Ihr vergesst, dass ich auch eine Ausbildung im Magiehaus begonnen habe, sodass man mich mit solchen Dingen nicht mehr so leicht täuschen kann.“

„Zumeist täuschen wir uns am wirkungsvollsten selbst“, gab Thondaril zurück. „Du wünschst dir, die Schwerter zurückzugewinnen und Morygor im Kampf gegenüberzutreten. Aber die Aussicht auf Ersteres ist nur ein Köder, um dich anzulocken, und Letzteres wird dir Morygor nur dann ermöglichen, wenn er der Überzeugung ist, diesen Kampf mit absoluter Sicherheit zu gewinnen. Vermutlich jedoch wird er auch dann nur eines seiner zahllosen Dienerwesen entsenden.“

„Sollen wir denn warten, bis Morygor unbesiegbar geworden ist und der Schattenbringer die Sonne vollkommen verdunkelt hat? Sollen wir warten, bis das Schicksal von allein Morygors überdrüssig wird?“

„Also an dem Mut, zum Speerstein aufzubrechen, mangelt es keinem von uns“, erklärte Torbas und wandte sich an Gorian. „Ich werde dich begleiten und gern das zweite Schwert führen, so wie du es mir einst angeboten hast.“

„Das freut mich.“

„Wir sollten Gorians Instinkten vertrauen“, mischte sich auch Sheera ein. „Ist er nicht derjenige, der im Licht des fallenden Sterns geboren wurde?“ Torbas zog die Augenbrauen leicht empor, als sie dies sagte. Traf das nicht auch auf ihn zu? Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit verkniff er sich eine entsprechende Bemerkung, aber seinem Gesicht war deutlich anzusehen, dass ihm Sheeras Worte missfielen.

„Der Speerstein war früher eine Kultstätte der Orxanier“, berichtete Yvaan. „Von überall her pilgerten die Clans nach Orxanor, um dort den Frostgöttern zu opfern, bis eben diese nach der ersten Schlacht am Weltentor in eine jenseitige Schattenwelt vertrieben wurden, aus der Morygor sie dann wieder zurückkehren ließ.“

„Was wurde dort geopfert?“, fragte Gorian.

„Ich weiß nur, was in den alten Chroniken steht“, erklärte Meister Yvaan. „Chroniken, von denen viele nach dem Untergang der Ordensburg wohl für immer verloren sind, sofern es keine Kopien in anderen Ordensniederlassungen gibt. Natürlich wurde den Frostgöttern Blut geopfert, aber noch mehr dürstete es sie nach etwas anderem ...“

„Was?“, hakte Gorian nach.

„Sternenmetall. Wann immer ein Sternenstück vom Himmel fiel, haben die Orxanier jener Zeit das darin enthaltene Metall aufgeschmolzen, um das noch glühende flüssige Erz gegen den Stein zu schütten.“

„Deshalb sind also die Schwerter dort“, vermutete Gorian. „Um sie unschädlich zu machen. Morygor scheint sie ebenso zu fürchten wie mich.“

„Das ist gut möglich“, stimmte Yvaan zu. „Aber er fürchtet diese Waffen wiederum auch nicht so sehr, dass er nicht bereit wäre, sie bei einem Spiel als Einsatz zu riskieren.“

„Bei einem Spiel, das so abgekartet ist wie die Kunststücke der Hütchenzauberer auf dem Jahrmarkt von Segantia!“, fuhr Thondaril dazwischen. „In Wahrheit riskiert Morygor gar nichts! Denn wenn du getötet wirst, Gorian, ist seine Schicksalslinie gesichert. Er wird dort irgendeine Mörderkreatur auf dich warten lassen. Vielleicht einen der anderen ihm zu Dienst verpflichteten Frostgötter oder sogar mehrere. Vermutlich hat er diese Kreatur nach astrologischen Gesichtspunkten ausgesucht, um den größtmöglichen Gewinn aus dem Ausgang des Kampfes zu ziehen. Er geht kein Risiko ein, Gorian, dazu kenne ich ihn zu gut. Die Gefahr läge ausschließlich auf deiner Seite.“

„Dann sei es so“, entgegnete Gorian entschlossen. „Ich weiß, dass ich Morygor nichts voraus habe und er im Gegenteil nahezu alle Trümpfe in der Hand hält. Aber vielleicht ist das einer der wenigen Unterschiede, die auf meiner Seite zu Buche schlagen: dass ich nämlich das Risiko nicht scheue und bereit bin, alles einzusetzen, während er sich in seiner Frostfeste verkriecht und nur seine Handlanger aussendet.“

„Dieser Unterschied wird nicht zu deinem Sieg, sondern zu deinem Verderben führen“, war Thondaril überzeugt.

„Aber könntet Ihr wirklich mit dem Gedanken leben, die letzte Möglichkeit vertan zu haben, Morygor noch zu stoppen oder wenigstens jene Waffen zurückzuerlangen, mit deren Hilfe dies noch gelingen könnte?“, fragte Gorian. „Vielleicht schaffen wir es mithilfe dieser Schwerter sogar, eine Magie zu finden, die mächtig genug ist, den Schattenbringer von der Sonne zu vertreiben. Schließlich ist das Metall dieser Schwerter einmal Bestandteil des Schattenbringers gewesen. Heißt es nicht in den Axiomen des Ordens, dass ein Stück des Übels das große Übel zu bekämpfen vermag?“

Es war eines der Axiome, die dem Ersten Meister zugeschrieben wurden, und zu diesem gab es in der Literatur des Magiehauses ganze Folianten mit Kommentaren und Auslegungen sowie praktische magische Beispiele, welche die Wahrheit des Axioms belegen sollten. Gorian hatte nur einen Bruchteil davon in seiner bisherigen Ausbildung kennenlernen können, aber er durfte davon ausgehen, dass sowohl Thondaril als auch Yvaan sehr genau wussten, wovon er sprach.

„Vielleicht, wenn man es mit der verbotenen Sternenmagie der Caladran kombiniert“, murmelte Thondaril nachdenklich. „Dann würde man dieselben Methoden anwenden wie Morygor. Denn auch er bediente sich solcher Praktiken, die unter den Caladran verpönt sind. Aber mal davon abgesehen wissen wir zu wenig über Caladran-Magie, um sie anwenden zu können.“

„Vielleicht kann Morygors Schicksalslinie ja auch schon am Speerstein beendet werden“, wagte Gorian zu hoffen. „Es könnte doch sein, dass seine Berechnungen ihm vorschreiben, mir höchstpersönlich an diesem Ort entgegenzutreten.“

„Er wird erst erscheinen, wenn du besiegt am Boden liegst.“

„Das Risiko nehme ich auf mich.“

Thondaril schwieg einen Moment, bevor er sagte: „Du bist wirklich dazu bereit?“

„Ja.“

„Es wird sehr hart werden, Gorian. Härter, als du dir vorzustellen vermagst.“

„Ich habe Gefährten, die mir helfen.“

„Aber eine Sache hat niemand hier bisher bedacht.“

„Welche?“

„Das Frostreich hat sich ausgeweitet, Gorian. Und der Speerstein von Orxanor liegt längst im inneren Bereich. Die Aura dort bricht den Willen von jedermann. Es ist jene Aura, mit der Morygor sein gesamtes Reich erfüllt und die sich wie ein übler Geruch überall dorthin ausbreitet, wohin sich auch sein Reich ausdehnt.“

Gorian nickte. Sein Vater hatte ihm von diesem Phänomen erzählt. Sowohl Nhorich als auch Gorians Großvater Erian waren einst tief in das Reich der Kälte vorgedrungen, auch wenn es damals noch geringere Ausmaße gehabt hatte und die Grenzen anders verlaufen waren.

„Jeder, der sich ins Frostreich wagt, verändert sich“, führte Thondaril weiter aus. „Es braucht einen übermenschlichen Willen, um diesem Einfluss nicht zu erliegen. Eine Kraft, die bisher nicht einmal die Stärksten im Orden aufgebracht haben – abgesehen von Meister Domrich, aber der hat auf andere Weise dafür bezahlt.“

„Erzählt es ihm ruhig“, forderte Meister Yvaan. „Ich nehme nicht an, dass Meister Nhorich über einen bestimmten Aspekt jenes Vorstoßes mit seinem Sohn gesprochen hat, den wir drei damals als Einzige überlebt haben.“

Gorian horchte auf. „Hat es etwas damit zu tun, dass Ihr meinem Vater gegenüber verpflichtet seid, wie Ihr gesagt habt?“

Thondaril nickte. „Jeder, der zu lange in Morygors Aura zubringt, verändert sich von ganz allein. Man muss nicht unbedingt erst von seinen Schergen erschlagen und zerstückelt werden, um zu einem Untoten zu werden. Es reicht schon, zu tief in diese Aura zu geraten, die sich mit seinem Herrschaftsbereich ausdehnt. Man verwandelt sich. Manche langsam, manche sehr rasch, und manche verfallen auch dem Wahnsinn und wenden sich gegen die eigenen Gefährten. Wir waren zu tief ins Reich der Kälte vorgedrungen, Gorian, weil wir glaubten, einen entscheidenden Sieg erringen zu können. Wir waren Honyrr gefolgt, einem der Frostgötter, der seine Gestalt verändern kann. Uns war er als Wolf erschienen, und er war schwer verwundet, sodass wir glaubten, ihn erlegen und damit Morygors Streitmacht entscheidend schwächen zu können. Aber meine Kraft reichte nicht, Gorian. Sie reichte vielleicht, um einen verwundeten Frostgott zu töten, aber nicht, um Morygors Aura zu widerstehen. Ich spürte die Verwandlung, spürte, wie die Kälte jeden Winkel meiner Seele erfasste und ich allmählich innerlich starb, ohne überhaupt einen Gegner gesehen zu haben, geschweige denn ihm gegenüberzustehen.“ Thondaril sprach nicht weiter. Es schien ihm einfach zu schwer zu fallen. Und er wich Gorians Blick aus.

„Erzählt auch den Rest, Thondaril“, forderte Yvaan. „Zur eigenen Schwäche zu stehen ist die wahre Stärke.“

„Ein Axiom ...“, murmelte Thondaril.

„Der Erste Meister hat uns ein Beispiel darin gegeben. Gorian muss alles wissen. Ich glaube kaum, dass Euch Euer Schüler deswegen weniger achten wird.“

Thondaril sah auf, blickte Gorian direkt an und sagte: „Dein Vater musste mich bewusstlos schlagen, um zu verhindern, dass ich ein Geschöpf Morygors wurde. Ich spürte die Veränderung zwar, aber ich wollte es nicht wahrhaben und nicht umkehren. Wenn ich gesagt habe, dass er mir das Leben gerettet hat, dann ist das noch viel zu wenig.“

Es herrschte einige Augenblicke lang Schweigen.

Schließlich meldete sich Sheera zu Wort. „Eure Erfahrung könnte für uns alle wertvoll sein, wenn wir zum Speerstein aufbrechen“, meinte sie. „Denn zweifellos ist niemand besser dazu geeignet, uns zu sagen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Sache aufzugeben, als Ihr.“

Thondaril lächelte. „Und zweifellos wird derjenige, der am wenigsten darauf hört, Gorian sein. Aber vielleicht habt ihr alle recht und wir sollten es wagen.“

„Vorausgesetzt, jemand überredet Centros Bal, uns zumindest so weit ins Frostreich zu fliegen, dass wir nicht monatelang bis zum Speerstein unterwegs sind“, gab Gorian zu bedenken.

„Das wird nicht allzu schwer werden“, glaubte Thondaril. „Er kann keine Bernsteinflüge mehr zu den Mittlinger Inseln unternehmen und wird daher das Silber des Ordens für eine solche Passage gerne annehmen ...“

Als Thondaril den Raum verlassen hatte, um Centros Bal aufzusuchen, wandte sich Torbas an Gorian. „Hättest du gedacht, dass sich Meister Thondaril mal als Zauderer und Bedenkenträger zeigen würde? Ausgerechnet er, der beim Anblick heranpreschender orxanischer Wollnashornreiter so was sagt wie: Tritt zur Seite, Bürschchen, damit du nichts abbekommst! Ich brauche deine Hilfe nicht!“

„Daran solltest du ermessen, welches Grauen euch bevorsteht, Schüler“, sagte Meister Yvaan, noch bevor Gorian eine Antwort geben konnte.



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