Читать книгу Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten - Alfred Bekker - Страница 43

Kapitel 17: Prüfungen

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Für Gorian wurde ein spezieller Ausbildungsplan erstellt, der es ihm erlaubte, dem Unterricht in allen fünf Häusern beizuwohnen. Darauf, dass seine Fortschritte in der jeweiligen Hausmagie unterschiedlich groß sein würden, hatte man Gorian mehrfach hingewiesen. Thondaril ließ es sich jedoch nicht nehmen, es ihm noch einmal in einem längeren Gespräch deutlich zu machen. „Nicht alles kann man gleich schnell erreichen, aber ich denke, du wirst selbst erkennen, wo du zunächst Schwerpunkte setzen musst und welche Ziele noch Zeit brauchen. Und über die wichtige Rolle, die der Faktor Zeit bei der Entfaltung eines magischen Talents spielt – mag es auch noch so erstaunlich groß sein –, haben wir ja schon gesprochen. Es wird daher Geduld und sehr große Disziplin deinerseits bedürfen, vor allem einer Disziplin des Geistes ...“

Gorian verbrachte die Tage vorwiegend mit den Übungen, die ihm von den Lehrmeistern der jeweiligen Häuser aufgetragen wurden. Dazu kam der Unterricht in alt-nemorischer Sprache, die er zwar schon recht gut beherrschte, aber deren Kenntnisse trotzdem noch erheblich erweitert und vertieft werden mussten. So erkannte er während des Unterrichts bei dem uralten Meister Kenniak vom Haus der Seher, der den Schülern die Sprache der Magie beibrachte, dass jedes alt-nemorische Wort neben der vordergründigen Bedeutung mindestens noch zwei oder drei weitere hatte, die erst aus dem Zusammenhang heraus erschlossen werden konnten und geeignet waren, den Geist in die Ebene der Magie zu entführen. Manche der Axiome, die Gorian schon hundert Mal gelesen hatte, erhielten auf diese Weise eine völlig neue Aussage.

Heilerin Hebestis persönlich überwachte Gorians Ausbildung im Haus der Heiler. „Großes Talent schützt nicht vor großer Dummheit“, mahnte sie ihn, und ihr faltiges Gesicht erinnerte Gorian in diesem Augenblick an die schuppenartige Haut der Wald-Warane, die in Thisilien jeden Herbst an die Küste kamen, um dort bei Ebbe die Krebse aus dem Schlick zu picken. „Die Konstellation deiner Geburt und all deine Kraft werden dir nicht helfen, wenn du letztere nicht auch zu nutzen verstehst.“

„Dann lehrt mich, wie man sich selbst heilt!“, bat Gorian.

„Ein Lähmzauber für deine Zunge würde dich auf jeden Fall davor bewahren, vorlaute Forderungen zu stellen!“, erwiderte Hebestis. „Dazu bedürfte es noch nicht einmal der speziellen Magie der Heiler, und doch würdest du von deinem schlimmsten Leiden erlöst.“

Den Unterricht im Haus der Schatten führte Hochmeister Aberian selbst. Gorian wurde recht schnell klar, dass hier wohl die Fortschritte am allerlängsten auf sich warten ließen. Zunächst bestand der Unterricht vor allem in der Durchführung von geistigen Übungen und im Studium von Schriften, deren Kenntnis nach Aberians Worten zur Schattenpfadgängerei notwendig war.

Meister Rhaawaan, der ihn im Haus der Seher unterwies, schien Gorian gegenüber im Gegensatz zu seinen anderen Lehrern zunächst sehr skeptisch eingestellt. Vielleicht empfand er es sogar als eine Art persönlichen Affront, dass Gorian sich nicht ausschließlich für jenes der fünf Häuser entschieden hatte, dessen Vertreter der korpulente Hüne war. Was konnte es schon Faszinierenderes geben, als den Geist zu befreien und sich den vielfach verzweigenden Möglichkeiten zu überlassen, die das Polyversum bereithielt, Wahrscheinlichkeiten zu erkennen und Handlungen anderer abzuschätzen, und das über einen möglichst langen Zeitraum hinweg.

„Könnt Ihr sehen, ob ich Morygors Schicksalslinie kreuze?“, fragte Gorian ihn irgendwann einmal. „Ihr seid doch in der Kunst der Seher bewandert wie kaum ein Zweiter.“

„Es ist Morygor, der in irgendeiner Weise die Schicksalslinie eines jeden von uns kreuzt“, erwiderte Rhaawaan ausweichend. „Aber um das zu erkennen, muss man nicht die Möglichkeiten des Polyversums betrachten können. Dazu reicht es, zum Schattenbringer aufzusehen, der unser aller Schicksal prägen wird.“

„Ich meinte das nicht auf eine so allgemeine Art“, erwiderte Gorian.

„Nein, ich kann nichts dergleichen sehen“, gab Rhaawaan schließlich zu, und er wirkte etwas unwillig dabei, dass er eingestehen musste, dass seine Sicht der Zukunft und ihrer Möglichkeiten und Verstrickungen wohl trotz aller Magie nicht weit genug reichte, um dies einwandfrei erkennen oder ausschließen zu können.

„Aber wie kommt es, dass Morygor dies offenbar vermag? Wieso kann er so viel weiter sehen, als es den Sehermeistern möglich ist?“

„Dafür gibt es viele Gründe.“

„Thondaril meint, dass es an der Art der Magie läge und dass Morygor Methoden anwende, die ...“

„Thondaril ist kein Seher!“, unterbrach ihn Rhaawaan. „Und anstatt uns Gedanken darüber zu machen, was Morygor vielleicht vermag oder nicht, sollten wir uns auf die eigenen Möglichkeiten konzentrieren, so wie es die Axiome von uns fordern!“ Dann beugte sich Rhaawaan etwas vor und fuhr in bedeutungsschwerem Tonfall fort: „Glaube niemals, dass deiner eigenen Schicksalslinie irgendetwas Besonderes anhaftet, Gorian. Und glaube vor allem nicht, dass du dies, wenn es so wäre, bereits zu diesem frühen Stadium beurteilen könntest. Zumeist offenbart sich so etwas zur Gänze erst im Rückblick.“

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Meister Thondaril unterrichtete Gorian in den Künsten der Schwertmeister, und es stellte sich schnell heraus, dass Gorian darin bereits weit fortgeschritten war. Täglich wurde der Kampf mit dem Schwert geübt, wobei es vor allem darum ging, die Absichten des Gegners vorauszuahnen und sich in ihn derart einzufühlen, dass man eins mit ihm wurde und dessen Kraft für sich nutzen konnte.

Immer wieder klirrten die Klingen gegeneinander, manchmal stundenlang, ohne dass bei den fortgeschritteneren Kämpfern auch nur der Hauch einer Gefahr bestand, dass sie sich einen Treffer einhandelten und ein Heiler zum Einsatz kommen musste.

Für Gorian jedoch gab es schon sehr bald keine ebenbürtigen Gegner mehr. Unter den Schülern war niemand, der in der Kunst der Voraussicht so konzentriert war und dabei gleichzeitig die eigene Waffe derart schnell durch die Luft wirbeln konnte. Die Ausbildung bei seinem Vater kam Gorian nun zugute.

Mit wenigen Hieben entwaffnete er den rothaarigen Alkarado, obwohl der bereits ein ganzes Jahr länger Schüler des Ordens war und sich auch nur auf die Ausbildung in diesem einen Haus konzentrierte. Torbas, der von Thondaril aufgefordert wurde, gegen Gorian anzutreten, erwies sich als deutlich hartnäckiger. Gorian spürte das hohe Maß an Alter Kraft, das in seinem Kontrahenten wirksam war. Ein Quantum, das dem seinen ebenbürtig schien.

„Es ist nur die Ausbildung durch deinen Vater, die du mir voraus hast!“, erreichte Gorian ein sehr heftiger, intensiver Gedanke von Torbas, während die Klingen ihrer Schwerter aufeinander prallten. „Sonst nichts!“

Immer wieder klirrte Stahl gegen Stahl, dann gelang es Gorian, Torbas’ Hieb so abzulenken, dass dessen Klinge in den Boden fuhr, genau in die Fuge zwischen zwei Pflastersteinen des inneren Burghofs, wo der Übungskampf stattfand.

Torbas blickte auf die Spitze von Gorians Schwert, die auf seine Brust gerichtet war. In einem richtigen Kampf hätte er keine Möglichkeit mehr gehabt, die eigene Waffe rechtzeitig aus dem Boden zu ziehen.

„Du bist wirklich gut, Gorian“, gestand er ein. „Ich denke, ich kann noch eine Menge von dir lernen.“

„Dass der Kampf so lange gedauert hat, liegt nur daran, dass ich durch das Sternenmetall, das in der Kathedrale meinen Körper durchschlug, noch etwas geschwächt bin“, stellte Gorian klar.

„Die Stellen in den Ordens-Axiomen, die von der Demut handeln, hast du wohl immer geflissentlich überlesen, was?“

„Mein Vater hat immer gesagt, dass ein jeder in den Axiomen das findet, was er gerade sucht, und das vermisst, woran es ihm eigentlich an Erkenntnis mangelt.“

Gorian nahm die Schwertspitze fort, und Torbas zog seine eigene Klinge wieder aus der Pflasterfuge. Seine Augen waren bis dahin von Schwärze erfüllt gewesen, und Gorian fiel auf, wie langsam die tatsächliche Farbe und das Weiße darin zurückkehrten. Er wertete es als Zeichen dafür, wie sehr sich Torbas bei diesem Kampf engagiert hatte. Torbas hatte ihn unbedingt besiegen und ihm zeigen wollen, dass er der Bessere war. Aber das war nun wohl entschieden. Vorerst zumindest.

Torbas richtete den Zeigefinger der freien Hand auf ihn. „Heute bist du der Sieger, aber eines Tages werden wir uns vielleicht unter anderen Vorzeichen erneut gegenüberstehen, und dann werde ich dich bezwingen.“

„Eigentlich hoffe ich, dass wir gemeinsam gegen die Schergen Morygors antreten“, erwiderte Gorian.

Torbas lächelte etwas gezwungen. „Natürlich.“

Da mischte sich Meister Thondaril ein, der dem Gespräch zwischen den beiden mit gerunzelter Stirn gelauscht hatte. „Nehmt Euch ein Beispiel am Ersten Meister, unserem Ordensgründer“, forderte er. „Er legte seinen Namen ab, um der Eitelkeit zu entsagen – und ihr beide plustert euch auf wie Pfaue! Der Einzige, der sich darüber freut, wird Morygor sein, der vermutlich schon vorausberechnet, wie euer Hang zur Selbstdarstellung es ihm in der Zukunft leichter machen wird, euch zu töten!“

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Die Tage gingen dahin, und jener Sommer, der einhergehend mit der Invasion der Frostkrieger in Thisilien überall in den nördlichen Herzogtümern des Heiligen Reiches schon vorzeitig sein Ende gefunden hatte, schien sich noch einmal eines Besseren zu besinnen. Es war, als versuchte sich die Natur sich noch einmal gegen die Bedrohung durch den Schattenbringer aufzulehnen.

„Wer weiß, wie viele Sommer es noch geben wird“, meinte Sheera, als sie im Rahmen des Heiler-Unterrichts mit Gorian in der Umgebung der Ordensburg unterwegs war. Sie suchten nach bestimmten Heilpflanzen und befanden sich auf einer Wiese am Ufer des östlichen Gont-Arms. Die wurde im Frühjahr regelmäßig überschwemmt, brachte dafür aber in er restlichen Zeit des Jahres ein Sammelsurium seltener Pflanzen hervor, die nur hier zu gedeihen schienen. Nie zuvor hatte Gorian eine solche Vielfalt unterschiedlicher und bizarrer Blütenformen gesehen.

Doch obwohl er sich eifrig bemühte, die Unterrichtsziele aller fünf Häuser zu erreichen, und er all das neue Wissen begierig in sich aufsog, so interessierten ihn die Heilpflanzen, die auf dieser Wiese zu finden waren, nur in zweiter Linie.

Wichtiger war in diesem Fall, dass er mit Sheera zusammen sein konnte, die ihn nach wie vor in ihren Bann zog. Leider hatten ihm die umfangreichen Übungen der letzten Zeit nur selten die Möglichkeit gegeben, sich mit ihr zu treffen, obwohl es da noch vieles gab, was sie dringend besprechen mussten.

Die tiefe innere Verbundenheit zwischen ihnen stand außer Frage, auch wenn Gorian noch immer sehr verwirrt darüber war und nicht den Hauch eine Ahnung hatte, worin sie begründet war. Abgesehen von dem Zauber vielleicht, der für ihn von ihrem Wesen ausging.

Sie hatte ihm von ihrem Zuhause in Oquitonien erzählt. Davon, dass ihr Vater ein Kaufmann war, der in Nelbar ein Kontor unterhielt. Ein Mann, der allem Magischen zutiefst misstraute. „Stell dir vor, eine Krämerin hätte ich werden sollen, wie meine Mutter.“ Sie lachte. „Du wirst dich wundern, aber ich habe sogar ein gewisses Talent zum Feilschen und Handeln. Und was die Kunst des Rechnens angeht, so kann ich es zwar nicht mit einem Zahlenmagier aufnehmen, aber die meisten Kleinköpfigen schlage ich darin ohne Weiteres.“

„Und doch bist du etwas ganz anderes geworden.“

„Man muss auf seine innere Stimme hören“, sagte Sheera. „Ich habe schon von klein auf gespürt, dass mit mir etwas anders ist. Ich habe Gesichter im Wasser gesehen, die außer mir niemand sah. Ich habe den Schmerz einer Katze gespürt, die von einem Wagenrad überrollt wurde, und war daraufhin für Wochen gelähmt. Und außerdem hat sich die Farbe meiner Augen manchmal auf eine Weise verändert, die allen, die das beobachteten, Angst machte. Und da waren diese Träume, die mich nicht losgelassen haben und die ich zuerst nicht zu erklären vermochte ...“ Sie pflückte ein paar Blüten und stopfte sie in einen Lederbeutel, den sie dafür mitgenommen hatte. Dann sah sie Gorian lächelnd an. „Und in einem dieser Träume habe ich zum ersten Mal dein Gesicht gesehen. Es war wie der Blick auf etwas, was noch kommen wird, aber schon feststeht.“

„Warum bist du keine Schülerin im Haus der Seher geworden, wenn du solche Träume hattest?“

„Das war durchaus im Gespräch. Aber meine Hauptbegabung scheint das Heilen zu sein, und ich musste mich entscheiden.“

„Ich habe mich auch nicht entschieden.“

„Das mag der Weg sein, der für dich richtig ist, Gorian. Aber nicht für mich. Und davon abgesehen sind meine Ziele vielleicht auch nicht ganz so ehrgeizig wie die deinen.“

„Das wiederum habe ich mir nicht ausgesucht. Aber ich weigere mich einfach, tatenlos zuzusehen, wie alles zugrunde geht, und einzig und allein darauf zu hoffen, dass es vielleicht nicht mehr zu meinen Lebzeiten geschieht.“

Sie sah ihn an. „Es ist schlimm, was mit deinem Vater und all denen geschehen ist, die den Frostkriegern zum Opfer fielen.“

„Das ist meinetwegen passiert, Sheera. Und auch das ist etwas, was mich anspornt. Ich will diese Ausbildung so schnell wie möglich beenden, damit ich mir die Meisterringe an die Hand stecken kann.“

„Und dann?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich dann einfach in den Norden aufbrechen und die Begegnung mit Morygor suchen. Er hat die beiden Schwerter, die meinem Vater gehörten, Schattenstich und Sternenklinge. Die will ich zurückholen.“

„Zwei Schwerter – für einen Ordensmeister? Ist das nicht etwas zu viel? Mir scheint, du brauchst Bundesgenossen und Kampfgefährten. Schwerter gibt es überall.“

„Aber nicht solche Schwerter. Schwerter aus Sternenmetall, die auf ganz besondere Weise geschmiedet wurden.“

Sie seufzte. „Also als Schwertkämpferin werde ich dir nicht beistehen können. Aber wie du weißt, habe ich andere Talente. Und ich fürchte, ich werde dir damit einst zu Diensten sein müssen.“

„Du fürchtest das?“ Gorian runzelte die Stirn. „Wieso das?“

„Weil es bedeutet, dass dir zuvor etwas Schlimmes zugestoßen sein wird. Etwas, dass dich so schwächt, dass es dir unmöglich sein wird, dich selbst zu heilen.“ Ihr Lächeln wurde verhaltener und wirkte fast etwas verlegen, als Gorian ihren Blick erwiderte.

„Du hast gesagt, unsere Schicksalslinien seien von nun an miteinander verwoben“, sagte er.

Sie nickte. „Ja, aber das war nicht ganz richtig. In Wahrheit waren sie das schon immer, auch wenn keiner von uns das geahnt haben mag.“

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Der Sommer schien gar nicht enden zu wollen, und die Herbststürme, die ansonsten die ersten Schübe kalter Luft aus dem Norden brachten, ließen auf sich warten.

Es gab Neuigkeiten aus Thisilien. Hunderte von Schwertmeistern hatten dort an der Seite der kaiserlichen Ritter und Landsknechte gegen die letzten Frostkrieger gekämpft, die hier und dort noch anzutreffen gewesen waren. Diese Schwertmeister standen auf magische Weise immer mit der Ordensburg in Verbindung. Zusätzlich gab es noch eine im ganzen Reich gut funktionierende Taubenpost, sodass sich Nachrichten recht schnell verbreiteten. Dass bei der Invasion zunächst eroberte Gebiet galt als befreit und der Feind als besiegt. Es gab keinen einzigen Frostkrieger mehr in Thisilien. Die Kriegsflotte unter dem Kommando des Herzogs der Axtlande hatte die Schiffe der Angreifer verfolgt, soweit dies möglich war. Bis zu den Gestaden der Torlinger Inseln und den Küsten Torheims hatte man einige von ihnen getrieben.

Der Herr der Frostfeste schien keinerlei Anstalten zu einem Gegenschlag zu unternehmen. Kaiser Corach kam dieser Erfolg – den er vor allem seinem eigenen Genie als Feldherr zuschrieb – nur allzu recht, denn er konnte ihn hervorragend dazu nutzen, seine umstrittene Position im Heiligen Reich zu festigen. Er war der vierte aufeinander folgende Herrscher aus dem Geschlecht der Laramonteser, und dass er es bisher nicht gewagt hatte, auf dem Heiligreichstag offiziell über die Einführung des Erbkaisertums abstimmen zu lassen, lag an den starken Rivalen, deren Widerstand er bisher zu fürchten hatte. Den Herzog von Eldosien zum Beispiel, der außerdem in Personalunion auch noch Herzog von Oquitonien und Baronea war und dadurch eine Hausmacht darstellte, die größer als die des Kaisers war, der außer dem Herzogtum Laramont nur noch das mit dem Besitz der Kaiserkrone verbundene Kronland Olanien direkt regierte.

Nun aber, nach diesem großen Erfolg, den Kaiser Corach im ganzen Reich durch Herolde und Sänger verkünden und von ihnen in den schillerndsten Farben ausschmücken ließ, konnte er vielleicht einen Versuch in diese Richtung wagen – zumal er damit rechnen konnte, dass sich viele der unbedeutenderen Herzöge um ihn scharten, weil sie die Machtgier des Herzogs von Eldosien noch mehr fürchteten als die des Kaisers.

Der Heiligreichstag sollte bereits im Spätherbst in Estia, der Hauptstadt des Estlinger Landes stattfinden. Bis dahin waren es nur noch wenige Wochen, und da der Kaiser ohnehin im Norden unterwegs war, stattete er auch der Ordensburg einen Besuch ab. Immerhin war neben den siebzehn stimmberechtigten Herzogtümern, dem Vertreter der Freistadt Neador und dem Bischof von Atrantia als Repräsentant der Priesterschaft auch der Orden mit Sitz und Stimme auf dem Heiligreichstag vertreten.

Abgesehen davon war für Corach IV. natürlich auch die militärische Unterstützung der Schwertmeister unverzichtbar. Daher war es durchaus verständlich, dass sich der vierte Kaiser aus dem Geschlecht der Laramonteser der Gefolgschaft des Ordens versichern wollte, bevor der Heiligreichstag zusammentrat.

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Kaiser Corach traf mit einem großen Tross ein. Gorian und Sheera befanden sich gerade zusammen mit einigen anderen Schülern aller fünf Häuser auf dem Südturm der Ordensburg, denn auf dem Unterrichtsplan stand die Deutung von Himmelzeichen bei Tageslicht, eine Disziplin, die zum allgemeinen Pflichtunterricht für die Angehörigen aller Häuser gehörte und von Meister Fferryn gelehrt wurde, einem Seher, der sich auf die Beobachtung des Himmels und der Gestirne spezialisiert hatte.

Meister Fferryn war ein kleiner, drahtiger Mann mit weißem Bart, aber ohne einem einzigen Haar auf dem Kopf. Als sich Corach der Ordensburg näherte, hielten die Schüler gerade dunkle Gläser vor ihre Augen, um bei der Beobachtung des Schattenbringers nicht von der Sonne geblendet zu werden.

„Ich hoffe, es wird sich niemand von euch durch etwas so Unbedeutendes wie einen Kaiser von den wirklich wichtigen Dingen am Himmel ablenken lassen“, mahnte Meister Fferryn, als er merkte, wie das Interesse seiner Hörerschaft rapide abnahm, seit Corach mit seinem Gefolge am Horizont aufgetaucht war. Offenbar hatte er sich mit einer Fähre zum Flusshafen an der Südspitze Gontlands übersetzen lassen, wo sich der Fluss in seine beiden Arme teilte. Hoch zu Ross ritt er seinen Rittern und Landsknechten voran. Auch Ordensmeister befanden sich im seinem Gefolge, darunter mindestens hundert Schwertmeister, die ihn derzeit ständig schützten, eine Maßnahme, die hier und dort genau jene Kritik gegen den Orden wieder hatte aufflammen lassen, die Jahrzehnte zuvor Meister Nhorich geäußert hatte.

Torbas, der sich ebenfalls unter den Schülern befand, wandte sich an Gorian. „In diesem Punkt hatte dein Vater vielleicht gar nicht so unrecht. Es ist mit der Ehre eines Ordensmeisters nicht vereinbar, sich zu einem Lakaien oder Leibwächter herabwürdigen zu lassen. Kein Ordensmeister, egal, welchem Hause er angehört, sollte so etwas mit sich machen lassen.“

„Verstehst du bereits genug von den Zeichen des Himmels, dass du es dir leisten kannst, große Reden zu schwingen, anstatt mir zuzuhören?“, rief Meister Fferryn, sichtlich verärgert über Torbas' Unaufmerksamkeit.

Später wurde ein Fest für den Kaiser gegeben, nachdem dieser sich sehr lange erst mit dem Entscheidungskonvent des Ordens und später allein mit Hochmeister Aberian beraten hatte. Das Fest fand im Palast statt, der sich in der Mitte des inneren Burghofs befand und die letzte Rückzugsmöglichkeit im Falle eines Angriffs war. Die Festhalle im Erdgeschoss war brechend voll, denn der Kaiser hatte darauf bestanden, dass sämtliche derzeit in der Ordensburg befindlichen Meister und Schüler daran teilnahmen. Keiner der Schüler wurde zur Bedienung eingeteilt, wie es normalerweise üblich war; diese Aufgabe übernahmen die Bediensteten des Kaisers, die diesen auf seinen Reisen begleiteten.

„Der will sich doch nur dem Ordensnachwuchs gewogen machen“, sagte Torbas abfällig zu Gorian, der neben ihm Platz genommen hatte, „damit künftige Hochmeister und kommende Mitglieder des Entscheidungskonvents dereinst auch seinen Erstgeborenen auf dem Heiligreichstag unterstützen.“

Gorian zur Linken saß Sheera. Im Rahmen dessen, was in dieser Hinsicht auf der Ordensburg erlaubt war, hatte sie sich sogar etwas herausgeputzt. Dass sich Schülerinnen schminkten oder Schmuck trugen, wurde von den Mitgliedern des Entscheidungskonvents strikt abgelehnt, abgesehen natürlich von ordenstypischen Amuletten, die nicht als Schmuck und Tand galten, sondern irgendeine magische Funktion erfüllten. Auch hinsichtlich der Kleidung wurde auf Schlichtheit geachtet, schließlich war das Vorbild aller Ordensleute nach wie vor der legendäre Erste Meister, der schließlich sogar seinen Namen abgelegt hatte, weil er ihn als Ausdruck der Eitelkeit angesehen hatte.

Aber gegen die Benutzung von Haarspangen hatte niemand im Orden etwas einzuwenden, und so hatte Sheera – wie manch andere Schülerin auch – diesen Spielraum genutzt und sich das Haar hochgesteckt.

„Du siehst toll aus“, sagte Gorian, der sie aufgrund dieses ungewohnten Anblicks noch öfter als sonst ansehen musste.

„Danke“, erwiderte sie.

„Na, wir wollen doch heute Abend nicht den Geist des Ersten Meisters beleidigen, indem wir uns gegenseitig eitle Komplimente machen“, mischte sich Torbas ein. „Oder was meint ihr zwei dazu?“

Gorian lag eine spitze Erwiderung auf der Zunge, die er allerdings erst einmal herunterschlucken musste, denn in diesem Moment ertönte ein Gong und sorgte für absolute Ruhe.

Es folgte eine kurze, aber salbungsvolle Begrüßung durch den Hochmeister, dann sprach der Kanzler des Kaisers ebenfalls ein paar freundliche Worte, zu denen Corach IV. – ein schmalgesichtiger Mann mit dunklem, bis zu den Schultern herabhängendem Haar, einem hervorspringenden Kinn und einem exakt gestutzten Backenbart – huldvoll lächelte und durch die eine oder andere Geste sein Wohlwollen dem Orden gegenüber unterstrich.

Als der Kanzler geendet hatte, winkte ihn der Herrscher zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Kanzler heftig nickte, an den Hochmeister herantrat und diesen die Flüsterbotschaft weitergab.

„Der Schüler Gorian aus Twixlum möge bitte vortreten“, sagte Hochmeister Aberian.

„Na, wieder irgendwas angestellt?“, feixte der rothaarige Alrado von der anderen Seite des Tisches her.

„Tja, so ist er nun mal“, meinte Torbas. „Die Kathedrale ist noch nicht einmal wieder für die unbedarfte Schülerschaft freigegeben, da ist ihm offenbar gleich das nächste Malheur passiert. Hat irgendwer vielleicht an einem der Gebäude in der Burg oder in der Hafenstadt einen kleineren oder größeren Schaden bemerkt?“

„Sehr lustig!“, fauchte Sheera ihn an. „Spar dir die dummen Sprüche!“

„Uh, mit ihrer messerscharfen Zunge verletzt diese angebliche Heilerin die sensible Seele eines angehenden Schwertmeisters“, gab Torbas zurück.

Gorian hatte sich bereits erhoben. Er hatte keine Ahnung, was da auf ihn zukam und was Corach IV. von ihm wollte.

„Na los, tritt ruhig vor!“, forderte der Kanzler, ein Mann mit Halbglatze und strengen Zügen. Zwischen seinen buschigen Augenbrauen zog sich eine tiefe Furche von der Nasenwurzel bis hinauf zum Stirnende. „Du brauchst nicht schüchtern zu sein.“

Es dauerte eine Weile, bis sich Gorian durch den überbelegten Festsaal endlich bis zum Kaiser vorgearbeitet hatte. Überall mussten erst Stühle gerückt und ihm Platz gemacht werden.

Er verneigte sich vor dem Kaiser, dann hob er den Blick.

„Du bist Gorian aus Twixlum?“, fragte Corach.

„Ja, der bin ich.“

„Dein Hochmeister hat viel von dir erzählt, auch davon, dass sich große Hoffnungen mit dir verbinden.“

„Ich werde mir alle Mühe geben, sie zu erfüllen“, gab Gorian zurück. Hochmeister Aberian hatte doch wohl nicht etwa mit ihm vor dem Kaiser angegeben? Gorian gefiel das ganz und gar nicht. Der Erste Meister würde sich im Grab umdrehen, ging es ihm durch den Sinn - und bereute es schon im nächsten Moment, denn schließlich konnte er nicht sicher sein, ob Aberian seinen Gedanken nicht mitbekam. Falls dem so war, ließ es sich der Hochmeister jedoch nicht anmerken.

„Ist es wahr, dass du in allen fünf Häusern die Meisterschaft anstrebst, Gorian aus Twixlum?“

„Ja, das tue ich.“

„Vor uns liegt eine Zeit vieler Kämpfe, denn sicherlich wird das Frostreich einen erneuten Vorstoß gen Süden wagen. Da werden wir deine besonderen Fähigkeiten brauchen, Gorian. Sag, mir kam zu Ohren, dass du der Sohn von Nhorich dem Abtrünnigen seist.“

„Auch das ist wahr, o Kaiser.“

„Es ist schrecklich, was ihm widerfuhr. Ich habe davon gehört, und ganz gleich, warum sich dein Vater vom Orden und auch von meiner Person abgewandt haben mag, was ihm zustieß, wünscht man nicht seinem ärgsten Feind.“

Gorian fragte sich, was das alles sollte. Warum wollte sich Corach mit dem Nachfahren eines verfemten Ordensmeisters versöhnen, der seinerzeit sowohl am Orden als auch am Kaiser kaum ein gutes Haar gelassen hatte?

„Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte“, sagte Gorian mit belegter Stimme.

„Weißt du, mein Vater kannte Nhorich recht gut, und bevor gewisse Differenzen sie getrennte Wege gehen ließen, schätzte mein Vater ihn als zuverlässigen, treuen Krieger. Und als weisen Ratgeber. Ich nehme an, er hat dir von diesem Band der Freundschaft zum Kaiserhaus erzählt?“

„Um ehrlich zu sein, war mein Vater kein Mann großer Worte und ausgedehnter Erzählungen“, erwiderte Gorian.

Die Stirn des Kaisers umwölkte sich leicht. „Ich verstehe“, murmelte er und hustete leise. Von dem chronischen Atemleiden, das ihn schon seit seiner Kindheit plagte, hatten ihn selbst die Ordensheiler nicht befreien können. Sie hatten ihm zwar Linderung verschafft, aber das war alles, was sie in diesem Fall zu leisten imstande gewesen waren, und dies wiederum erinnerte so manchen im Orden auf unangenehme Weise daran, dass auch die Alte Kraft nur begrenzte Möglichkeiten eröffnete.

Dann aber beugte sich der Kaiser vor, und er sprach leise, so als wären seine Worte ganz allein für Gorian bestimmt und für sonst niemanden. „Ich werde deinen Weg aufmerksam verfolgen, Gorian aus Twixlum. Sehr aufmerksam.“

„Herr, darf ich Euch um etwas bitten?“

„Aber gewiss. Bitte, worum immer du willst, und falls es in meiner Macht steht, werde ich erwägen, dir deinen Wunsch zu erfüllen“, versprach Corach.

Er hustete noch einmal, holte ein parfümiertes Tuch hervor und hielt es sich unter die Nase, was den Hustenreiz etwas milderte.

„Ich bitte Euch, nutzt die Zeit, um Verbündete zu suchen. Ihr werdet sie bald brauchen, denn Morygors Angriff in diesem Sommer wird – wie Ihr schon richtig sagtet - nicht der letzte Vorstoß seiner Horden nach Süden gewesen sein. Sein Reich dehnt sich unaufhaltsam aus, und wenn der Schattenbringer einen noch größeren Teil der Sonne verdeckt, sodass die Kälte das ganze Jahr über regiert, werden die Frostkrieger zurückkehren. Darum schmiedet jetzt Bündnisse. Schickt Gesandte ins Basilisken-Reich, zu den Greifenreitern und ins Ogerland. Gewinnt das Westreich und die Caladran als Eure Bundesgenossen, dann ist es vielleicht möglich, Morygors Horden mit vereinten Kräften zu schlagen.“

Der Kaiser wirkte vollkommenen perplex. Zunächst zeigte sich pures Befremden, gepaart mit einem Ausdruck der Überraschung in seinen Zügen, dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Doch dieses Lächeln war nicht ohne Zynismus, und so ließ es den Herrscher eher überheblich als sympathisch wirken.

Er steckte das Riechtuch ein und klatschte in die Hände. „Bravo! Du scheinst nicht nur in der Magie bewandert, wie man es von einem Ordensschüler erwarten darf, sondern taugst sogar zum Kanzler.“ Er kicherte. „Für einen Herzog oder gar Kaiser fehlt dir ja leider die edle Geburt. Und die kann auch ein Himmelszeichen wie jenes, das dein Hochmeister erwähnte, nicht ersetzen.“

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„Eine feine Schau war das!“, keuchte Torbas, ein paar Tage später, als der Tross des Kaisers die Ordensburg längst wieder verlassen hatte, um von der Gabelung des Gont aus in Richtung Estia zu ziehen, wo sich alles auf den kommenden Heiligreichstag vorbereitete. „Wie vor dem Hochmeister, so vor dem Kaiser! Alle Achtung, das macht dir so schnell keiner nach!“

Er packte den Griff eines Schwertes mit beiden Händen, täuschte einen Angriff vor und hieb dann in Kopfhöhe auf Gorian ein, der diesen Schlag allerdings mit Leichtigkeit parierte. Ein Dutzend Mal in rascher Folge prallte der Stahl ihrer beider Klingen gegeneinander. Torbas trieb Gorian ein Stück zurück, doch dann gewann dieser wieder die Oberhand.

Die Augen beider waren vollkommen schwarz. Es war eine der zusätzlichen Übungsstunden, die sie zusammen abhielten und in denen sie sich in der Vervollkommnung der Schwertmagie übten.

Sie lösten sich voneinander und hielten inne.

Torbas hatte in letzter Zeit sehr an Schnelligkeit und Gewandtheit gewonnen, und er verstand es immer besser, sich in den Gegner hineinzuversetzen und vorauszuahnen, was er als Nächstes tat. Es war so, wie zu vermuten gewesen war: Was das Talent anging, war er Gorian ebenbürtig, und das zeigte sich immer mehr, je weiter die Ausbildung fortschritt und Torbas nachholte, was Gorian bereits von seinem Vater gelernt hatte.

Das Wichtigste war natürlich die ständige Übung.

„Ich mache keine Schau!“, sagte Gorian sehr ernst. „Für niemanden. Ich will nicht beeindrucken, sondern das erreichen, was ich für richtig halte und wovon ich überzeugt bin, dass es notwendig ist.“

„Dann versucht du etwa nicht Eindruck auf eine gewisse Heilschülerin zu machen?“ Torbas grinste ihn an, dann zuckte er mit den Schultern. „Aber warum solltest du nicht? Das kann ich verstehen. Doch dem Kaiser Ratschläge zu geben, dass er sich Verbündete suchen soll?“ Er kicherte, schüttelte aber dann energisch den Kopf. Seine Augen verloren die schwarze Färbung, da er die innere Sammlung, die für einen einigermaßen gefahrlosen Übungskampf vonnöten war, nicht mehr aufbrachte. Seine Körperhaltung entspannte sich, und er stützte die Arme auf sein Schwert. „Also das war wirklich dreist, Gorian. So dreist, dass man schon fast wieder Respekt davor haben muss.“

„Aber es ist doch die Wahrheit!“, erregte sich Gorian. „Du bist den Frostkriegern nie begegnet. Du hast nicht erlebt, mit welcher Macht sie ins Land einfallen, mit welch dämonischer Kraft sie zu kämpfen verstehen und mit welcher Grausamkeit sie alles Lebendige auslöschen. Selbst Schwertmeister können nur mit Mühe gegen sie bestehen, und wenn das Frostreich erst zum großen Schlag ausholt, wird die Kälte das Land erfassen, sodass sich diese untoten Bestien darin wie zu Hause fühlen und noch an Kraft gewinnen.“

„Aber der Kaiser hatte doch Erfolg“, erinnerte Torbas. „Sein Sieg wird überall durch seine Herolde im wahrsten Sinn des Wortes herausposaunt!“

„Sieg nennst du das?“, höhnte Gorian. „Ein Sieg gegen ein paar geschwächte Verbände, die entweder versprengt, sich selbst überlassen und ohne Führung oder sowieso schon auf dem Rückzug waren. Das ist nichts, woraus man Hoffnung für die Zukunft schöpfen kann.“

Torbas atmete tief durch. Er spürte wohl, wie ernst es Gorian damit war. „Und glaubst du vielleicht, deine Ratschläge an den Kaiser hätten irgendeinen Erfolg gehabt? Ich will dich ja nicht entmutigen, aber mir scheint, Corach ist mehr damit beschäftigt, seine eigene Herrschaft auf dem Heiligreichstag zu festigen und die Kaiserkrone möglichst auch noch für seinen Erstgeborenen zu sichern. Nur dafür sucht er Verbündete, unter anderem unseren verehrten Hochmeister, wie ich stark annehme. Westreichische Galeeren, die Krieger des Basilisken-Reichs, irgendwelche Oger-Söldner oder ein Luftheer der Greifenreiter nutzen ihm da nichts.“

„Aber allein werden wir das Heilige Reich nicht verteidigen können. Es ist ein Riese auf tönernen Füßen, und Morygor holt bereits zum entscheidenden Schlag aus, um diesen Riesen zu Fall zu bringen. Vermutlich wartet er nur auf den astrologisch genau vorausberechneten Zeitpunkt, an dem sich irgendwelche metamagischen Kraftlinien des Polyversums schneiden. Er ist uns voraus, Torbas. Wie immer geht sein Blick viele Jahre weiter als der unserer besten Seher, und wir sind wie ein blinder Oger-Ringer auf dem Jahrmarkt, der nicht zu sehen vermag, wann der Angriff seines Gegners erfolgt.“

„Ich schlage vor, du wirst Hochmeister und versuchst dann irgendwann, den Kaiser in deinem Sinn zu beeinflussen“, meinte Torbas. „Aber dazu solltest du vielleicht wenigstens in einem Haus die Prüfung eines Meisters abgelegt haben. Die anderen wirst du dann sicherlich in Windeseile nachholen.“ Spott schwang in seinen Worten mit.

„Wir haben keine Zeit mehr, um auf irgendetwas zu warten, Torbas.“

Das Gesicht des Angesprochenen nahm daraufhin ebenfalls einen sehr ernsten Ausdruck an. Er trat auf Gorian zu, blieb nur zwei Schritte vor ihm stehen. „Was sollte deiner Meinung nach geschehen?“

„Das, was ich immer schon gesagt habe: Morygors Schicksalslinie muss gekreuzt werden.“

„Und du denkst, dass du dazu bestimmt bist, das zu tun?“

„Ich hatte die nötigen Waffen schon, doch sie fielen in Morygors eisige Klauen. Wahrscheinlich hätte ich es gar nicht verhindern können, und trotzdem werfe ich mir immer wieder vor, dass ich es geschehen ließ. Es ist absurd, das weiß ich ...“ Er brach ab und fuhr einen Augenblick später fort: „Ich werde diese Schwerter, die mein Vater schmiedete, zurückholen, Torbas. Eines Tages werde ich sie in den Händen halten und Morygor damit gegenübertreten. Eines Tages. Ich weiß nicht, wann das sein wird und ob ich dann vielleicht schon ein alter Mann bin. Aber ich werde alles tun, damit es geschieht, wann auch immer das sein mag.“

„Zwei Schwerter – für einen Mann?“ Torbas zuckte mit den Schultern. „Es kommt vor, dass Krieger auf diese Weise kämpfen. Auch Schwertmeister. Aber eigentlich ist das eher etwas für Oger-Schaukämpfe, oder?“

„Ich brauche einen Gefährten, der die zweite Klinge führen wird“, sagte Gorian. „Jemanden, der über ein entsprechendes Maß der Alten Kraft verfügt und dessen Geist die nötige Stärke hat, um zu tun, was getan werden muss.“ Gorians Linke glitt an den Griff des Rächers an seinem Gürtel. „Was in der Kathedrale geschehen ist, hat ja gezeigt, dass der Umgang mit Sternenmetall nicht so ganz einfach ist. Selbst für jemanden, der seit Jahren daran gewöhnt sein sollte.“

„Dachtest du an ... jemand bestimmten?“, fragte Torbas.

„An jemandem, der in derselben Nacht an derselben Küste unter derselben Himmelskonstellation geboren wurde und in dem auch ein gleichgroßes Talent schlummert.“

Torbas hob die Augenbrauen. „Kommt der Kerl zufällig aus Thiskaren?“

„Das dachte ich bis gerade.“

„Wieso?“

„Weil er bis dahin noch Thiskaven statt Thiskaren gesagt hat.“

Torbas lachte kurz auf, dann aber wurde sein Gesicht wieder ernst. „Du meinst das wirklich so, wie du es sagst, oder?“

„Kann ich auf dich zählen, wenn es irgendwann soweit ist?“ Gorian zog den Rächer aus der Scheide und hielt ihn Torbas hin. „Du warst doch so wild darauf, solch eine Klinge zu halten. Nun, was ist? Oder ist es dir doch zu heikel, ein richtiges Schwert aus Sternenmetall zu führen?“

Torbas atmete tief durch, dann nickte er. „Ich bin dabei“, erklärte er mit einem für seine Verhältnisse schon fast feierlichem Ernst. „Wenn es denn mal irgendwann soweit ist.“

„Glaub mir, das wird schneller sein, als uns beiden lieb ist.“



Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten

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