Читать книгу Tempelritter und Nachtgeschöpfe: 20 Mystery Thriller um Liebe und Geheimnis: Krimi Koffer - Alfred Bekker - Страница 115
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Jim Field war an diesem Morgen nicht im Redaktionsbüro. Swann hatte ihn wohl mit irgendeinem Auftrag losgeschickt. Ich ließ ihm einen Zettel auf seinem Schreibtisch zurück, dann fuhr ich los.
Es war nicht ganz einfach, die Villa der Gladis Mayne wiederzufinden, aber schließlich stand ich vor ihrer Haustür. Ich hatte das Gefühl, hier den Schlüssel zu finden, der alles erklären konnte.
Charles, der hochgewachsene glatzköpfige Butler öffnete mir. Sein unbewegtes Gesicht schaute schweigend und ausdruckslos auf mich herab.
"Ich möchte mit Mrs. Mayne sprechen", erklärte ich. Charles blieb einen Moment regungslos stehen, dann bedeutete er mir mit einem Handzeichen zu warten. Auf seine etwas schwerfällige Art und Weise ging er den Flur entlang und verschwand dann für kurze Zeit hinter einer Tür. Als er dann zurückkehrte, sagte er: "Sie kennen ja den Weg in den Salon, Miss Vanhelsing."
"Ja."
"Mrs. Mayne erwartet Sie."
Etwas zögernd ging ich ein paar Schritte an Charles vorbei den Flur entlang. Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Charles hatte den Schlüssel im Haustürschloss herumgedreht und abgezogen. Ich sah, wie er ihn in die Uhrentasche seiner Weste steckte.
Ein unangenehmes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit.
"Warum tun Sie das?"
Charles' Gesicht blieb ausdruckslos, als er mir antwortete.
"Diese Tür ist immer abgeschlossen. Mrs. Mayne hat etwas gegen ungebetene Besucher!"
Seine riesenhafte Gestalt trat auf mich zu. Ich hatte diesen Weg gewählt, aber jetzt war mir klar, dass es kein Zurück mehr gab. Charles' kräftiger Körper versperrte den Weg zur Tür. Von nun an war ich so etwas wie eine Gefangene, auch wenn das nicht ausgesprochen wurde.
"Bitte nach Ihnen, Miss Vanhelsing!", sagte Charles. Wir betraten den Salon.
"Ah, welch eine Überraschung!", hörte ich die Stimme von Gladis Mayne sagen. Sie hielt ein halbvolles Glas in der Hand, dass sie im nächsten Moment auf dem Tisch abstellte. Dann überprüfte sie kurz den Sitz der schwarzen Rose in ihrem Haar.
Sie war nicht allein. Neben ihr standen Brent Erikson und Beverly Norman.
Ich fühlte jetzt einen Druck im Kopf - jenes unangenehme Gefühl, dass ich schon einmal in Gegenwart von Gladis Mayne empfunden hatte.
"Ich dachte immer, dass sich Zirkel wie der Ihre am Abend oder nachts treffen", erklärte ich, während ich meinen Blick über die Anwesenden schweifen ließ. "Es scheint, als hätten Sie etwas Wichtiges zu besprechen..."
"Da haben Sie recht, Miss Vanhelsing!", erklärte Gladis eisig.
Ich sah sie an und hielt dem stechenden Blick ihrer Augen stand.
Gladis kam etwas näher. Das lange Kleid, das sie trug, raschelte dabei. Keine Sekunde ließ sie mich aus den Augen.
"Hat Ihre Zusammenkunft etwas mit dem plötzlichen Tod von John Jennings zu tun?", erkundigte ich mich.
"Ein tragischer Fall von Selbstmord", sagte Gladis. "Und für uns natürlich ein herber Verlust."
"Meinen Sie das finanziell? John hat Ihren dubiosen Zirkel doch schließlich mit größeren Summen unterstützt, nicht wahr? Und er wäre sicher nicht der erste Ihrer Anhänger, der Ihnen sein Vermögen vermacht..."
Jetzt meldete sich Beverly Norman zu Wort.
"Bedenken Sie, dass es einen Abschiedsbrief gab und dass man Tabletten bei der Leiche..."
"Es hat keinen Sinn", wurde sie dann abrupt von Gladis unterbrochen. "Miss Vanhelsing weiß Bescheid. Und das, was sie noch nicht weiß, ahnt sie zumindest..." Gladis hob das Kinn und atmete tief durch. Ihr Blick strahlte Überlegenheit aus. Jede ihrer Bewegungen und Gesten sollte einem klarmachen, dass sie hier die Herrin war. Ihr Blick fixierte mich. "Ich habe doch recht, Miss Vanhelsing, nicht wahr? Sie glauben weder, dass John Selbstmord begangen hat, noch dass jetzt, da er nicht mehr am Leben ist, die Gefahr für Sie selbst vorüber ist..." Ich schluckte und fühlte, wie es mir kalt den Rücken hinaufkroch. Unwillkürlich wollte ich einen Schritt zurückweichen, doch hinter mir stand die riesige Gestalt des kahlköpfigen Butlers.
In der Rechten hielt er eine Pistole, dessen Lauf in meine Richtung deutete.
Gladis wandte sich an Erikson und Beverly Norman. Sie fuhr fort: "Miss Vanhelsing besitzt nämlich eine übersinnliche Begabung, genau wie ich. Der Unterschied ist nur, dass ihre noch schwach ausgeprägt ist und sie sie kaum kontrollieren kann... Ist es nicht so?"
Ich weigerte mich, darauf eine Antwort zu geben.
"Sie werden jetzt versuchen, mich zum Schweigen zu bringen, nicht wahr?", schloss ich.
"Ich wusste von Anfang an, dass Sie uns gefährlich werden könnten, Miss Vanhelsing. Von der ersten Begegnung an..."
"Ich weiß", murmelte ich mit belegter Stimme. Diesmal war ich meiner Intuition gefolgt und dabei in eine tödliche Falle getappt. Ich musste Zeit gewinnen und zermarterte mir das Hirn darüber, wie ich aus dieser Lage entkommen konnte. Gladis schien meine Gedanken erraten zu haben.
Sie lächelte teuflisch.
"Verschwenden Sie Ihre letzten Gedanken nicht an etwas Sinnloses, Miss Vanhelsing. Sie haben keine Chance, uns zu entkommen. Selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, diesen Raum zu verlassen, können Sie unserem Einfluss nicht entkommen..."
"Der Erstickungsanfall...", murmelte ich. Gladis nickte.
"Sie hatten großes Glück, Miss Vanhelsing. So großes Glück, dass Sie es kaum ein zweites Mal strapazieren können..." Sie wandte sich an Erikson. "Bist du bereit, Brent?" Erikson nickte.
Ein kaltes Lächeln umspielte seine dünnen Lippen.
"Sie waren das?", fragte ich, aber im Grunde wusste ich es bereits. Erikson nickte.
"Nennen Sie es eine Art Telekinese. Ein besseres Wort gibt es dafür nicht. Inzwischen kann ich meine Fähigkeit ganz gut kontrollieren."
"Dann haben Sie Trumball, Potter und die anderen umgebracht", schloss ich. "Gab John Ihnen den Auftrag dazu?" Erikson schüttelte den Kopf. "Nein. John glaubte, dass sein albernes Ritual allein schon eine tödliche Wirkung hätte. Dabei kann ein solches Ritual allenfalls zur Konzentration der übersinnlichen Kräfte dienen."
"Aber John besaß keine, richtig?"
"So ist es. dass man ihn jedoch mit diesen Todesfällen in Verbindung brachte, machte ihn in der Öffentlichkeit noch mysteriöser. Was glauben Sie, was diese ansonsten künstlerisch wertlosen Steinbüsten jetzt für Preise erreichen werden?"
Ich schauderte. Alles war ein abgekartetes Spiel gewesen, in dem der nach seinem Unfall am Rand des Wahnsinns balancierende John Jennings kaum mehr als die Rolle einer willfährigen Schachfigur innegehabt hatte.
"Was haben Sie vor?", fragte ich.
Erikson sah mich kalt an.
In seinem Gesicht las ich meinen Tod.
"Wie Gladis bereits sagte, können wir Sie unmöglich gehen lassen..."
Eriksons Gesicht wurde zu einer angestrengten Maske. Seine Augen verengten sich ein wenig.
Und dann fühlte ich die unsichtbare Kette um meinen Hals... Ich schrie aus Leibeskräften. Verzweifelt griff ich mir an den Hals, während sich die unsichtbare Schlinge unbarmherzig zuzuziehen begann. Dann erstarb meine Stimme zu einem Röcheln.
Das ist das Ende, dachte ich.
Ich sank zu Boden und fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis alles vorbei war...