Читать книгу Krimi Koffer September 2021 - 7 Krimis auf 1000 Seiten - Alfred Bekker - Страница 50
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Оглавление„Und das war alles?“, erkundigte sich John Dunbar skeptisch.
Der Mathematiker blickte ihn aus rotgeränderten und vor Müdigkeit tränenden Augen an und erwiderte: „Ich sagte Ihnen doch: Wenn ich den Schaltkreis finde, ist in fünf Minuten alles vorüber.“
Er schob das kastenförmige Segment in den Relaisblock zurück, an dem er gearbeitet hatte.
„Und was im Einzelnen haben Sie nun gemacht?“, forschte John Dunbar.
Maurice Delalander setzte sich in einen der wuchtigen Sessel und begann umständlich eine Zigarette aus seiner Tasche hervorzukramen. Er machte erst einige Züge, ehe er nachdenklich fragte:
„Wie gut wissen Sie über Kybernetik Bescheid, John?“
John Dunbar zuckle die Schultern. „Also gar nicht“, stellte Delalander fest. Er rieb sich die Augen. Dann fuhr er fort:
„Es ging im Wesentlichen um das Problem einer Störung des Rückmeldekreislaufs. Ein Mechanismus kommt ohne diesen Rückmeldekreislauf nicht aus, es handelt sich um einen der wichtigsten Schaltkreise überhaupt — und er ist ganz besonders anfällig. Der Rückmeldekreislauf bricht zusammen, wenn er einmal infolge einer nicht klar zu definierenden Meldung überlastet wird. Im einfachsten Falle zeigt sich dieses völlige Versagen als eine Schwingung in einer zielstrebigen Handlung, die nur dann auftritt, wenn eben diese Handlung in Gang gebracht wird.
Ursprünglich waren diese Robotgehirne wohl als eine Art Spielmaschinen gebaut worden, Maschinen, die auf eine begrenzte Anzahl von Zügen des Gegners hin vorausschauten, daraufhin das Bestmögliche taten und dann in der Ausgangsstellung verharrten, die sich gemäß einer mehr oder weniger einfachen Auswertungsmethode als die günstigste herausstellte. Die A’schbyaner aber, um ihren makabren Spieltrieb zu befriedigen, waren offenbar mit diesen geringen Möglichkeiten nicht zufrieden. Sie bauten ihre etwas plumpen Automaten zu Höchstgeschwindigkeitsrechenmaschinen um, die schnell genug waren, um jede Möglichkeit für die nächsten Züge in der für den einzelnen Zug üblichen Zeit durchprobieren zu können und das Ergebnis zu verändern. Und so wuchsen die Automaten immer mehr. Jede Steigerung erforderte eine größere Kapazität. Jede Kapazitätssteigerung brachte zwangsläufig eine Volumenvergrößerung der Relaisblöcke mit sich. Sie begannen damit, jedes gespielte 'Spiel' zu speichern und daraus zu lernen. Neue vielversprechende Möglichkeiten zeichneten sich ab. Und da unterlief den Erbauern der Automaten wahrscheinlich der erste von einer Reihe anderer Fehler, die einzeln gesehen kaum ins Gewicht fielen, in ihrer Ganzheit jedoch schließlich zur Katastrophe führten.“
„Wie das?“, forschte Dunbar. Er hatte es sich ebenfalls in einem Sessel bequem gemacht. Um sie herum war schattenlose Helligkeit und das Pulsieren jenes übermächtigen Automaten.
„Bei einer lernenden Maschine muss man unterscheiden zwischen dem, was die Maschine lernen kann und was nicht. Eine Maschine kann entweder mit einer statistischen Vorliebe für eine bestimmte Verhaltensweise gebaut werden, die indessen die Möglichkeit anderen Verhaltens erlaubt, oder aber es können gewisse Züge ihres Verhaltens starr und unveränderlich festgelegt werden — wie es zum Beispiel in unseren Automaten die drei Robotergesetze darstellen. Nennen wir einmal die erste Art der eben erwähnten Festsetzung Vorliebe und die zweite Art Zwang. Wenn nun zum Beispiel die oben erwähnten 'Spielregeln' nicht als Zwang in das Robotgehirn eingebaut waren, so müssen wir als wahrscheinlich annehmen, dass es infolge seiner Größe und seiner Lernfähigkeit unbemerkt für die Erbauer in eine Verhaltensweise überwechselte, die von der ursprünglichen sehr weit entfernt war.“
„Und was bedeutete das in diesem Fall für das Volk der A’schbyaner?“ John Dunbar beugte sich gespannt zu Delalander hinüber.
„Die beiden keinem Zwang unterworfenen Automaten sahen sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Erbauer an dieser Art Krieg Vergnügen fanden, aber andererseits dieses 'Vermögen' mit der Vernichtung von Leben verbunden war. Vor die Alternative gestellt, ihren Erbauern unbedingten Gehorsam zu leisten, sie jedoch andererseits vor jeglichem Schaden zu schützen, verfielen sie auf den Ausweg, alles Leben von den Oberflächen der Planeten zu verbannen, es in unterirdischen Kasematten in Sicherheit zu bringen und es nur über die Bildschirme an dem Krieg teilhaben zu lassen, der ja bekanntlich Vergnügen bereitete.“
„Eine makabre Logik“, sagte John und schüttelte sich.
„Eine Logik, zu der nur eine Maschine fähig sein konnte“, stellte der Mathematiker fest.
„Ihre Version unterscheidet sich aber etwas von der, die uns Cefuth darlegte!“
Maurice Delalander machte eine unbestimmte Handbewegung.
„Die Zeit“, sagte er, „ist oft mildtätiger, als man annehmen möchte. Sie breitet den Mantel der Beschönigung, des Vergessens und des Verdrehens der Tatsachen über viele Dinge.“
„Sie sprechen große Worte gelassen aus“, stellte John grinsend fest. Und dann: „Was nun?“
„Ich versuche jetzt, Verbindung mit dem Gehirn aufzunehmen. Mal sehen, ob es mir gelungen ist, das Potential des ersten Gesetzes — des absoluten Gehorsams — zu verstärken.“
Maurice Delalander verließ den Sessel und ging hinüber zu dem hufeisenförmigen Instrumentenpult, über dem die vier großen Schirme angebracht waren. Mit prüfenden Blicken blieb er vor den mittleren zwei Schirmen, die übereinander angeordnet waren, stehen. Seine Finger fuhren spielerisch über die Tastatur, die unter den Flächen angebracht war. Die Folge war ein lautloses Gewitter in der rechten Saalhälfte, die zahllosen winzigen Lichter begannen schlagartig zu zucken. Sie verlöschten, flammten wieder auf. Auf dem Schirm von Delalander war ein Flimmern zu erkennen, das stärker wurde, graue Flecken bildete, die sich zu einem Bild verdichteten.
Der Mathematiker konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Vor seinen Augen breitete sich das Landefeld des gewaltigen Forts aus — deutlich waren die wirbelnden Staubschleier zu erkennen, die ein starker Wind vor sich hertrieb. Ganz im Hintergrund des Bildes waren die aufragenden Pylonen der vier Vermessungsschiffe zu sehen, die sich winzig gegen die zweitausend Meter hohen Mauern des Forts ausnahmen.
Delalanders Finger glitten weiter über die Tastatur: Das Bild verschwand vom Schirm und machte einem anderen Platz.
John Dunbar, der dem Mathematiker über die Schulter schaute, sah, wie ein pulsierendes Oszillogramm erschien.
„Was das wohl ist?“, murmelte John und blickte auf das Oszillogramm, das seine Form veränderte, zusammenschrumpfte und dann wieder zur ursprünglichen Form zurückkehrte.
'Das bin ich ...'
Die beiden Männer erstarrten. Der Gedankenimpuls war völlig unerwartet in ihr Gehirn gedrungen. Es war zu ungeheuerlich, zu unglaublich. Innerhalb dieses riesigen mechanischen Gehirns telepathische Impulse zu empfangen, war ein Schock, der für Bruchteile alle körperlichen Reaktionen lahmlegte.
Dann kamen erneut Impulse.
'Ich bin ein elektronisches Gehirn, von Wesen erbaut, die euch gleichen. Nur deshalb konntet ihr diesen Raum betreten. Einer nichthumanoiden Rasse ist es unmöglich. Ich habe soeben gespürt, wie die Schemata meiner Einstellung verändert wurden.'
Delalander, der sich als Erster von seiner Verblüffung erholt hatte, antwortete mit lauter Stimme:
„Wir sind Menschen. Wir haben nichts anderes getan, als dich geheilt. Du warst krank.“
'Krank ist eine ungenügende Information. Ich kann damit nichts anfangen. Präzisiere diesen Begriff!'
In gedrängter Form berichtete der Mathematiker über das, was er vorgefunden, was er getan hatte.
Die Maschine schwieg. Dann: ein neuer Impuls.
'Hast du Beweise?'
„Blicke auf deine Schirme! Was kannst du erkennen?“
Wieder herrschte Schweigen. Es dauerte länger als zuvor. Die Maschine beobachtete den pausenlosen Kampf der Roboter gegeneinander und gegen die Sperrforts. Sie verglich im ununterbrochenen Informationsfluss die Beobachtungen mit dem, was in ihren Gedächtnisspeichern lagerte und sah, dass sie — Erinnerung! — seit Jahrhunderten gegen die vordringlichste Maxime verstoßen hatte, die da Erhaltung des Lebens hieß. Verstoßen in gleichem Maße, wie sich das Potential des ersten Gesetzes abgebaut und überlagert hatte, zugunsten des „Vergnügungstriebes“ seiner Erbauer.
Die Maschine erkannte und schwieg lange Zeit. Dann sprach sie wieder.
'Ich sehe, dass etwas geschieht, das nicht geschehen sollte. Was kann ich tun, um es zu ändern?'
„Nichts anderes als das, was du von Anbeginn zu tun hattest — gehorche!“
Das Schweigen dauerte an. Die Stille der Halle war längst einem leisen Summen und Klicken gewichen. Knatternd fielen Relais ein, und die Lichter auf dem Kontrollpult huschten noch hektischer als zuvor über die Fläche.
'Was soll ich tun?'
Pfeifend entwich die zurückgehaltene Luft aus Delalanders Brustkorb. In seinen Augen leuchtete Triumph, als er John Dunbar einen schnellen Blick zuwarf. Dann sagte er laut:
„Beende den Krieg und befiehl deinen Robotern, in die Unterkünfte zurückzukehren. Dann befreie diejenigen Wesen, die in den unterirdischen Verliesen sind und seit Jahrhunderten nicht mehr nach oben durften ...“
'Es ist geschehen! Was jetzt?'
„Irgendwo in den Räumen deiner Festung hältst du Wesen gefangen, die uns gleichen. Schaffe eine Verbindung zu ihnen — wir müssen mit ihnen sprechen. Ihretwegen sind wir hergekommen.“
'Es wird geschehen!'
Delalanders Gesicht zeigte tiefe Befriedigung. Ein Diener, der rebelliert hatte, war zu seiner ursprünglichen Tätigkeit zurückgekehrt.
Auf der großen Bildfläche vor den beiden Raumfahrern erschien plötzlich eine lichtdurchflutete Halle. Eine elegante, stählerne Brücke lief über die Breite des Saales, darunter waren Gestalten zu erblicken — Terraner!
Der Blickwinkel veränderte sich.
Ein Mann kam ins Bild, auf dessen Gesicht sich erst grenzenloses Erstaunen, dann unbändige Freude abzeichnete; er hatte erkannt, wer am anderen Ende dieser Verbindung zu sehen war.
Seine Worte kamen so schnell, dass sie sich überschlugen und unverständlich wurden. Tränen der Wiedersehensfreude standen in den Augen des älteren Mannes, der bis zur Brust sichtbar war. Er trug die Uniform der halbmilitärischen Organisation der Kartographen. Auf den Schulterstücken waren die Rangabzeichen eines Kapitäns zu erkennen.
Delalander hob die Hand.
„Stopp!“, sagte er lächelnd und bewusst forsch, um seinerseits die Rührung zu verbergen, die über ihn gekommen war. „Ich verstehe kein Wort!“
Der Kapitän verstummte. In seinem faltigen Gesicht arbeitete es. Man konnte deutlich verfolgen, wie er sich gewaltsam zur Ordnung rief. Schließlich sagte er betont langsam:
„Arnold Stolp. Kapitän der STARCLOUD und Dienstältester dieser Gruppe von Überlebenden, die Sie hinter mir sehen.“ Dann ging die Erregung erneut mit ihm durch.
„Hat man uns endlich gefunden!“, schrie er lachend. „Bei allen Dunkelwolken der Galaxis, fast habe ich die Hoffnung aufgegeben, die grünen Hügel der Erde wieder zu Gesicht zu bekommen. Wo ist Ihr Schiff, Mann, so reden Sie doch schon!“
„Langsam, langsam“, beschwichtigte ihn der Mathematiker. „Diese Fragen werden Ihnen alle beantwortet werden, wenn Sie und Ihre Leute sich erst an Bord des Raumwaffenkreuzers SINGA befinden, der zur Zeit noch draußen im Raum steht.“
Dann fiel Delalander etwas ein.
„Sie sprachen vorhin von 'Überlebenden'! Gab es Tote?“
Kapitän Stolp wurde schlagartig ernst. Er nickte düster.
„Leider. Zweimal versuchten je fünfzig Mann mit Hilfe von Schwerkraftkreiseln in den Raum zu fliehen — wir haben sie nie wiedergesehen.“ John Dunbar fühlte Entsetzen in sich aufsteigen. Vor seinem inneren Auge tauchten die Scharen von Robotern auf, die das Beiboot der SINGA in geometrisch exakte und kleine Flächen zerlegten. Wenn die Männer diesen Maschinen in die Hände gefallen waren ... John dachte diesen Gedanken nicht zu Ende.
Die Brauen über Delalanders Augen bildeten einen waagerechten Strich, als er sagte:
„Ich verspreche Ihnen, Kapitän, dass Sie und Ihre Leute sich innerhalb der nächsten Stunde in Freiheit befinden. Wollen Sie sich solange gedulden?“
„Ich werde“, versprach der Kapitän.
„Gut. Ich werde inzwischen veranlassen, dass man einen Ochsen brät.“
„Nur einen?“, rief Arnold Stolp dröhnend. „Sie vergessen, dass wir dreihundert Männer sind, die zum Teil seit einigen Jahren nichts anderes als Nahrungskonzentrate zu sich nehmen durften!“
„Na“, erwiderte Delalander mit unbewegtem Gesicht. „Vielleicht lässt Captain Corelli mit sich reden und brät den fünfunddreißig Tonnen schweren Diplodocus, den er noch von seiner letzten Jagd auf einer Urwelt in den Kühlräumen der SINGA aufbewahrt.“
„Das“, so erwiderte Kapitän Stolp ernsthaft, „dürfte gerade ausreichen.“ Delalander unterbrach die Verbindung. Nachdenklich starrte er mehrere Minuten auf den Schirm, auf dem das pulsierende Oszillogramm die „Anwesenheit“ des Robotgehirns anzeigte. Dann sagte er:
„Schalte deine Kommunikationszentren auf eine von uns angegebene Frequenz und projiziere Bild und Sprache hier herunter.“
Der Mathematiker gab die Koordinaten der im Raum stehenden SINGA bekannt und die Frequenzen, auf denen die Geräte des Raumwaffenkreuzers ansprechen würden.
Dann warteten sie.
Es war noch immer der gleiche Tommaso Corelli, fand John Dunbar, als das Gesicht des Captains auf der Bildfläche erschien, die gleiche nörgelnde Stimme, dieselben bissigen Bemerkungen. Trotzdem ertappte sich John dabei, dass er so etwas wie Wiedersehensfreude beim Anblick des Captains empfand.
Sollte sich der Spieler Jean le Fou schon derart an das Leben auf der SINGA gewöhnt haben? Fast schien es so.
Delalander berichtete in knappster Form von den Ereignissen, seit sie die SINGA verlassen hatten.
Corelli hörte schweigend zu. Nur hin und wieder stellte er kurze Zwischenfragen. Zum Schluss sagte er:
„Ich bin in vierzig Minuten unten. Warten Sie auf mich. Sonst noch eine Frage?“
Delalander verneinte, aber John schob ihn zur Seite, stellte sich vor den Schirm und sagte:
„Darf ich Sie daran erinnern, Sir, dass wir morgen den 31. August haben!“
„Und?“ Corellis Gesicht war ausdruckslos.
„Zahltag, Sir. Und vergessen Sie auf keinen Fall die eineinhalbtausend Kredite, die Sie mir — leider — noch immer schulden ...“
Während Delalander sich beeilte, den Aus-Knopf des Schirmes zu finden, hörten die beiden Männer noch Corelli lautstark schimpfen und mehrmals das Wort „geldgieriger Bursche“ aussprechen.
*
Die SINGA stand da und warf einen riesigen Schatten. Die untere Polschleuse war offen, die Rampe ausgefahren.
John Dunbar saß in seinem Kontursitz auf der Brücke des Raumers und verfolgte die Einschiffung der rund dreihundert Überlebenden der vier Kartographenschiffe auf einem Bildschirm. Captain Corelli und drei weitere Offiziere nahmen die Männer am Fuß der Rampe in Empfang, sprachen einige Worte mit ihnen und ließen sie vom Schiffspersonal in die provisorischen Unterkünfte geleiten.
Es war ein schwieriges Problem gewesen, die Männer unterzubringen, aber Probleme waren dazu da, dass man sie löste. Leider hatte es sich bei der gestrigen Inspektion herausgestellt, dass keines der vier Kartographenschiffe in der Lage war, jemals wieder von A’schby II zu starten; sie waren total ausgeschlachtet und nur noch leere Hüllen.
John drehte sich in Richtung des Mikrophons und sagte:
„Wie weit seid ihr dort unten, Tony?“
„Wir sind fast fertig, Sir“, ertönte die Stimme Leutnant Tony Hallenbecks aus dem Lautsprecher, der junge Offizier stand oben an der Rampe und verteilte die Männer der Kartographenschiffe.
„Lassen Sie es mich wissen, wenn der letzte Mann an Bord ist, ja!“
„In Ordnung, Sir.“
John Dunbar zündete sich eine Zigarette an und rauchte in nervösen Zügen. Er hatte zu wenig geschlafen. Jetzt fühlte er sich erschöpft. Er blickte zur Seite. Maurice Delalander nickte ihm kurz zu und lächelte. Der Mathematiker saß vor den Leuchtflächen des großen Computers und kontrollierte einige Kursberechnungen.
John nickte zurück. Dann schlossen seine Finger einen Kontakt.
„Sir?“
„Kaffee, Alberth“, sagte John.
„Wie üblich, Sir?“, erkundigte sich der Messesteward.
John schüttelte energisch den Kopf.
„Schwarz“, sagte er, „und heiß wie ein Düsenstrahl.“
„Sofort, Sir!“ Die Bildfläche verdunkelte sich.
Die nächsten zwanzig Minuten waren angefüllt mit Befehlen und Anordnungen. Schließlich lehnte John sich aufatmend in dem schweren Sessel zurück, zündete sich eine neue Zigarette an, stieß den Rauch kräftig aus und schenkte sich den Rest aus der Kaffeekanne in die dickwandige Plastiktasse, die durch den im Boden eingegossenen Magneten unverrückbar fest auf dem spiegelnden Metall des Instrumentenpultes haftete.
Der Lautsprecher vor ihm erwachte zum Leben.
„Mister Dunbar!“
„Sir?“ John konnte auf dem kleinen Schirm Captain Corelli erkennen. „Etwas Besonderes?“
„Sie kommen wohl besser herunter“, antwortete Tommaso Corelli mürrisch. „Hier ist eben eine Delegation der Planetarier aufgetaucht, die unbedingt Sie und Ihren Freund Delalander zu sprechen wünscht. — Nun machen Sie schon!“
John Dunbar erhob sich aus dem Sessel. Er winkte Delalander zu sich herüber, erklärte ihm mit wenigen Worten die Situation, und gemeinsam verließen sie dann die Brücke.
Als sie wenige Minuten später in der unteren Polschleuse aus dem Antigravlift traten, stellten sie fest, dass die Einschiffung beendet war.
John nickte den Männern des Schiffspersonals zu, die damit beschäftigt waren, letzte Hand an die Aufräumungsarbeiten innerhalb der Schleuse zu legen, sprach einige Worte mit Tony Hallenbeck und betrat dann nach Delalander die Rampe.
Tommaso Corelli wartete bereits unten auf sie. Gemeinsam gingen sie dann auf Cefuth und dessen Gefährten zu.
Sie waren mit zwei schwebenden Panzern gekommen, von denen man die Geschütztürme abmontiert hatte. Die pontonförmigen Ungetüme hielten genau an der scharfen Linie, die vom gewaltigen Schatten der SINGA gebildet wurde.
Mit ausgreifenden Schritten gingen die drei Männer auf den hochgewachsenen A’schbyaner zu, der sich von den stählernen Flanken des ersten Panzers herabgelassen hatte und den Terranern entgegenkam. Unmittelbar neben einer der zwei Meter durchmessenden Landestützen der SINGA trafen sie aufeinander.
Cefuth legte die Fingerspitzen in Augenhöhe zusammen und sagte:
„Ich grüße euch, Retter meines Volkes!“
Die drei Männer verneigten sich ebenfalls.
„Wir haben dich erwartet“, richtete Delalander das Wort an den A’schbyaner, und John fuhr fort:
„Du siehst nicht sonderlich glücklich aus, Freund Cefuth!“
Der A’schbyaner breitete die Arme aus und antwortete: „Wir sind gekommen, um euch zu danken — und um Rat zu fragen.“
„Rat, mein Freund?“ John Dunbar war erstaunt. „Welchen Rat könnten wir dir oder deinem Volke geben?“
„Nach Jahrhunderten der Unterdrückung durch unsere ehemaligen Diener sind wir plötzlich wieder frei — und wissen mit dieser Freiheit nichts anzufangen. Ich glaube, der Umschwung kam zu schnell, zu überraschend. Nun stehen wir vor den Trümmern unseres und des Lebens unserer Vorfahren und resignieren. Gebt uns einen Rat, Freunde von Terra! Setzt uns ein Ziel! Wir sind nicht fähig dazu.“
John blickte den A’schbyaner lange Zeit schweigend an. Delalander und Captain Corelli enthielten sich ebenfalls jeder Äußerung.
„Was sollen wir tun?“, erklang wieder die Stimme des A’schbyaners aus dem Tongitter des Übersetzers.
„Ihr müsst versuchen, alles wieder aufzubauen, was im Laufe der letzten drei Jahrhunderte zerstört worden ist“, antwortete John langsam.
„Wie, Freund von Terra?“
„Indem ihr überall dort, wo noch Leute eures Volkes leben, eine Stadt erbaut. Sie soll von Grund auf gebaut werden — nicht auf den Trümmern vergangener Zeiten —, mit Kanälen, Stromversorgung und hellen, lichten Häusern. Ihr habt eine gewaltige Armee unermüdlicher Bauarbeiter zur Verfügung — die Roboter. Sie sollen von jeder dieser Städte Schnellstraßen mit den notwendigen Transporteinrichtungen zu jeder anderen errichten.
Sucht die Samen des letzten Grases! Die der verkrüppelten und zusammengeschossenen und niedergewalzten Bäume! Pflügt die Erde auf, sät das Gras, pflanzt die Schösslinge und leitet das Wasser der unterirdischen Flüsse und Seen über Kraftwerke auf das verbrannte Land.
Baut Schiffe und holt Erde, Samen und Früchte von den anderen weniger betroffenen Planeten und schüttet die bloßliegenden Wunden eures Planeten damit zu. Entfernt den Schrott der zerschossenen Wracks. Schmelzt ihn ein und schmiedet Pflüge daraus und Maschinen, die euch beim Bau der neuen Zukunft helfen. Setzt jeden Robot ein, damit er euch diene. Setzt alle Kräfte ein, damit euer Volk und die Planeten aus der Lethargie der dunklen Jahrhunderte erwachen. Stellt euch Aufgaben und löst sie. Ihr habt eine Verpflichtung — euren Kindern gegenüber. Sie sollen von nun an in der Sonne leben.
Wir kommen wieder, das kann ich versprechen. Wir helfen euch — aber die größte Hilfe muss von euch selbst kommen. Und ihr habt einen Diener zur Verfügung, der über das gesamte Wissen eures Volkes verfügt — das Riesengehirn. Es wartet darauf, dass ihr es benutzt. Es wird euch bei der Ausarbeitung der Pläne helfen. Und nun geht an die Arbeit ...“
*
Auf dem Rechteck der Frontbildfläche sank der Planet A’schby II zurück. Schnell, unglaublich schnell schrumpfte er zu einem Ball zusammen, der zusehends kleiner wurde. Die SINGA glitt senkrecht zur Planetenebene aus dem System hinaus. Innerhalb von dreißig Minuten hatte das Schiff fünfundvierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht. In einer halben Stunde würde die erste Transition erfolgen.
Neben und über John Dunbar arbeiteten die Männer ruhig und gelassen. Ab und zu wurden halblaute Worte hörbar — sonst herrschte Stille. Eine Stille, die erfüllt war vom Raunen und Wispern der Instrumente, dem Knacken und Stöhnen der Verbände.
Eine eigene Welt, erfüllt mit dem pulsierenden Leben einer Besatzung von jetzt vierhundertundvierzig Mann, so verließ die SINGA das System der Sonne A’schby im Sternbild des Schützen.
John führte die Kontrollen durch. Seine Augen sahen angespannt auf die Instrumente, die Bildschirme — dann, nach einer Weile, lehnte er sich in seinem Kontrollsitz zurück.
Vorbei an flammenden Sonnen bewegte sich die SINGA auf jenen Punkt zu, von dem aus sie in den Hyperraum springen würde, der Anfang einer ganzen Kette solcher Sprünge. Am Schluss dieser Kette würde die Erde stehen.
ENDE