Читать книгу Treffpunkt mit dem Killer: Krimi Großband 7/2021 - Alfred Bekker - Страница 10
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ОглавлениеWährend ich den Korridor vor meinem Wohnbüro entlangging, blickte ich seitwärts aus den Fenstern, die zur Rückseite des Brownstone-Baus hin gerichtet waren. Ich hatte freie Aussicht auf einen asphaltierten Parkplatz, auf dem einige Müllcontainer herumstanden. In manch klarer Winternacht konnte man von diesen Fenstern aus Jagd auf Ratten machen, wenn man wollte.
Ich blickte mich sorgfältig um. Aber dort unten konnte ich nichts Verdächtiges erkennen.
Meine 45er Automatik hatte ich aufgehoben, bevor ich mein Büro verlassen hatte. Ich wog sie wie prüfend in der Hand.
Dann hatte ich das Treppenhaus erreicht. Die Aufzüge waren zum hundertfünfzigsten Mal defekt, und es war die Frage, wann die Immobilienfirma, der dieses Haus gehörte, die nötigen paar Dollars dafür springen lassen würde. Drei Stockwerke wären sogar für einen Herzkranken zu schaffen gewesen. Worüber sollte ich mich also beklagen?
An die Bourbon-Flasche, die noch vor der Tür meines Büros im Flur stand, dachte ich erst, als ich schon im Erdgeschoß angelangt war.
Bevor ich die Haustür öffnete, schaute ich die 45er in meiner Faust unschlüssig an. Als könnte sie mir guten Rat erteilen: Der Kerl, den ich suchte, hatte seinen Wagen wahrscheinlich so hingestellt, daß er den Eingang immer im Auge hatte, so daß er den Motor anlassen konnte, sobald seine Komplizen nach draußen traten. Sobald jedoch ich an ihrer Stelle ins Freie trat, würde er wissen, daß seine Leute versagt hatten.
Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf und steckte die Waffe weg. Keine Sekunde mehr Zeit verlor ich: Ich hetzte die drei Stockwerke nach oben zurück und hoffte, daß Mona inzwischen fertig angezogen war. Mir war da so eine Idee gekommen...
Sie schaute mich überrascht an, als ich mit der Bourbonflasche in der Hand hereinstürmte.
Ich übersah die Waffe, die sie auf mich gerichtet hielt, weil sie ja nicht wußte, ob ich das wirklich bin, der da angerannt kam. Ich ignorierte auch, daß sie vergaß, die Waffe jetzt wieder sinken zu lassen.
Ich deutete mit dem Kinn auf die beiden Leichen. "Lockenkopf hat 'ne Menge Sauerei auf meinem Bett verursacht. Das muß alles entfernt werden. Es darf keine Spuren geben."
"Was - was hast du denn vor, Jay? Ich dachte..."
Ich unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. "Da unten wartet ein Komplize von den beiden. Wenn er mich sieht, bevor ich ihn erreiche, ist alles zu spät. Dann wird er davonbrausen und seinem Boss melden, daß es mißlungen ist. Dann haben wir Maldini auch in Zukunft am Hals. Und das nächste Mal werden seine Häscher vielleicht mehr Glück haben."
"Und die Alternative, die dir so vorschwebt?"
Sie hatte das Geschehene erstaunlich gut verkraftet. Oder tat sie nur so? Tapferes Mädchen! dachte ich anerkennend. Aber verlangte ich nicht zuviel von ihr - dennoch?
Ich betrachtete die Flasche. Ein kräftiger Schluck vielleicht?
Nicht jetzt! rief ich mich zur Besinnung.
"Hör zu, Mona, wir haben keine Sekunde zu verlieren. Ich werde mich an den Typ dort unten heranmachen. Du wartest hier oben, bis es gelungen ist..."
"Aber wenn der jetzt schon Verdacht geschöpft hat?"
"Wie denn? Das sind Profis. Die wissen, daß Funksprechgeräte und Handys abgehört und vor allem geortet werden können. Es gibt keine Verständigung zwischen ihm und ihnen."
"Verdammt, was hast du wirklich vor?" Sie wirkte jetzt gar nicht mehr so gespielt cool wie noch vor einer halben Minute.
Ich versuchte ein Grinsen, aber es wurde anscheinend eine fürchterliche Grimasse daraus, denn sie reagierte erschrocken.
"Hör zu, Girlie: Wir haben keine Wahl mehr. Hatten wir vorher zwar auch nicht, aber jetzt geht Maldini sozusagen aufs Ganze. Er wird uns kriegen - uns beide, wohlgemerkt! - wenn wir ihm nicht zuvorkommen. Aber auf normalem Weg gibt es keinerlei Möglichkeit, an ihn heranzukommen. Da hilft nur ein wahnwitziger Plan, und den nehme ich auch nur deshalb in Angriff, weil wir wirklich keine Alternative mehr haben."
"Wahnwitziger Plan?" echote sie alarmiert, aber ich achtete nicht mehr auf sie, sondern riß den Schrank in der Ecke auf. Dort hatte ich einige Utensilien, die zur Ausstattung eines Privatdetektivs gehörten. Es war mehr als nur ein Klischee, daß man manchmal sein Äußeres verändern mußte, um Erfolg zu haben.
Zu den Utensilien gehörte natürlich auch eine Lockenperücke. Ich hatte mehr als eine davon, und ich brauchte nur die, die mich in den Lockenkopf verwandeln konnte, der tot auf meinem Bett lag. Wenigstens auf einige Yards Entfernung sollte man den Unterschied nicht erkennen dürfen.
Ich zog sie mir über den Kopf, kontrollierte kurz im Spiegel und schaute mich dann suchend um.
Klar, die beiden waren mit Jacken gekommen, die sie hier ausgezogen hatten.
"Welche ist die vom Lockenkopf?"
Mona deutete stumm auf die schwarze Lederjacke mit den ausgestopften Schultern und den Puffärmeln, die aus Lockenkopf eine imposante Erscheinung hatten machen sollen.
Mona sagte nichts, weil sie mich lange genug kannte, um zu wissen, daß dies jetzt sowieso nichts genutzt hätte. Wenn ich mir mal was in den Kopf gesetzt hatte... Dabei kam ich nicht einmal im entferntesten auf die Idee, mein wahnwitziger Plan könnte schiefgehen.
Wahnwitzig? Eine nette Umschreibung für etwas, was eigentlich völlig unmöglich war!