Читать книгу Treffpunkt mit dem Killer: Krimi Großband 7/2021 - Alfred Bekker - Страница 8

1

Оглавление

JAY BROWNING, PRIVATE ERMITTLUNGEN ALLER ART - so stand es auf dem Schild an meiner Bürotür. Die Großbuchstaben hatten leider nicht dazu geführt, daß mir die Klienten die Tür einrannten.

In der Linken hielt ich eine halbvolle Flasche Bourbon, die Rechte suchte in der Seitentasche des Jacketts nach dem Türschlüssel. Es war halb vier am Morgen, ich war hundemüde und der Bourbon trug sicherlich auch nicht zu einem klaren Kopf bei. Aber als ich die Kratzspuren am Türschloß sah, war mir klar, daß etwas nicht stimmte.

Innerhalb einer Sekunde war ich hellwach und so nüchtern wie ein reformierter Prediger. Ich stellte die Bourbon-Flasche auf den Boden, nahm mit der Linken den Schlüssel und riß mit der Rechten die 45er Automatik aus dem Schulterholster, das mein Jackett ausbeulte.

Kalte Wut stieg in mir auf. Ich zählte zwei und zwei zusammen. Jemand hatte mir einen unangemeldeten Besuch abstatten wollen, soviel stand fest.

Mein Office und meine Wohnung lagen in der dritten Etage eines etwas heruntergekommenen Brownstone-Hauses in der Lower East Side. Ich hatte die Räume genommen, weil sie nicht viel kosteten, aber das bedeutete auch, das irgendwo gespart worden sein mußte. In diesem Fall vor allem an einer vernünftigen Sicherheitselektronik. Jeder konnte hier rein- und rausgehen, wie er wollte, ohne daß ihn ein Security Guard ansprach. Und die Videoanlage war schon seit Jahren kaputt.

Ich dachte an Mona. Sie war dort drinnen, hatte wahrscheinlich schon geschlafen, als die Eindringlinge gekommen waren.

Ich weigerte mich, mir vorzustellen, was mit ihr geschehen war... Den Umgang mit dem Revolver hatte ich ihr zwar beigebracht, aber bei den Kerlen, die hier eingedrungen waren, handelte es sich um Profis. Dafür sprach schon die Tatsache, daß sie die Tür nicht einfach offen gelassen hatten.

Ich entsicherte die Automatik und drehte vorsichtig den Schlüssel herum. Wenn die Kerle noch hier waren, dann konnte ich nicht vorsichtig genug sein...

Mit dem Fuß stieß ich die Tür auf, riß die Automatik hoch und duckte mich. Blitzschnell ließ ich den Blick durch das Büro schweifen.

Ein Vorzimmer gab es nicht. Es herrschte Halbdunkel. Die Jalousien waren zur Hälfte heruntergelassen. Neonreklamen auf der anderen Straßenseite sorgten für das bißchen Licht. Eine Stecknadel hätte man in diesem Moment fallen hören können. Das Fenster war abgeklappt. Ein kühler Luftzug drang von draußen herein.

Ich machte das Licht an. Im Büro sah es aus, als wäre eine Handgranate gezündet worden. Die Akten hatte jemand aus dem Regal gerissen, und zahllose Belege fürs Finanzamt lagen auf dem Fußboden verstreut herum. Die Anschlüsse von Telefon und Computer waren durchtrennt, die Sesselpolster aufgeschlitzt. Um den Tresor in der Wand hatte sich allerdings niemand gekümmert. Es war zwar ohnehin nichts Wertvolles darin, aber das sah man ihm von außen ja nicht an.

Reine Zerstörungswut war hier zum Ausbruch gekommen. Aber ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, daß es sich bei den Eindringlingen um Diebe handelte...

Ein Geräusch ließ mich erstarren. Es klang wie das Atmen eines Menschen. Ich packte die 45er mit beiden Händen und bewegte mich mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze seitwärts, so daß ich nicht in der Schußlinie stand, wenn sich an der offenstehenden Zwischentür etwas bewegte.

Einen Augenblick später hatte ich die Wand erreicht, preßte mich dagegen und wartete ab.

"Mona?" rief ich dann. Ich bekam eine Antwort, die mich rasend machte. Sie bestand in einem halb unterdrückten Laut, wie er entsteht, wenn jemand zu schreien versucht, den man geknebelt hat.

"Kommen Sie mit erhobenen Händen herein, Browning!" rief eine heisere Stimme. "Aber legen Sie vorher ihre Kanone auf den Boden. Sonst geht es deinem Engelchen schlecht..."

Innerlich kochte ich. Aber es hatte keinen Sinn, gegen Wände zu laufen. Vor allem nicht, wenn Mona in Gefahr war.

Ich hörte ihren unterdrückten Schrei, der mir wie ein Messer ins Herz schnitt.

Diese Hunde! durchfuhr es mich. Wenn sie mit mir eine Rechnung offen hatten, dann sollten sie das auch mit MIR zu Ende bringen.

Aber im Moment hatte ich keine andere Wahl, als nach der Pfeife meines Gegners zu tanzen.

Ich beugte mich vor, legte langsam die 45er auf den Boden. Dabei blickte ich den kleinen Korridor entlang. Ein Wohnzimmer und ein Abstellraum lagen auf der linken Seite. Am Ende befand sich das Schlafzimmer. Dort brannte Licht. In der offenstehenden Tür stand ein dunkelhaariger Lockenkopf mit einem gewaltigen 457er Magnum-Revolver in der Faust und einem zynischen Grinsen im Gesicht.

Ich befand mich in seinem Schußfeld. Wenn er wollte, konnte er mir von einer Sekunde zur anderen das Lebenslicht ausblasen. Aber der Lockenkopf schien mich nicht einfach über den Haufen schießen zu wollen. Noch nicht.

Ich erhob mich, ließ die Handflächen in seine Richtung zeigen und gab der Automatik dann einen Tritt, so daß sie über den Fußboden des Korridors rutschte. Auf halber Strecke blieb sie liegen. Der Lockenkopf hob inzwischen den 457er und zielte auf meinen Kopf. "Komm her, du Ratte. Und versuch keine Tricks, sonst..." Ich hörte ein klatschendes Geräusch, wie von einem Schlag ins Gesicht. Dann ein Wimmern.

Ich wußte jetzt, daß der Lockenkopf nicht allein war. Zumindest ein weiterer Gorilla war bei ihm und quälte Mona.

Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich zermarterte mir das Hirn darüber, was ich tun konnte. Diese Bastarde hatten alle Trümpfe in der Hand.

In einem Futteral am Fußgelenk trug ich noch einen zierlichen 22er-Revolver, aber ich hatte im Augenblick nicht den Hauch einer Chance, an die Waffe heranzukommen. Außerdem durfte ich nichts riskieren. Sie hatten schließlich Mona in ihrer Gewalt.

Ich betrat das Schlafzimmer.

Ich sah gerade noch die von der Seite kommende Bewegung und fühlte im nächsten Moment schon das harte Holz des Baseballschlägers in meinem Magen. Ächzend sank ich zu Boden.

Treffpunkt mit dem Killer: Krimi Großband 7/2021

Подняться наверх