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Оглавление972 Hermann Billung, princeps militiae
„Ich möchte gern, dass mich Bruder Willigis bei diesem wichtigen Ereignis begleitet!“, erklärte Bischof Volkold kurz und bündig dem alten Abt Maurus im Kloster zum Berge. „Er ist mir als tatkräftiger Mensch, frommer Mönch und im Zeichnen begabter Mann aufgefallen.“
Volkold war gerade erst ohne jegliche Begleitung im Kloster angekommen, und selbst der Bruder Portarius erkannte ihn nicht sofort, denn der Bischof trug nur das einfache, schlichte Habit der Benediktiner. Auch Abt Maurus blickte erstaunt auf, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und er eine Weile blinzeln musste, um den Bischof von Meißen zu erkennen.
„Exzellenz – entschuldigt mich, dass ich Euch nicht gleich in dieser ... schlichten ...“
„Schon gut, mein lieber Abt, macht nur darum kein Aufhebens. Mir geht es heute um Wichtigeres!“
Der Abt nickte leicht, hob dann aber auch seine Rechte und deutete auf ein paar Mönche, die eben im Kreuzgang zusammentrafen. Maurus und Volkold hatten ihre Unterredung während des Wandelns auf der anderen Seite begonnen.
„Ich gebe nur zu bedenken, Exzellenz, dass dort drüben Bruder William geht, der als Illuminator hohe Verdienste für unsere Bibliothek erworben hat. Ihr solltet vielleicht mal mit dem Bruder Bibliothecarius sprechen, wenn Ihr ...“
Der Bischof unterbrach ihn mit einer raschen Handbewegung.
„Ich benötige keinen Illuminator, sondern jemanden, der Lage ist, etwas genau zu beobachten und dann aufzuzeichnen. Das Talent von Bruder Willigis ist mir schon bei anderer Gelegenheit aufgefallen.“
„Selbstverständlich, Exzellenz, ganz, wie Ihr es wünscht. Soll ich Bruder Willigis rufen lassen? Wann wollt Ihr aufbrechen?“
„So schnell wir nur irgend möglich. Wir haben keinen sonderlich weiten Weg vor uns, nur hinunter ins Tal und in die Stadt selbst“, erklärte der Bischof und warf schon unruhige Blicke umher, ob denn von Willigis noch nichts zu sehen war. Der Mönch hielt sich jedoch gerade in der Bauhütte auf und sah dem Baumeister zu. Das war seine stille Leidenschaft geworden, und hier im Kloster hatte er die besten Voraussetzungen, den Maurern, Steinmetzen und dem Baumeister selbst bei ihrer Arbeit zuzusehen.
Abt Maurus sprach einen der Mönche an, die den beiden im Kreuzgang begegneten, und kaum eine halbe Stunde später brachen die beiden Männer auf, um in die Stadt zu gehen.
„Es ist etwas im Gange, Willigis, und ich möchte, dass du mit dabei bist. Hast du von Hermann Billung gehört, Kaiser Ottos princeps militiae?“
„Ja, ich habe seinen obersten Heeresführer sogar schon einmal gesehen. Ein beeindruckender Mann. Würde es sich für einen Benediktiner schicken, wäre ich gern beim Pfingstturnier gegen ihn angetreten.“
„Oh, tatsächlich? Was hat dich da bewegt, mein Freund?“
Während die beiden Männer nebeneinander zu Tale schritten, berichtete Willigis von seinem Besuch des Turniers. Natürlich waren zahlreiche Ordensbrüder bei solchen Turnieren anwesend. Wenn auch die Waffen stumpf waren, so geschahen doch immer wieder Unfälle mit schweren Verletzungen. Das Wissen der Benediktiner um Heilkräuter und Wundsalben war da ebenso gern auf dem Turnierplatz erwünscht wie letztlich auch der Beistand eines Geistlichen im Todesfall. Schlimme Unfälle hatte es seinerzeit nicht gegeben, und Willigis bekam ausreichend Zeit, die ritterlichen Turnierkämpfe zu beobachten.
Dabei fiel ihm ein kräftiger Mann auf, der zwar nicht sonderlich hochgewachsen war, aber doch bei jedem Waffengang seine Gegner rasch bezwang. Seine muskulösen Arme schwangen das Schwert oder die Axt scheinbar spielerisch leicht, und die Wettkampfgegner mussten rasch aufgeben, wollten sie nicht riskieren, dass ihre Deckung durchbrochen, ein Schild zerschlagen wurde und sie körperlichen Schaden nahmen.
Besonders brachte es dieser Mann, von dem Willigis erst durch Nachfrage erfuhr, dass es der oberste Befehlshaber des kaiserlichen Heeres ist, auf große Fertigkeiten im Bogenwettkampf. Und da der Mönch, schon seit er laufen konnte, mit dem Bogen umging und sein Ziel noch nie verfehlt hatte, wäre er gern in den Wettkampf eingetreten. Doch hielt er sich zurück und mäßigte sich, wie es von einem Mönch erwartet wurde.
„Gut, du hast ihn also schon einmal gesehen. Jetzt wird aber Hermann, den der Kaiser als seinen Stellvertreter ernannt hat, während er in Italien weilt, tollkühn. Er spielt sich schon eine Weile so auf, als hätte er die kaiserliche Würde selbst empfangen, und ich befürchte das Schlimmste für unseren Herrn, wenn er heute von Erzbischof Adalbert empfangen wird.“
„Eine Verschwörung gegen den Kaiser?“
Bischof Volkold warf dem Freund einen raschen Blick zu, dann zog er die Schultern hoch.
„So weit will ich nicht gehen, Willigis. Aber ich würde mich für die Treue des Heeresmeisters nicht verbürgen. Es scheint fast so, als fände Hermann Billung auch Rückhalt beim Stadtadel.“
„Was wird jetzt meine Aufgabe sein, Volkold?“
„Der Erzbischof wird nicht weiter verwundert sein, wenn ihn der Bischof von Meißen an einem solchen Tag aufsucht. Schließlich habe ich Aldalbert oft genug vertreten, wenn ihn seine Amtsgeschäfte in das noch immer unruhige Böhmen führten. Herzog Bolseslav macht uns dort noch immer große Sorgen. Aber das ist jetzt nicht wichtig für dieses Ereignis. Du sollst dich nur unter dem bischöflichen Gefolge ganz unbefangen bewegen und auch hören, was der Adel erzählt. Halte deine Augen und Ohren offen und berichte mir dann unmittelbar.“
„Das will ich gern tun, aber wie kann ich mich unter den Adligen frei bewegen?“
Volkold lächelte bei seiner Antwort. „Du kennst du den Baumeister Niclas, hast du mir erzählt.“
„Ja, natürlich! Ich habe bei ihm sehr viel gelernt, vor allem, wie man sehr hohe Mauern entwirft und sie sicher ausführen lässt. Aber was ist mit Niclas, ist er Teil einer ... Verschwörung?“
„Keineswegs, der Mann ist ein guter Handwerker, aber nicht an Intrigen interessiert, das weiß ich sehr sicher. Nein, mein lieber Willigis, ich möchte, dass du mit Papier, Winkelmaß und Lot herumgehst und dabei deine Aufzeichnungen machst. Sollte dich jemand fragen, warum du das tust, verweist du auf mich. Du bist mein persönlicher Sekretarius, und wir wollen uns Hinweise einholen, damit wir das bischöfliche Palais in Meißen vollenden können.“
Bei diesen Worten hatten sie die Stadt erreicht, und der Bischof deutete auf die zusammenlaufende Menschenmenge. Aus einer Toreinfahrt trat ein Mann auf sie zu, der den Bischof wohl erwartet hatte.
„Hast du alles besorgt, um das ich dich gebeten habe?“
„Ja, Exzellenz, es ist alles in diesem Sack, was Ihr verlangt habt!“
„Guter Mann, das ist schnelle Arbeit. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Deinen Lohn hast du dir redlich verdient!“ Mit diesen Worten hatte der Bischof einen kleinen Beutel hervorgezogen und händigte dem Mann ein paar Münzen aus, die er mit tiefer Verbeugung empfing. Im nächsten Moment war er schon wieder in der Einfahrt verschwunden, und Volkold reichte den Sack weiter.
„Deine Ausrüstung als Baumeister, Willigis. Zirkel, Senkblei, Zeichenstift – ich hoffe, es ist alles so, wie du es kennst und nutzt!“
Lächelnd zog der Mönch die genannten Dinge aus dem Sack, untersuchte sie kurz und warf ihn sich anschließend wieder über die Schulter, während sie weitergingen.
Von einem der Stadttore erklangen schmetternde Fanfaren, Reiter waren zu erkennen, und die Menschen drängten sich ihnen nun entgegen, um sich nichts entgehen zu lassen.
„Er wagt es tatsächlich!“, murmelte der Bischof zwischen den Zähnen hindurch. „Hermann Billung betritt die Stadt Magdeburg, als wäre er der Kaiser.“
Die beiden Männer eilten durch ein paar kleine Seitengassen, die sie unter Umgehung der Menschenmenge direkt zur kaiserlichen Pfalz bringen würde. Hier wurde es allerdings eng für sie, denn es hatte sich bereits herumgesprochen, dass der Kommandant der kaiserlichen Armee hier durch den Erzbischof empfangen werden sollte. Doch Volkold hielt sich nicht lange auf. Er drängte sich durch die Menge und benutzte dabei auch fleißig seine Ellbogen. Es wurde zwar gemurrt, aber da man natürlich die Kleidung der Mönche erkannte, blieb es bei einigen unfreundlichen, aber leisen Bemerkungen.
Volkold und Willigis hatten kaum die große Halle der Pfalz betreten, als sie auch schon den anschwellenden Lärm auf der Straße vernahmen, der die Ankunft Billungs verkündete.
„Nun sieh dir das an, Willigis! Die kaiserliche Tafel festlich gedeckt, und sogar der Platz des Kaisers wurde freigegeben. Ich hoffe nur, es bedeutet nicht das, was ich jetzt befürchte!“, raunte Volkold dem Freund zu, der ihn jetzt aufgeregt am Ärmel fasste und mit dem Kopf zum Eingang deutete.
„Der Erzbischof persönlich empfängt Billung! Das ist unglaublich – eine Huldigung, als käme unser Kaiser selbst in die Pfalz zurück!“
Die beiden Männer drängten sich an der Wand bis nach vorn und wurden nun Zeugen, wie Hermann Billung mit allen Ehren an die Tafel geführt wurde, seine Ritter sich um ihn sammelten, und er nun, ohne auch nur einen Moment zu zögern, zum Kopf der Tafel schritt und sich auf den Stuhl des Kaisers setzte.
Diese Handlung hatten wohl nur wenige der Anwesenden erwartet, denn für einen winzigen Augenblick trat eine atemlose Stille ein, in der man Billungs Worte deutlich bis in den letzten Winkel vernahm.
„Schafft mir den Wein des Kaisers her, ich bin durstig und will mich erfrischen!“
Das nun einsetzende Gemurmel unter den versammelten Adligen hörte sich für Willigis an wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm. Ein durchaus vertrautes Geräusch für den Mönch, der so häufig die klösterlichen Wälder durchstreifte, um etwas Wild zu erlegen. Er hatte das Glück, mehrfach auf Bienenvölker zu stoßen, die in den hohlen Bäumen ihre Waben in Sicherheit glaubten.
Nach und nach füllte sich die Tafel, und diejenigen, die nicht zum Essen eingeladen waren, nutzten die Zeit, um im großen Saal des Palas auf und ab zu gehen und sich mit den Begleitern Billungs zu unterhalten.
Volkold und Willigis trennten sich nach einer Weile und vereinbarten, sich nach einem Rundgang wieder in der Nähe des Eingangs zu treffen. Willigis hielt zwar seinen Zeichenstift und das Papier in der einen Hand, den Winkel in der anderen, und das Lot hatte er an seinem Habit befestigt, aber niemand nahm von ihm Notiz. Das Habit eines Mönchs allein wies ihn schon aus, und keiner der Adligen sprach ihn an, denn die Begleiter des Heerführers versprachen da viel interessante Themen.
Nach einiger Zeit trafen die beiden Freunde am Eingang zusammen, und Volkold wollte gerade etwas sagen, als er zusammenzuckte und kreidebleich wurde. Dann drehte er seinen Kopf zur Seite und raunte Willigis zu: „Da kommen drei Männer auf den Eingang zu. Siehst du den in der Mitte?“
„Ja, er hat einen mächtigen Bart und geht, als wolle er sich gleich auf sein Opfer werfen. Das Schwert an seiner Seite macht das Bild eines wichtigen Kriegers vollständig für mich. Wer eine solche Waffe besitzt, kann auch mit ihr umgehen.“
„Ich kann mich nicht zu ihm umdrehen, Willigis. Du musst dir sein Gesicht genau einprägen. Wenn er eine große Narbe durch den Bart zu verdecken sucht, habe ich mich nicht geirrt.“
Die drei Männer bahnten sich rücksichtslos ihren Weg durch die Stadtadligen, die ihnen empörte Blicke nachwarfen. Willigis hatte sich so gestellt, dass sie ihn fast berühren mussten, als sie an ihm vorüberschritten. Doch keiner der drei Männer beachtete den Mönch, der sich ihnen jedoch sofort anschloss und dicht hinter ihnen zur kaiserlichen Tafel folgte.
Der Mann mit dem dichten, schwarzen Bart, der ihm bis weit auf die Brust reichte, hatte tatsächlich eine feuerrote Narbe quer über sein Gesicht. Sie begann über dem linken Auge und zog sich über die Nase bis hinunter zum Kinn. Das Auge schien bei diesem Hieb auch in Mitleidenschaft geraten zu sein, denn Willigis erkannte eine leichte Trübung, als der Bärtige zufällig in seine Richtung blickte, ohne den Mönch dabei wahrzunehmen. Noch wollte er nicht zum Bischof zurückkehren, sondern möglicherweise noch hören, was der Mann seinem Kommandanten zu berichten hatte, denn er blieb unmittelbar vor Billung stehen.
„Contz, mein treuer Hauptmann!“, wurde er von Hermann Billung begrüßt. „Was gibt es zu berichten? Ist unser Freund eingetroffen?“
„Der Kaiser ist ...“, vernahm Willigis noch den Beginn seiner Antwort, aber dann beugte sich der Bärtige zum Ohr seines Befehlshabers und sprach mit gedämpfter Stimme.
Nach kurzer Zeit lachte Billung dröhnend laut auf, schlug auf den Tisch und sagte: „Dann nimm dir ein Dutzend der besten Männer und mach dich auf den Weg, Contz. Aber hüte dich vor diesem Seyfried, mein Freund. Der Mann ist immer in seiner Nähe und sehr schnell mit dem Schwert. Und im Gegensatz zu seinem Namen ist er alles andere als friedvoll!“
„Keine Sorge, Hermann!“, antwortete der Narbige und lachte ebenfalls laut. „Der wird schon nicht zu kurz kommen, wenn ich ihm meine Klinge durch den Hals renne.“ Damit drehte er sich so plötzlich herum, dass Willigis heftig zurückspringen musste, wollte er nicht mit ihm zusammenstoßen.
„Mach dich davon, Mönch!“, knurrte der Narbige und verpasste dem Mönch noch einen Stoß gegen den Oberarm.
„Heh!”
„Was schleichst du dich hier überhaupt bei meinem Herrn an der Tafel herum?”
„Nun...”
„Die Beichte wird er gewiss erst dem Teufel ablegen!“
Und mit erneutem, unangenehm lautem Lachen, in das seine beiden Begleiter einfielen, eilte er zurück zur Tür, wo Volkold inzwischen seinen Platz verlassen hatte und die drei hinter einer Säule beobachtete.
„Er hat eine Narbe, die er aber geschickt mit dem dichten Barthaar versteckt!“, sagte Willigis, als er hinter den Bischof trat. Der war jedoch noch so in seine Beobachtung vertieft, dass er erschrocken zusammenzuckte.
„Ich habe es gewusst, als ich ihn nur flüchtig sah, ebenso flüchtig, wie ich seine Gesichtszüge wahrgenommen habe, bevor ich in tiefe Ohnmacht sank. Kein Zweifel mehr, das ist der Mann, der Anführer einer Räuberbande. Wie kommt der jetzt in den Dienst von Hermann Billung? Komm, lass uns hier verschwinden, ich kann die Worte des Erzbischofs nicht ertragen!“
Mit diesen Worten zog Volkold am Ärmel seines Freundes, und so rasch es ihnen möglich war, verließen sie den Palas, in dem Erzbischof Adalbert gerade eine großartige Rede auf den kühnen Heerführer angestimmt hatte.
Das wird böse Folgen nach sich ziehen!, überlegte Willigis, als er hinter dem Bischof her eilte. Der Erzbischof begrüßt den kaiserlichen Heerführer mit allen Ehren, die nur dem Kaiser zustehen. Er hält eine Rede in der Pfalz des Kaisers an der Tafel des Kaisers, und der so Geehrte sitzt auf dem Platz des Kaisers!
Als sie wieder auf dem Hof standen, sahen sie die drei Männer gerade auf ihren Pferden hinunter in die Stadt reiten, und jetzt hielt Willigis den Augenblick für gekommen, Volkold das Gehörte zu berichten.
„Hat Billung wirklich den Namen Seyfried erwähnt? Herr des Himmels, wenn das nicht ... komm rasch, wir müssen wieder zu dem Mann, der dir die Sachen aushändigte. Wir brauchen zwei Pferde, denn jetzt wird es auf die Stunde ankommen, wenn wir ein größeres Unheil verhindern können!“
Ohne weitere Erklärung eilte Volkold voraus, und als sie den Hof betraten, war auch der Vertraute des Bischofs sofort wieder zur Stelle.
„Zwei Pferde, rasch, es geht um Leben und Tod!“, rief Volkold ihm zu, und der Mann zögerte keinen Moment, pfiff auf zwei Fingern und gab den beiden Knechten, die verwundert aus dem Stall sahen, der den Hof zur einen Seite abschloss, Anweisungen. Willigis wunderte sich einmal mehr darüber, wie gut der Bischof hier Bescheid wusste und seine Helfer hatte. Aber wenig später wurden zwei prächtige Stuten, fertig gesattelt, herausgeführt, und die beiden mussten ihr Habit raffen, um in den Sattel steigen zu können. Dabei bemerkte Willigis, dass Volkold auch hier vorbereitet war. Er konnte sein Gewand nicht nur leicht aufknöpfen, sondern schlug die Seiten über die Oberschenkel, wo sie mit einer Schnalle gehalten wurden.
Das muss ich mir für eine spätere Gelegenheit merken! Wer weiß, ob ich nicht öfter reiten muss, wenn mir Volkold derart vertraut und offenbar im Auftrag des Kaisers Dinge für ihn erledigt, die ein Bischof sonst nicht tun würde. Mir soll es nur recht sein, wenn ich damit die Gunst des Kaisers erlange!
Aber Willigis kam aus dem Erstaunen nicht heraus.
Schon nach kurzer Zeit waren sie auf der Fernhandelsstraße nach Braunschweig unterwegs. Es begann bereits zu dämmern, als sie die Wegkreuzung erreichten, an der Volkold damals das Ochsengespann anhalten ließ. Diesmal folgte er dem schmalen Pfad direkt, allerdings in gebückter Haltung. Dicht zusammenstehende Bäume mit ihren niedrigen Ästen behinderten die Reiter, aber erst nach einer ganzen Strecke war der Bischof bereit, aus dem Sattel zu steigen. Von hier aus ging es noch eine ganze Weile zu Fuß durch den Wald, wobei sie ihre Pferde führten und Willigis sehr genau auf den Weg achten musste, um nicht ständig über eine Wurzel zu stolpern.
Dann stieg ihm der Geruch von Feuer in die Nase, und wenig später standen sie auf einer Lichtung im Wald, auf der zahlreiche Bewaffnete um ein Feuer lagerten. Eine ausgestellte Wache hatte sie angerufen, und der Name Volkold genügte, um sie passieren zu lassen.
Vor dem Feuer stand inmitten einer Gruppe Soldaten ein breitschultriger, großer Mann, dessen dunkle Haare bis auf die Schultern herabfielen. Seine Züge wurden vom Feuer hell erleuchtet, und als sich die beiden Männer näherten, stellte sich ein Mann vor den anderen, der kaum kleiner als er selbst war.
„Es ist gut, Seyfried, das ist nur der Bischof von Meißen und ein Mönch!“
„Wenn Ihr ihn kennt, Herr, bin ich ruhig!“, antwortete der Mann, der die Hand auf seinen Schwertknauf gelegt hatte.
Der Kaiser inmitten des Waldes und so dicht vor Magdeburg? Was hat das zu bedeuten? Hatte nicht Volkold noch kürzlich erwähnt, dass sich der Kaiser noch in Italien aufhielte?, überlegte Willigis blitzschnell, während er in die ehrerbietige Begrüßung versank, die auch der Bischof gerade vor dem Kaiser ausführte. Der aber legte ihm die Hand auf die Schulter und rief mit lauter Stimme: „Bischof Volkold, was für eine Freude! Du scheinst mir direkt aus Magdeburg zu kommen. Ist es denn wahr, was mir meine Kundschafter schon meldeten? Dieser Hermann Billung wagt es tatsächlich, in die Stadt einzuziehen, als hätte er meinen Thron bestiegen?“
„So ist es, Herr Kaiser, und erlaubt mir, diesen Mönch Euch vorzustellen. Es ist Willigis, ein überaus begabter Mönch, der mir das Leben gerettet hat und mein guter Freund wurde.“
Der Kaiser musterte Willigis mit freundlichem Blick, gab einen Wink zu seinen Männern und wartete ab, bis man den beiden Neuankömmlingen einen Becher Wein in die Hand gedrückt hatte.
„Na, also, Willigis, was hast du in der Stadt erlebt?“
„Herr Kaiser, ich wurde Zeuge, wie ein Mann, der von Billung mit den Namen Contz angesprochen wurde, einen Auftrag vom Kommandanten erhielt. Ich bin nicht schlau aus seinen Worten geworden, reime mir aber jetzt zusammen, dass es um Euch ging. Der Name Seyfried wurde von Billung auch genannt, und dieser Contz, der eine fürchterliche Narbe quer über das Gesicht aufweist, lachte nur und meinte, er würde ihm schon das Schwert durch den Hals stoßen!“
„Was?“, stieß der Genannte aus und hatte schon sein Schwert zur Hälfte gezogen, als stände sein Feind bereits vor ihm.
„Wiederhole genau, was du vernommen hast, Willigis!“
„Das war nicht sonderlich viel, Herr Kaiser. Contz begann laut mit den Worten: Der Kaiser ist ..., dann sprach er direkt in das Ohr Billungs. Der befahl ihm, zehn ausgewählte Männer zu nehmen und sich vor Seyfried zu hüten.“
Kaiser Otto strich sich über das Kinn.
„Uns ist der Sinn dieser Worte schon klar, und ich denke, dass auch Seyfried weiß, was sie zu bedeuten haben.“
„Herr Kaiser, ich habe es befürchtet und Euch gewarnt, als wir diesen Contz gestern auf der Fernstraße mit seinen Reitern entdeckten. Jetzt bitte ich Euch, lasst mich ausziehen mit meinen Männern, ich ahne, wo ich ihn zu fassen bekomme!“
„Gut, das haben wir ja schon besprochen, Seyfried. Aber kein unnötiges Risiko. Wir wollen ihn fassen, aber nicht tot wissen. Er kann Uns mehr nutzen, wenn er lebt!“
„Wie Ihr befohlen habt, Herr Kaiser!“, rief der Hauptmann aus, und gleich darauf war er in der Dunkelheit verschwunden.
Willigis wunderte sich, dass nur wenige Männer vom Feuer verschwunden waren, nahm aber an, dass sich weitere etwas abseits vom eigentlichen Platz bei den Pferden aufgehalten hatten.
„Du bist also der Mönch Willigis!“, stellte Kaiser Otto fest, indem er sich direkt an ihn wandte. „Volkold hat Uns schon von dir erzählt und vor allem von deinen Studien bei den Bauhütten. Das freut Uns, wenn ein Mönch sich für mehr interessiert als nur das Beten und Fasten. Gesetzt den Fall, Willigis, du bekommst die Möglichkeit dazu. Was würdest du dann wohl errichten lassen?“
Willigis zögerte einen Moment, dann antwortete er: „Mein Kaiser, mein Traum wird ein Traum bleiben. Ich möchte eine Kathedrale errichten lassen, eine große, schöne, zu Gottes Lob und des Kaisers Ehre!“ Damit sank er vor Otto in die Knie.
„Erhebe dich, Willigis, Wir sind dir sehr verbunden für deine genaue Beobachtung des Geschehens in Unserer eigenen Pfalz und werden Uns nun ein wenig genauer mit Unserem Heerführer und seinem seltsamen Auftreten beschäftigen müssen. Aber Wir haben uns durchaus deinen Namen gemerkt, Willigis!“
In dieser Nacht gelang es Hauptmann Seyfried, den zwischen Magdeburg und dem versteckten Lagerplatz des Kaisers lagernden Contz und seine Männer zu umzingeln und zu entwaffnen.
Als man die Männer am nächsten Tag nach Magdeburg brachte, musste Seyfried feststellen, dass Hermann Billung nicht nur in der kaiserlichen Pfalz gegessen und geschlafen hatte, sondern sogar das Bett des Kaisers benutzte.
Er wurde festgenommen, allerdings ließ Kaiser Otto Gnade walten und schickte seinen Kommandanten nur mit der Auflage auf dessen Burg, sie in keinem Falle zu verlassen, bis ihn der Kaiser rufen würde.
Die Männer um Contz, die einen Anschlag auf den Kaiser geplant hatten, leugneten aber jede Beziehung zu Billung. Leider hatte es sich rasch herausgestellt, dass der Narbige nicht unter den Gefangenen war. Er musste die Dunkelheit für seine Flucht genutzt haben.