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8.


Das kurze Glück der Küchenmagd Gerlin

„Fast ein Jahr an deiner Seite!“, flüsterte Gerlin glücklich in sein Ohr und hauchte gleich darauf einen Kuss auf seine Wange.

„Obwohl ich dir wegen deiner Eigenmächtigkeit ja zürnen müsste!“, antwortete Willigis lächelnd. „Du hättest mich damals in Gegenwart des Kaisers in arge Verlegenheit bringen können!“

„Aber Liebster, das lag nie in meiner Absicht, das weißt du aber! Nur war die Entfernung zwischen uns so ... schier unüberwindlich, und ich habe daher die Gelegenheit ergriffen, als eine Küchenmagd gesucht wurde. Aber wenn du es bereust, dann gehe ich wieder zurück nach Meideborg (Magdeburg) und werde dort ...“

Sie lachte fröhlich auf, als Willigis sie an sich zog und küsste.

„Und unser Kind?“, erkundigte er sich, tastete mit seiner warmen, weichen Hand über ihren gewölbten Leib und küsste sie noch einmal.

„Das wird bald fröhlich seinem Vater ins Antlitz krähen! Ich habe mich mit Agnes, der von dir ausgesuchten Hebamme, unterhalten und auch der Anwesenheit des Medicus zugestimmt. Beide sind der Ansicht, dass in spätestens zwei Wochen das Kind geboren wird.“

„Gut, wie du ja weißt, sind alle Vorbereitungen dafür getroffen worden. Ich sorge für das Kind, so dass es wohl behütet von deiner Liebe aufwächst und eine gute Ausbildung erhält. Sollte es ein Mädchen werden, sorge ich bis zu seiner Verheiratung dafür. Aber niemals – hörst du, zu keiner Zeit – darfst du auch nur andeuten, wer der Erzeuger deiner Leibesfrucht ist!“

„Ja, Willigis, das weiß ich alles und habe mich gefügt. Es soll dir niemand nachsagen können, dass du dich nicht ausreichend der Heiligen Mutter Kirche widmest, weil du eine Frau an deiner Seite hast. Wir haben oft und oft darüber gesprochen!“

Willigis betrachtete sie liebevoll.

Gerlin war am Vorabend über den geheimen Gang hinter dem Stall in sein Schlafgemach geschlichen und erwartete ihn dort im Dunkeln. Als er eintrat, erkannte er sofort ihr helles Untergewand, das sich vom Lager deutlich abzeichnete.

„Ich habe Angst!“, flüsterte sie, als er sich zu ihr legte und sie in den Arm nahm. Willigis spürte ihr Zittern und drückte sie sanft an sich.

„Hast du ihn wieder gesehen, Gerlin?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, er schleicht ständig um mein Haus. Warum tut er das, Willigis? Warum verfolgt er mich?“

Der Erzbischof seufzte tief auf.

„Ich kenne seine Motive nicht, aber ich vermute, dass er mir mein Amt neidet und nach einer Möglichkeit sucht, mir zu schaden. Das war schon im Kloster so, wo wir gemeinsam lebten und arbeiteten.“

Gerlin kuschelte sich in seine Armbeuge. „Kannst du ihm nicht befehlen, die Stadt zu verlassen?“

Er schnaufte verächtlich.

„Das habe ich längst getan, Liebes. Aber William hat den Orden verlassen, wie mir unser Abt Maurus kürzlich schrieb. Ich hatte ihn darum gebeten, ihm die Rückkehr in das Kloster zum Berge zu befehlen. Aber du musst keine Angst vor William haben. Er ist verrannt in seine Idee, mir schaden zu wollen, wird aber mit keiner Anschuldigung, die er vorbringen könnte, Gehör finden.“

Bei diesen Worten fiel sein Blick auf den kleinen Tisch, auf dem das heute eingetroffene Wappenschild lag. Er erhob sich rasch, um Gerlin abzulenken, und zeigte ihr die auf Holz ausgeführte Arbeit.

„Mein persönliches Wappen!“, bemerkte er dazu, und Gerlin betrachtete lange Zeit die Darstellung. Es zeigte auf kräftiger roter Farbe ein silbernes Rad und ein Kreuz.

„Es gefällt mir, Willigis, aber ich habe so etwas noch nie gesehen. Wozu braucht man ein Wappenschild, und warum hast du diese beiden Zeichen dazu verwendet?“

Der Erzbischof lächelte und nahm ihr das Brett wieder aus der Hand.

„Du weißt, dass ich nicht von adliger oder vornehmer Herkunft bin. Mein Vater war ein einfacher Wagner, also ein Stellmacher, wie man auch zu sagen pflegt. Er fertigte die Räder für verschiedene Fuhrwerke an, war ein ordentlicher und rechtschaffener Handwerker. Es gibt nun zwei Gründe für die Wahl dieses Zeichens, das künftig in meinem Palais an jeder Tür angebracht wird. Der eine Grund ist, dass ich damit das Andenken meines Vaters ehren will. Der andere betrifft ein Ereignis unmittelbar nach meiner Wahl zum Erzbischof und der Ernennung durch den Kaiser.“

Willigis schwieg für einen Moment und starrte vor sich hin, bis Gerlin ihm zärtlich über die Haare strich und er wie aus einem Traum zu erwachen schien.

„Sie haben es mir nicht gegönnt, die vornehmen Herren von Mogontiacum. Eines Morgens fand ich mit Kreide an meine Haustür geschmiert den Spruch: „Willegis, Willegis, denk, woher du kommen sis“. Man verspottete mich also ob meiner Herkunft, aus der ich nie ein Geheimnis gemacht habe. Nun gut, dann bekenne ich mich zu meiner Herkunft auf diese Weise, die ein jeglicher fortan von Weitem sehen wird, wenn ich ihn in mein Palais bitte. Das Zeichen wird künftig mein Sattelzeug schmücken, und sollte ich jemals ein Gefährt für meine Reisen benutzen, wirst du es dort ebenfalls angebracht finden. Jedermann soll wissen, dass Erzbischof Willigis seine Herkunft nicht leugnet, sondern sie vielmehr sichtbar macht.“

Gerlin zog seinen Kopf zu sich heran und küsste ihn zärtlich, schließlich flüsterte sie: „Mein armer Erzbischof, du tust mir leid, dass du solche Dinge in deiner neuen Heimat erleben musst. Aber ich stehe treu an deiner Seite, und auch dein Kind wird das in der Zukunft tun!“

Willigis erwiderte nichts, sondern lauschte einem fernen Ton.

„Das war der Ruf eines Hahns, Gerlin, wir müssen aufbrechen. Ich bringe dich selbst wieder zurück in dein Heim! Und sobald du merkst, dass die Wehen einsetzen, rufst du die Hebamme und den Medicus, hast du das verstanden? Du hast dafür zwei Frauen im Haus, die Handreichungen machen können!“

Der Erzbischof hatte sich auf den Rand ihrer Bettstatt gesetzt und fühlte jetzt plötzlich einen Arm, der sich von hinten um seine Brust schlang. Gerlin presste sich fest an ihn, und ihr warmer Atem in ihrem Nacken erregte ihn.

„Komm, wir müssen aufbrechen, ehe die Sonne zu hell scheint. Vergiss nicht deinen Überwurf!“

Wenig später huschten zwei Gestalten, in weite Überhänge gehüllt und mit einer Kapuze über dem Kopf, über den Flur, öffneten dort die geheime Tür und betraten den Geheimgang. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft seiner Geliebten hatte Willigis jetzt hier ständig mehrere Öllampen brennen, damit sie im Notfall eilig das Haus verlassen konnten. Heute war alles so, wie stets in den vergangenen Monaten, und so rasch Gerlin gehen konnte, ohne dass es ihr Mühe bereitete, eilten sie durch die menschenleeren Straßen zu dem kleinen Häuschen, das der Erzbischof für sie gekauft und ausgestattet hatte, als ihnen klar wurde, dass ihr Liebesleben nicht ohne Folgen bleiben würde.

Noch ein rascher, flüchtiger Kuss, dann öffnete Gerlin die Haustür und verschwand, während Willigis nur einen Moment noch verharrte. Ein rascher Blick nach beiden Seiten, dann eilte er durch die schmale Gasse zurück zu seinem Wohnsitz.

Aber Gerlin hatte sich die dunkle Gestalt, die sich häufig in der Gasse vor ihrem Wohnhaus zeigte, ohne dass sie jemals einen Blick auf das Gesicht erhaschen konnte, nicht eingebildet. Auch jetzt stand sie in einem Hauseingang und schien nur darauf gewartet zu haben, dass Gerlin nach dieser Nacht zurückkehrte. Noch einen Moment wartete sie ab, bis die Schritte des Erzbischofs verklungen waren. Dann stand sie vor der Haustür und lauschte. Noch ein rascher Blick nach beiden Seiten, und mit einer dünnen, scharfen Klinge fuhr der Unheimliche zwischen das Holz, stocherte eine Weile dort herum und hatte schließlich Erfolg.

Der kleine, schmale Riegel, mit dem Gerlin die Tür von innen verschlossen hatte, wurde lautlos angehoben, die Tür nach innen aufgedrückt und gleich darauf wieder verschlossen.

Im Flur stand der Eindringling lauschend und vernahm über sich Schritte im ersten Stockwerk. Geräuschlos schlich er sich die Holztreppe hinauf und stand eben vor der nur angelehnten Türe des Schlafgemaches, als Gerlin sie öffnete und mit einem Schrei zurückfuhr.

„Was ... was machst du in meinem Haus? Verschwinde auf der Stelle, oder ich schreie laut um Hilfe. Die Stadtwache wird dir ...“

Blitzschnell war der Eindringling bei Gerlin, presste ihr eine Hand auf den Mund und hielt ihr mit der anderen die Messerspitze an die Kehle.

„Einen Laut von dir und ich steche dich hier sofort ab! Bis deine Mitbewohner etwas hören, bist du tot und ich längst verschwunden!“

Die Augen des Unheimlichen schienen sie förmlich unter der Kapuze anzuglühen, und Gerlin überlegte fieberhaft, was sie gegen den Mann unternehmen konnte. Sie spürte, wie er ihr die Spitze des Messers in die Haut stieß und wusste in diesem Augenblick, dass sie sterben würde. Aber kampflos wollte sie nicht aufgeben. Trotz ihres unförmigen Körpers gelang es ihr, kräftig gegen das Schienenbein des Angreifers zu treten, so dass der für einen Moment zurücktaumelte.

„Du bist die Hure Babylon, hast ihn verführt und wirst dafür jetzt in der Hölle schmoren! Indem ich dich und euer Kind töte, töte ich auch ihn! Das wird meine Rache sein, im Namen des Herrn, denn ich bin sein Fronbote!“, kreischte William mit seiner unangenehmen Stimme und versuchte, Gerlin zu greifen.

Gerlin drängte ihn beiseite, riss die Tür zum Flur auf und stieß einen Hilfeschrei aus.

Doch fast gleichzeitig spürte sie einen stechenden Schmerz im Nacken, der sie auf die Knie stürzen ließ. Ein zweiter Schmerz ging von ihrer Hüfte aus, raste durch den Körper und füllte ihr gesamtes Denken aus. Hilflos ruderten ihre Hände in der Luft, versuchten vergeblich, etwas zu greifen.

Dann traf sie der nächste Hieb, und Gerlin versank in tiefe Dunkelheit.

Tore aus Bronze – Die Trilogie

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