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Baubeginn einer Kathedrale, die Roms würdig wäre
Die beiden Männer waren an diesem Tag erneut zusammengekommen, um sich ein Bild von der Baustelle zu verschaffen. Hier stand nun Berenger, nur mit einem Hemd, seiner Bruche und den Beinlingen bekleidet, eine einfache Filzkappe auf dem Kopf, neben dem Erzbischof Willigis und staunte über das Treiben auf dem Bauplatz. Man hatte bereits mit großen Fichtenstämmen den Umriss der Grube gekennzeichnet, und während auf der einen Seite Männer dabei waren, eine Bauhütte zu errichten, auf der anderen sich vor einem einfachen Tisch eine lange Menschenschlange gebildet hatte, begannen die Tagelöhner bereits mit dem Ausheben des Bodens.
„Dort drüben wird die Krypta entstehen, hier verlaufen die Außenmauern. Dort dann das Querschiff, später der Vierungsturm und am Chor, einem quadratischen Bau, noch die Apsis. Kannst du dir das vorstellen, Berenger?“
Der Bronzegießer betrachte das Treiben eine Weile stumm und mit weit aufgerissenen Augen. Dann wandte er sich zu Willigis und begann: „Verzeiht mir, Exzellenz, dass ich Euch auf der Begräbnisstätte so wenig Respekt zukommen ließ. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich den Erzbischof selbst dort antreffen würde. Aber was Ihr mir gestern bei unserem Gespräch in Eurem Palais mitgeteilt und gezeigt habt, dann heute die Wirklichkeit – das alles verwirrt mich sehr und macht mich auch ein wenig ... besorgt, wenn ich das einmal ehrlich sagen darf.“
Willigis blickte etwas verwundert zu Berenger. „Also, Berenger, das verstehe ich nun wirklich nicht!“
Der Handwerker war sichtlich verlegen und suchte nach Worten. Schließlich seufzte er tief auf, deutete über das Treiben und sagte endlich: „Das alles, Euer Gnaden, wird viele, viele Jahre Arbeit bedeuten. Ich kann feine Goldschmiedearbeiten herstellen und alles, was aus Bronze gefertigt wird. Eure Idee, für diesen gewaltigen, neuen Dom einst die Türen zu schaffen, ehrt mich sehr. Doch wie soll ich bis zu dem Tag, an dem die Türen benötigt werden, meine Frau und mich ernähren? Wovon sollen wir leben, wenn wir wieder ein Kind haben? Verzeiht mir meine offenen Worte, aber ich kann nicht so viele Jahre mit Warten verbringen!“
„Wie alt bist du jetzt, Berenger? Ich frage das, weil ich die grauen Haare sehe, und dazu passt weder dein Gesicht noch dein Blick aus noch jungen Jahren!“
„Ich habe in diesem Jahr mein drittes Lebensjahrzehnt begonnen, Herr.“
„Wunderbar, Berenger. Ich bin dir schon fünf Jahre voraus, und doch vertraue ich in Gott, unseren Herrn, dass es mir vergönnt sein wird, die Vollendung dieses Baus zu erleben. Und keine Sorge, mein Freund! Ich sehe in unserer Begegnung auf dem Begräbnisplatz ein Zeichen, das uns Gott gesandt hat. Wir trauern gemeinsam um unsere Toten und begegnen uns dabei. Mein Traum, hier in Mogontiacum eine Kathedrale zu erbauen, die der Peterskirche in Rom entspricht – nein, mehr noch, diese Stadt zum neuen Rom im Kaiserreich zu machen – wird sich erfüllen, Stück für Stück. Und du, Berenger, mein Bruder im Schmerz, wirst deinen Anteil dazu schaffen können, indem du die schönsten Türen anfertigst, die je ein Gotteshaus zierten.“
„Ja, Eure Exzellenz, das will ich wirklich gern und wahrhaftig tun, und ich zweifle auch nicht daran, dass es Euch gelingen wird – aber die Zeit! Ich muss für meine Hildegard sorgen, und ...“
Berenger verstummte, als er die erhobene Hand des Erzbischofs sah.
„Von hier aus ist der kleine Turm von St. Leonhard nicht zu sehen, mein Freund. Die Kapelle befindet sich am anderen Ende der Stadt und macht einen traurigen Eindruck. Aber dort arbeiten bereits die Maurer und Mörtelmischer seit gut vier Wochen für mich. Ich möchte diese Kapelle erhalten, denn sie liegt am Rande einer wichtigen Fernstraße und wurde, wie mir berichtet wurde, früher gern von Wanderern aufgesucht. Dort sollst du deine erste Arbeit für mich vollenden, die Kapelle soll eine Bronzetür erhalten, für die du dir Zeit lassen sollst. Wenn ich von Zeit rede, dann meine ich, dass du dort alles probieren sollst, was du später bei der Kathedrale noch gewaltiger, noch größer und noch schöner vollendest.“
„Herr, ich bin ... dankbar!“, stammelte Berenger und wollte die Hand des Erzbischofs greifen, die ihm Willigis aber rasch entzog.
„Halt, nicht so eilig, Berenger! Diese Arbeit wird natürlich nicht so lange dauern, bis meine neue Kirche die Türen benötigt. Deshalb werde ich dich weiterempfehlen, dich zu anderen Bischöfen senden und sie bitten, dir Arbeit zu geben. Das wird zunächst in Magdeburg sein, dann aber schicke ich dich zu meinem guten Freund, dem Bischof Volkold nach Meißen. Wenn du dann noch einige andere Kirchen mit deiner Kunst versiehst, wirst du nicht nur ausreichend zu tun haben, dabei deine Fertigkeiten vervollständigen können, sondern zudem auch dein Leben fristen können. Was meinst du nun?“
„Herr Erzbischof, ich bin ... sprachlos!“, stammelte Berenger erneut. „Dabei habt Ihr noch nichts von mir gesehen als die armseligen Reparaturen, die ich vorgenommen habe, und doch wollt Ihr mich über viele Jahre bezahlen – das ist sehr, sehr edelmütig von Euch, aber ich habe ein schlechtes Gewissen Euch gegenüber, ohne die Ablieferung auch nur einer Probearbeit!“
Jetzt war es an Willigis, herzlich aufzulachen.
„Aber Berenger – kein Wort von einer Probearbeit! Ich frage dich noch einmal – warum glaubst du, hat uns der Herrgott in unserem Schmerz zusammengebracht? St. Leonhard soll deine Probearbeit werden, die ich dir gut bezahle. Ich verlange nur von dir vorher eine Zeichnung, bevor du mit der Arbeit beginnst.“
„Eine Zeichnung, Herr – von der neuen Tür?“
„Ja? Oder macht dir das Zeichnen Schwierigkeiten?“
„Aber nein, Herr Erzbischof ... Exzellenz ... Euer Gnaden ... wenn ich nur ... wenn ich nur ...?“
„Was?“, erkundigte sich Willigis lächelnd, denn er sah das aufglimmende Feuer in den Augen Berengers, das ihm verriet, wie begeistert der Fusarii bereits schien. „Wir gehen hinüber zu Luciano, dem Meister der Baurotte aus der Lombardei. Du wirst dich gut mit ihm verstehen; wenn ich mich nicht täusche, seid ihr doch Landsleute?“
„Ja, gewiss, Exzellenz.“
„Gut. Er hat dort sicher auch Papier und Zeichenmaterial. Ich mache euch miteinander bekannt, denn in einiger Zeit werdet ihr häufiger zusammentreffen und gewiss auch miteinander abstimmen müssen, was die Türen betrifft. Komm mit, Berenger, dann kannst du gleich an Ort und Stelle mit dem Zeichnen beginnen. Ich muss noch hinüber zu den Männern, die sich dort an dem Tisch drängen. Wir wollen einhundert Tagelöhner einstellen, damit die Grube schnell und tief genug ausgehoben wird, auf mindestens zwanzig Fuß, damit der Bau ausreichend Stabilität findet!“
Berenger schien überwältigt, nickte nur kurz und folgte Willigis auf dem Fuß. Der Erzbischof hatte wieder nur das schwarze Habit der Benediktinermönche übergezogen, aber der Fusarii bemerkte, dass er sie im vorderen Bereich öffnen und zur Seite schlagen konnte. Was er nicht ahnte: Dies würde Willigis künftige, alltägliche Bekleidung werden, wenn er seine Baustelle aufsuchte. Und das würde er an jedem ihm nur möglichen Tag tun, auch wenn er bereits befürchtete, schon in der nächsten Zeit für König Otto II. wieder Ritte durch das riesige Reich unternehmen zu müssen.
Leider waren die letzten Nachrichten erneut sehr beunruhigend und deuteten darauf hin, dass Heinrich der Zänker erneut dabei war, sich gegen den Kaiser aufzulehnen. Zuverlässige Boten meldeten die Aufstellung eines Heeres, und auch aus Prag trafen beunruhigende Nachrichten im bischöflichen Palais ein.
Doch noch konnte der Erzbischof seine Zeit nutzen, und nachdem er bei Baumeister Magistri Luciano um das Material für Berenger gebeten hatte, wurde er von diesem noch kurz aufgehalten.
„Eure Exzellenz, es sieht so aus, als würden dort drüben die Menschen sich nur danach drängen, bei uns arbeiten zu dürfen. Darf ich Euer Gnaden aber auch daran erinnern, dass mit der täglichen Zunahme der Tagelöhner immer mehr hungrige Mäuler zu stopfen sind? Und noch etwas bereitet mir große Sorgen, wenn ich die Folgen des Essens bedenke ...“
Willigis gute Laune war nicht mehr zu dämpfen.
Er lachte schallend heraus und antwortete schließlich seinem Baumeister: „Mein lieber Luciano, das hast du sehr schön umschrieben. Also, für das leibliche Wohl der Arbeiter habe ich Vorsorge getroffen. Du siehst dort drüben am Tisch neben dem Schreiber den kräftigen, bärtigen Mann in nun wahrhaft vornehmer Kleidung, nicht wahr? Ja, ich glaube sogar, dass er seine Wollmütze mit einem gestickten Rand versehen ließ, der Bursche wird langsam eitel. Aber es sei ihm gegönnt, denn er erledigt mittlerweile mehr Arbeit an einem Tag für mich, als er vermutlich zuvor in einer ganzen Woche geleistet hat. An den wende dich also, das ist Mathes, mein Vertrauter. Und Luciano, was das andere betrifft – lass dort hinten, wo es zum Rhein hinunter geht, Gräben ziehen und ein paar kräftige Stangen anbringen, und – achte auf die Windrichtung, vom Rhein herüber zieht es häufig hier hinauf!“
Damit trennten sich nun beide mit herzlichem Lachen, und Willigis schritt hinüber zu dem Tisch, an dem ein Schreiber die Namen der Arbeiter notierte und von Mathes beaufsichtigt wurde. Der sah kaum seinen Herrn auf sich zukommen, als er ihm auch schon entgegeneilte, ihm eine tiefe Verbeugung machte und hastig heraussprudelte: „Herr, ich habe wahrhaft gute Nachrichten, die Euch erfreuen werden!“
„So?“, antwortete der Erzbischof mit gespielter Strenge und gekrauster Stirn. „Ich glaube, mich würde sehr erfreuen, wenn du mir vermeldest, dass die Baugrube die Tiefe von zwanzig Fuß erreicht hat. Aber, Mathes, ich kenne dich gut. Du bist ein Schalksnarr und würdest mir diese Meldung wahrscheinlich überbringen, und wenn ich dann ungläubig zur Baustelle eile, würdest du mir wahrscheinlich ein kleines Loch zeigen, dass du auf die gewünschte Tiefe hast ausheben lassen!“
„Exzellenz! Ihr verkennt Euren treuesten Diener!“, rief Mathes aus und machte dazu ein wahrhaft verzweifeltes Gesicht. „Niemals würde ich so etwas wagen, noch nicht einmal, um Euch die schlechte Laune zu vertreiben! Vielmehr kann ich Euch berichten, dass einer meiner Leute dem William auf der Spur ist!“
Schlagartig verfinsterte sich die Miene des Erzbischofs. Er packte den Unterarm seines Vertrauten mit aller Kraft, die selbst einen Mann von dessen Stärke aufstöhnen ließ.
„Wenn das wahr ist, Mathes, dann ...“
Mehr sagte Willigis nicht, starrte aber mit einem so durchdringenden Blick Mathes an, dass der seine Augen abwenden musste.
„Es ist gut, Mathes. Du wirst mir sofort berichten, wenn du ihn fest hast, hast du verstanden? Egal, wo immer ich auch gerade bin und womit ich beschäftigt bin!“
„Und wenn Ihr aber gerade in der Kirche seid, Herr?“
„Sollte ich gerade die Missa solemnis (Heilige Messe) zelebrieren, gib mir ein Zeichen. Und jetzt, mein lieber Mathes, Gott befohlen, ich habe noch viel zu tun, bevor mir der Kaiser befiehlt, ihm nachzureisen.“