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5.


Mai 975. Erzbischof Willigis zu Mogontiacum

„Exzellenz, das ist nicht möglich!“

Der Mann schlug die Arme unter und machte ein trotziges Gesicht.

Der Blick, mit dem ihn allerdings nun der Erzbischof musterte, ließ ihn unruhig von ihm zu dem anderen Mann im Raum schauen, dann wanderten seine Blicke wieder zurück zu dem Erzbischof von Mainz, der ihm seine Pläne vorgestellt hatte.

Willigis hatte sich erhoben und begann zwischen dem mit Zeichnungen überhäuften Tisch und den Stühlen seiner Besucher unruhig auf und ab zu laufen, ohne dabei etwas zu erwidern. Wer den Erzbischof am heutigen Tag zum ersten Mal erblickte, musste von seiner Erscheinung sehr beeindruckt sein. Seine Gestalt war ungewöhnlich groß und wirkte kräftig, was auch seine federnden Schritte unterstrichen. Sein Gesicht war leicht gebräunt, ungewöhnlich für einen Mann der Kirche, und seine Hände wirkten so, als hätten sie schon öfter schwere Arbeit geleistet. Jedenfalls wirkten sie nicht so schmal und feingliedrig wie bei Bischof Volkold, der neben ihm saß und höchst amüsiert die Gesichter der versammelten Männer betrachtete.

„Ich will dir einmal etwas sagen, mein Guter!“, antwortete der Erzbischof schließlich mit einer Stimme, die nichts von seiner Aufregung verriet, die ihn seit der Antwort des Baumeisters befallen hatte. „Ich habe nicht aus einer bloßen Laune heraus einen Mann der Magistri Comacini hierher geholt, um mir nach der Vorstellung meines Bauprojektes sagen zu lassen, dass es nicht möglich sei. Die Argumente, die du mir hier entgegenhältst und aufzeigst, um damit zu beweisen, dass der Bau einer Kathedrale in der Größe, wie ich sie mir vorstelle, nicht möglich ist, lasse ich nicht gelten. Du musst annehmen, dass ein Kirchenmann nicht in der Lage ist, die Standfestigkeit von durchbrochenen Mauern, Bögen und Fensteröffnungen zu berechnen. Aber da liegst du falsch, mein lieber Magistri Luciano. Bevor ich dieses Amt antrat, war ich Kanzler des Kaisers. Und davor Mönch im Benediktinerkloster zum Berge, das sich noch immer im Bau befindet. Dort wie in der Bauhütte von Magdeburg war ich bei Baumeistern und Steinmetzen in der Lehre, habe gelernt, mit dem Planisphärum zu arbeiten und die Positionen der Sterne zu berechnen. Ich habe gelernt, wie man ein Kreuzrippengewölbe plant und zeichnet, und ich habe bei Meister Niclas in Magdeburg einiges mehr gelernt und Zeichnungen von mir durch ihn prüfen lassen. Soll ich dir etwas verraten, Magistri? Er bewertete meine Entwürfe mit der Bemerkung summa cum laude, also die beste Auszeichnung, und jetzt kommst du und sagst mir ins Gesicht: Das ist nicht möglich! Entweder habe ich nur Pech gehabt bei der Wahl meines Baumeisters, oder aber die Comacini haben sich einen Ruf erworben, der den Ansprüchen eines guten Baumeisters nicht mehr genügen kann. Wähle also sorgfältig, bevor du mir antwortest!“

Der Baumeister zog ein verzweifeltes Gesicht und rang seine kräftigen Hände. Der Mann hatte keinen schlechten Eindruck auf Willigis gemacht, als er mit seiner Baurotte in Mogontiacum eintraf und sich ihm vorstellte. Magistri Luciano mochte wohl Anfang vierzig sein, hatte aber schon eisgraues Kopf- und Barthaar. Von kleiner, untersetzter Statur bewegte er sich aber doch stets flink und schien seine Augen überall zu haben. Der neue Erzbischof hatte ihn und seine Baurotte vorerst in einem Gebäude untergebracht, das sich an sein eigenes Domizil anschloss. Gleich gegenüber würde die Bauhütte entstehen, denn das ehrgeizige Projekt des Erzbischofs würde unmittelbar neben der Kirche St. Johannis auf einer uralten Brache entstehen. Willigis hatte mit Bedacht diesen Standort auserwählt, denn man hatte ihm berichtet, dass dort einst die römische Siedlung entstanden war, aus der schließlich die Stadt Mogontiacum entstand. Dieser Standort würde viele Vorteile miteinander verbinden. Zum einen befand er sich vor dem Stadtkern und bot damit ausreichenden Platz für seine Planung. Und schließlich konnten nach und nach die für ein Erzbistum erforderlichen weiteren Bauten entstehen, vom Palas des Erzbischofs bis zur Unterbringung von Würdenträgern, die künftig noch häufiger in der Stadt anwesend sein würden.

Erzbischof Willigis wollte eine gewaltige Kathedrale bauen.

Vorbild für ihn war die Peterskirche zu Rom.

Und Mogontiacum sollte das neue Rom im deutschen Kaiserreich werden.

Dafür lebte er fortan und würde alles daransetzen, diesen Plan auch zu verwirklichen.

Jetzt schien der Magistri Luciano zu einem Entschluss gekommen zu sein, räusperte sich und setzte zu einer Erklärung ein, als eine Unterbrechung geschah. Einer der Diener trat ein und vermeldete einen wichtigen Boten. Willigis erkannte hinter ihm den braunen Struwwelkopf von einem seiner wichtigen Gefolgsmänner aus der Stadt. Wie es ihm Bischof Volkold geraten hatte, folgte er dessen Beispiel und begann, ein Netz von Zuträgern aufzubauen, die ihn über alle wichtigen Ereignisse der Stadt unterrichteten. Mathes hatte sich rasch zu einem sehr wichtigen Mann für Willigis entwickelt. Er hatte eine Vergangenheit, über die der Erzbischof lieber keine genaueren Details erfahren wollte, und bei gewissen Andeutungen immer rasch mit einer anderen Sache begann. Natürlich war es ihm bekannt, dass Mathes ein scelmo, ein Erzschelm war, der sich mit allerlei dunklen Geschäften durchgeschlagen hatte. Aber es gab ein zufälliges Zusammentreffen, bei dem der Erzbischof im letzten Moment verhinderte, dass ihn die Stadtwache festnahm. Mathes war dumm genug gewesen, sich an Willigis bei dessen Gang durch die Stadt heranzuschleichen, um ihm die Geldkatze abzuschneiden.

Blitzschnell hatte Willigis mit eisernem Griff das Handgelenk des verhinderten Diebes erwischt und war gerade dabei, es ihm kräftig zu verdrehen, als die Stadtwachen angelaufen kamen.

„Exzellenz, hat Euch der Mann belästigt? Es ist Mathes, der erst vor einer Woche am Pranger gestanden hat. Man sagt ihm so einiges nach, aber wenn Ihr nun von ihm bestohlen wurdet, haben wir ihn endlich fest!“, erklärte der ältere der beiden Soldaten.

Willigis betrachtete das Gesicht des Mannes, der ihn mit weit aufgerissenen Augen ängstlich anstarrte und dabei mit kaum verständlichen Worten um Gnade bat. Willigis reagierte sofort, erklärte das Ganze für einen Irrtum und gewann damit die Dankbarkeit eines Diebes, dem allerdings ein gegebenes Wort alles galt. Und die nächste Zeit sollte zeigen, wie gut die Vereinbarung war, die man unter vier Augen getroffen hatte. Seit dieser Zeit lebte Mathes sehr viel besser als früher, denn der Erzbischof zahlte seine Dienste gut.

Wenn er jetzt darauf drang, unbedingt vorgelassen zu werden, konnte es sich nur um eine äußerst wichtige Mitteilung handeln, die er zu überbringen hatte. So gab er dem Diener ein Zeichen, den ein wenig seltsam aussehenden Menschen zu ihm vorzulassen.

Mathes verbeugte sich tief und überreichte dem Erzbischof einen winzigen, schmalen Streifen von einem Pergament. Er sagte dabei nichts und hielt den Kopf weiter gesenkt. Willigis trat damit zu einem der mit dünn geschabten Tierhäuten bespannten Fenster, auf das die schon recht kräftige Maisonne schräg fiel und ihm das Lesen der kleinen Schrift erleichterte.

Er starrte auf die Nachricht.

„Der Kaiser ist tot!“, las er erstaunt und zog dabei seine Stirn in strenge Falten. Er strich über das Pergament.

„Eine schlechte Nachricht, Exzellenz?“, erkundigte sich der Baumeister höflich, aber ein Unterton an Neugierde schwang trotzdem mit. Willigis nickte stumm und starrte in eine unbestimmte Ferne.

„In der Tat, Magistri Luciano. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch auf unbestimmte Zeit verschieben. Die Amtsgeschäfte nehmen mich jetzt voll in Anspruch.“

„Wir werden uns zu Eurer Verfügung halten, Exzellenz!“, antwortete der Baumeister und überraschte damit den Erzbischof. Nach seinen ersten Worten hatte er angenommen, dass der Baumeister seine Leute sammeln und die Stadt verlassen würde.

Er achtete nicht weiter auf die Bauleute, sondern zog Mathes beiseite.

„Wie alt ist diese Nachricht, Mathes?“

Er wedelte mit dem Pergament.

„Nur einen Tag, Herr. Die Tauben sind sehr schnell!“

„Es war ein geradezu genialer Gedanke, der meinen Freund Volkold auf diese Idee der Nachrichtenübermittlung brachte.“

„Wenn Ihr mir das nicht alles erklärt hättet, als Ihr die Vögel zu mir bringen ließet, hätte ich das nicht verstanden, Herr“, erwiderte Mathes ergeben.

„Es ist nicht neu, dass man die Tiere mit Nachrichten fliegen lässt. Die Römer, die einst diese Stadt als Lager gründeten, verwendeten bereits Tauben. Aber genug der Worte, ich muss nun sehen, wie ich den neuen Kaiser salbe – obwohl ... er ist ja schon seit Jahren Kaiser.“

Mathes starrte seinen Herrn verwundert an.

„Dann gibt es ... zwei Kaiser?“

„Ja, so ist es, weil unser verstorbener Kaiser Otto einen Bruder hatte, der ihm den Titel eines Königs schon streitig machte. Um zu verhindern, dass nach seinem Tod erneut Streitigkeiten um den Thron ausbrachen, hat er kurzerhand seinen Sohn, der zudem den gleichen Namen trägt, mit sechs Jahren zum König gekrönt und später, zu Weihnachten neunhundertsiebenundsechzig wurde er dann vom Papst in Rom zum Mitkaiser gekrönt. Ja, wenn ich es recht besehe, bleibt mir nichts mehr zu tun. Fünf Jahre ist er nun schon Kaiser, da wird er sich am heutigen Tag selbst zum legitimen Nachfolger seines Vaters ausgerufen haben.“

Willigis hatte den letzten Teil mehr zu sich selbst gesprochen, und Mathes schien das wohl bemerkt zu haben, wartete aber selbstverständlich noch darauf, dass er eine neue Anweisung von seinem Herrn erhielt.

„Man wird ihm gehuldigt haben an diesem Morgen. So bleibt mir nichts anderes zu tun, als auf die offizielle Nachricht des Hofes zu warten, und die dürfte ja an den Erzkanzler bereits per Kurier unterwegs sein. Gut, Mathes, halte dich zur Verfügung, falls ich dich benötigen sollte. Ich nehme an, dass ich in Kürze nach Magdeburg berufen werden. Wie weit ist der Ankauf der Pferde vorangetrieben?“

„Herr, Ihr hattet mich um größte Diskretion gebeten. Da war es nicht einfach, überhaupt Händler zu finden, die mit unserer Stadt wenig zu tun haben. Jetzt erfuhr ich von einem Gewährsmann, dass es einen Händler bei Frankfurt geben soll, der geeignete palafredus (Dienstpferd) züchtet. Angeblich sind in seiner Linie auch Berberpferde, so dass Euer Wunsch nach einem guten und leichten Marschpferd in die Nähe gerückt ist. Und Ihr hattet mir gesagt, dass ich frei im Verhandeln des Preises bin, Herr!“

Willigis warf ihm einen raschen Seitenblick zu und nickte.

„Ja, wobei ich davon ausgehe, dass du keinerlei Provision für dich dabei hast. Ich möchte einen guten Kauf von drei bis fünf ausdauernden Pferden haben. Wenn ich zufrieden bin, sollst du es auch sein. Erfahre ich aber von dem Händler, dass er dich schon bezahlt hat, kannst du dich packen und in der Zukunft mein Haus meiden, haben wir uns verstanden?“

„Ja, Herr, ich werde so handeln, dass Ihr mit mir zufrieden sein könnt!“

Die Nachricht vom Tod des Kaisers am 7. Mai 973 erreichte den Erzbischof Willigis nur einen Tag später, am 8. Mai. Tatsächlich trat Kaiser Otto II. am nächsten Tag die Nachfolge seines Vaters an. Die anwesenden Ministerialen und der Stadtadel von Magdeburg huldigten dem neuen Herrscher.

Und an diesem Tag wurde in einem slawischen Dorf an der Elbe ein Mädchen geboren, das in späterer Zeit eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen sollte. Die Eltern gaben ihm den Namen Katerina. Der Ursprung des Namens stammte aus dem Altgriechischen, von dem die Eltern allerdings nichts wussten. Über die Bedeutung hatten sie von ihrem Dorfältesten mehr erfahren.

Katerina bedeutete die Reine.

Tore aus Bronze – Die Trilogie

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