Читать книгу Das Super Krimi Paket Dezember 2021: 12 Romane in einem Buch - 1800 Seiten Thriller Spannung - Alfred Bekker - Страница 80

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35. Kapitel


Am nächsten Morgen war Lorant schon früh aus den Federn.

Er hatte schlecht geschlafen. Ein ganzes Konglomerat aus wilden Alpträumen hatte dafür gesorgt, dass er sich am Morgen wie zerschlagen fühlte. Jetzt saß er gähnend am Tisch im Schankraum und ließ sich von Beate Jakobs das Frühstück servieren.

"Die Zeitung kann ich Ihnen leider noch nicht geben", erklärte die Wirtin.

"Hat noch Ihr Schwiegersohn?"

"Genau. Aber sobald er damit durch ist, gebe ich Sie Ihnen."

"Ja, das hat Zeit!"

Lorant hörte, wie ein Wagen vorfuhr. Wenig später trat Kriminalhauptkommissar Meinert Steen in den Schankraum.

Unterm Arm trug er eine Zeitung. Er wandte sich sofort an Lorant, legte ihm die Zeitung auf den Tisch.

"Moin, Herr Kollege!", begrüßte er den Detektiv mit einem triumphierenden Unterton.

"Moin. Womit habe ich denn die Ehre Ihres hohen Besuchs zu so früher Stunde verdient?"

"Bin auf dem Weg nach Emden ins Präsidium."

"Sie wohnen in Moordorf, nicht wahr?"

"War jedenfalls kein großer Umweg. Und wenn ich heute etwas zu spät komme, dann verzeiht mir das sogar der Innenminister."

"Ach ja?"

"Schon die Zeitung gelesen?"

"Nein, leider nicht."

"Ich sagte Ihnen ja, dass Sie es dort nachlesen könnten, wenn ich den Fall gelöst hätte!"

Lorant verschluckte sich beinahe an dem dünnen Kaffee.

Plötzlich hatte er auf das Mohnhörnchen auch keinen Appetit mehr.

"Gelöst? Sie sprechen wirklich vom Mordfall Sluiter."

"Zumindest vom Mordfall Purwin." Steen lehnte sich zurück und genoss den Ausdruck des Erstaunens in Lorants Gesichtszügen. "Na, was sagen Sie?"

"Ich bin gespannt. Wen haben Sie denn verhaftet?"

"Tom Tjaden. Der Name ist Ihnen vielleicht kein Begriff, aber er ist hier in der Gegend so etwas wie eine Art Schmalspur-Pate."

"Ach, ja? Und der soll Dr. Purwin umgebracht haben?"

"Wir haben einige Wechsel gefunden. Dr. Purwin hatte Spielschulden, die Tjaden ihm vorgestreckt hat. Offenbar hat Tjaden im großen Maßstab illegales Glücksspiel organisiert.

Woher sich die beiden kannten, ist noch unklar, aber Tatsache ist, dass Purwin für Tjaden als Strohmann auftrat, um jene Gewerbeflächen aufkaufen zu können, auf denen sich heute dieser Nachtclub namens X-Ray befindet." Steen zuckte die Achseln. "Ist doch immer dasselbe mit den Ärzten. Verdienen zu viel Geld, wollen es an der Steuer vorbeischleusen und fallen auf windige Anlagemodelle herein. Oder eben auf noch windigere Leute vom Schlag eines Tom Tjaden."

"Klingt alles sehr interessant, was Sie mir da erzählen..."

"Aber Sie glauben es nicht!"

"Ich behalte immer ein gewisses Maß an gesunder Skepsis!"

Steen lachte. "Ob die gesund ist, müssen Sie selber wissen.

Wahrscheinlich hat jener Papst, der Galilei zum Widerruf zwang, genauso gedacht wie Sie!"

"Sie sind nicht Galilei!", gab Lorant zu bedenken.

"Eine sehr scharfsinnige Bemerkung, Herr Lorant. Wirklich!

Tut mir ja auch sehr Leid für Sie, dass Ihre Auftraggeberin Ihnen nun wahrscheinlich das Spesenkonto sperren wird!"

"Machen Sie sich um mich mal keine Sorgen."

"Wie auch immer. Tjaden sitzt in Untersuchungshaft und von seinen Helfershelfern werden wir einen nach dem anderen so weichklopfen, dass sie uns alles sagen, was wir wissen wollen."

"Ich glaube nicht, dass er Dr. Purwin umgebracht hat."

"Kriminalistik ist eine exakte Wissenschaft, keine Frage des Glaubens, Herr Lorant."

"Oh, das brauchen Sie mir nicht zu sagen!"

"Im Übrigen habe ich mich vielleicht auch nicht präzise ausgedrückt. Ich glaube natürlich nicht, dass Tom Tjaden den Doc unbedingt eigenhändig umgebracht haben muss. Dafür hat er doch seine Leute. Andererseits -—wussten Sie, dass er Motorradfahrer ist? Und vor Dr. Purwins Praxis war ja die Bremsspur einer ziemlich großen Maschine zu sehen."

"Diese Indizienkette wird jedes Gericht überzeugen", entgegnete Lorant ironisch.

Diese Ironie entging Steen allerdings komplett.

"Ich weiß Ihr Kompliment zu schätzen."

"Ich nehme an, Sie sind nicht nur hier, um mir von Ihren Erfolgen zu berichten und mich mit einer Zeitung zu versorgen, Herr Steen."

"Das ist richtig."

Lorant hob die Augenbrauen.

"Also?"

"Heute Morgen hat die Polizei in Aurich die Leiche einer jungen Frau namens Frauke Oltrogge gefunden. Sie lag seit mindestens zwölf Stunden tot in ihrem Wagen, den der Täter in einen Graben hineinrollen ließ. Sie wurde vermutlich erschlagen."

"Und es hat mehr als einen halben Tag gedauert, bis das jemand bemerkt hat?"

"War eine einsame Stelle. Und Autos, die einfach irgendwo in der Gegend abgestellt anstatt ordnungsgemäß entsorgt werden, gibt es ja leider öfter mal."

Lorant zuckte die Achseln. Noch wusste er nicht richtig, worauf Kriminalhauptkommissar Meinert Steen eigentlich hinauswollte.

"Und was habe ich mit all dem zu tun?", fragte der Detektiv.

"Frauke Oltrogge hatte eine Ihrer Visitenkarten bei sich."

"Beruflich nannte sie sich nicht zufällig 'Melinda' und arbeitete im X-Ray?"

"Genau das."

"Mehr weiß ich leider auch nicht über Sie."

"Ach, kommen Sie schon, Lorant. Tragen Sie wenigstens ein bisschen zur Aufklärung dieser Sache bei!"

Lorant atmete tief durch, trank seinen Kaffee leer, schob dann den Teller mit dem Mohnhörnchen ein Stück von sich weg.

"Frauke alias Melinda wollte sich mit mir in einem Emder Lokal treffen. Ich hatte sie im X-Ray getroffen. Sie hat mich auf dem Klo abgepasst und mir die Karte fast entrissen!"

"Sie Ärmster."

"Zum Treffpunkt ist sie leider nicht gekommen, und ich habe nicht die geringste Ahnung, was sie mir vielleicht sagen wollte."

Lorant machte eine kurze Pause. Dann fragte er: "Lag in Fraukes Wagen eine Boßel-Kugel?"

"Weiß ich nicht. Ich habe die Kollegen nicht gefragt."

"Dann tun Sie's jetzt."

"Wieso?"

"Weil es wichtig ist! Ich sage Ihnen anschließend, warum."

Steen runzelte die Stirn. Dann holte er sein Handy hervor, tippte eine Kurzwahltaste und war wenig später mit seinen Auricher Kollegen verbunden. Das Gespräch war nur kurz. Aber Lorant wusste einen Augenblick später, was er wissen wollte.

"Es war tatsächlich eine Boßel-Kugel im Wagen."

Lorant griff in die Jackettinnentasche und holte die Mitgliederliste der Söipkedeeler hervor. Er überflog sie, suchte einen bestimmten Namen.

Oltrogge, Erich.

Oltrogge, Wiard

Oltrogge, Jan

Oltrogge, Frauke.

Sie war also dabei.

"Was haben Sie da?", fragte Steen.

"Die Mitgliederliste eines Boßel-Vereins."

Lorant reichte seinem Gegenüber die Liste. Steen betrachtete sie stirnrunzelnd, während Lorant fortfuhr: "Gretus Sluiter, Frank Purwin, Eilert Eilers und Frauke Oltrogge -—all diesen Mordopfern wurde eine Boßel-Kugel beigelegt. Und außerdem stehen sie auf dieser Liste. Ich glaube Ihnen ja gerne, dass dieser Tom Tjaden ein paar krumme Geschäfte gemacht hat und dafür hinter Gitter gehört."

"Krumme Geschäfte? Er hat die Leute aus dem Weg geräumt, die ihm gefährlich wurden, Lorant! Sie beschönigen da einiges ganz schön."

"Und Gretus Sluiter? Was hatte er mit Tjaden zu tun?"

"Was weiß ich? Vielleicht hat er heimlich auch bei Tjaden gezockt und hatte Schulden. Das kriegen wir alles heraus, verlassen Sie sich darauf."

Lorant schüttelte den Kopf.

"Nein, der Mörder wollte etwas anderes. Er wollte niemanden verschwinden lassen, ausknipsen, wie man im Mafia-Jargon sonst gesagt hat. Er wollte jemanden bestrafen, etwas demonstrieren. Diese Boßel-Kugeln, das ist doch wie eine Art Grabbeigabe!"

Meinert Steen blickte Lorant mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich Befremden mit einem Zug mischte, der fast wie Mitleid wirkte.

"Ach, Lorant. So einen Mist können Sie vielleicht Ihren Klienten erzählen..."

Er erhob sich, tickte dabei auf die zusammengefaltete Zeitung.

"Lesen Sie, was passiert ist, Lorant!", lachte Steen und zwinkerte dem Detektiv zu. "Ich hab's Ihnen ja gesagt."

Als Steen die Tür erreicht hatte, rief Lorant: "Herr Steen!"

"Ja?"

"Wenn ich den Täter habe, soll ich dann Sie anrufen oder Ihre Kollegen aus Aurich?"

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