Читать книгу Das Super Krimi Paket Dezember 2021: 12 Romane in einem Buch - 1800 Seiten Thriller Spannung - Alfred Bekker - Страница 81
Оглавление36. Kapitel
Lorant fuhr nach Emden, suchte ein Geschäft, in dem man Farbkopien erstellen konnte, und ließ dort ein paar Duplikate des Fotos von Eilert Eilers machen.
Am späten Vormittag machte sich Lorant auf den Weg Richtung Oldenburg. Mit dem Foto von Eilert Eilers wollte er in der Raststätte Huntetal hausieren. Schließlich war es ja möglich, dass sich jemand an Eilers erinnerte.
Etwa eine Stunde brauchte Lorant, bis er die Raststätte erreichte. Es begann, wie aus Eimern zu regnen. Vor dem Restaurant war nur noch ein Behindertenparkplatz frei.
Was nun?, ging es ihm durch den Kopf. Politisch korrekt bleiben oder nass werden?
Lorant suchte sich einen Parkplatz im Windschatten eines Zwanzigtonners, stieg schnell aus, riss sein Longjackett an sich und zog es so schnell wie möglich an. Er schloss den Wagen ab, rannte dann zum Restaurant-Eingang. Das Wasser tropfte ihm von der Nase.
Das hast du nun davon, dass du den rechtschaffenen Polizisten in dir immer noch nicht losgeworden bist!, dachte er.
Lorant ging am Salatbüffet vorbei. Es herrschte drangvolle Enge im Lokal. Das lag vielleicht an dem Stau, der auf der A1
gemeldet worden war. Da dachte sich der eine oder andere wohl: Besser erst einmal was essen und abwarten, ob sich der Stau nicht in einer Stunde in Wohlgefallen aufgelöst hat!
Lorant stellte sich in die lange Schlange, nahm sich auch ein Tablett. Er überlegte noch, ob er sich das Holzfällersteak genehmigen sollte. Aber die Chance, an ein Tablett zu kommen, bekam man hier nur einmal, es sei denn, es machte einem nichts aus, sich noch einmal hinten anzustellen.
Lorant bestellte schließlich das Steak.
Und dann hielt er der Bedienung hinter dem Tresen das Bild von Eilers hin. "Ich ermittle in einem Mordfall. Möglicherweise haben Sie diesen Mann hier schon einmal gesehen."
Die Frau hinter dem Tresen runzelte die Stirn.
"Ist das wieder wegen dem Kerl im Teppich?"
"Ja."
"Ihre Kollegen haben uns doch schon alle stundenlang verhört!"
"Ja, aber da wussten sie noch nicht, wie die Leiche mal ausgesehen hat, als sie lebendig war."
Die Frau nahm Lorant das Bild ab, wischte sich aber vorher die Fettfinger am Kittel ab. Ihr Blick blieb skeptisch. "Das isser?"
"Das isser!", bestätigte Lorant. Es war immer wieder überraschend für ihn, wie schnell man ihn als Polizisten identifizierte. Aber der Detektiv dachte überhaupt nicht daran, seinem Gegenüber zu widersprechen und den Irrtum aufzuklären.
Im Gegensatz zu Finanzbeamten besaßen Polizeibeamte einen nicht zu unterschätzenden Vertrauensvorschuss.
"Geht das hier mal weiter?", fragte jetzt eine hagere Frau mit kurzen Haaren, die mit verschränkten Armen in der Schlange stand und ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Was regt die sich so auf?, dachte Lorant. Wahrscheinlich ernährt sie sich ohnehin nur von Müslieriegeln oder ähnlichem und sollte das Fasten gewohnt sein...
Die Bedienung wandte sich an Lorant. "Ich bringe Ihnen das Steak an den Platz."
"Gut."
"Sie sehen ja, was hier los ist."
"Ja, sicher..."
"Ich zeige das Bild unter den Kolleginnen herum, aber erst muss die Schlange etwas abgearbeitet werden!"
"Verstehe ich."
Lorant nahm noch einen Kaffee. Dann setzte er sich an eine der wenigen noch freien Plätze und sah zu, wie die Schlange langsam zusammenschrumpfte.
Schließlich wurde Lorant das Holzfällersteak gebracht. Die Bedienung gab ihm auch das Bild zurück. "Tut mir leid, den hat niemand von uns hier je gesehen."
"Sind Sie sicher?"
"Sind Sie denn sicher, dass der überhaupt hier war?"
"Ja. Arbeitet hier sonst noch jemand, außer der aktuellen Besetzung?"
"Wie das so ist! Es gibt hier natürlich jede Menge Aushilfen, die nur für kurze Zeit angestellt werden."
"Trotzdem danke." Lorant nahm das Bild. "Vielleicht können Sie auch noch die Kolleginnen fragen, die zurzeit nicht hier sind.
Eventuell fällt denen ja noch etwas ein. Es geht schließlich um Mord."
"Muss 'n Schweinehund gewesen sein, der das gemacht hat mit dem Kerl in der Decke."
"Ja..."
"War 'n Riesentheater, als Ihre Kollegen hier waren und alles nach Spuren abgesucht haben."
Lorant schrieb ihr seine Handynummer auf einen Bierdeckel.
Gerade noch rechtzeitig hatte er davor zurückgeschreckt, ihr seine Karte zu geben. Schließlich wäre dann seine Polizistennummer aufgeflogen, da ziemlich dick PRIVATDETEKTIV darauf gedruckt war. Und Lorant war sich nicht sicher, ob die Bekanntschaft zu dieser Bedienung schon stabil genug war, um einen derartigen Schock zu überstehen.
"Rufen Sie mich an, wenn Sie was wissen."
"In Ordnung."
Lorant hatte es im Gefühl, daraus würde nie etwas werden.
Aber man soll auch nichts unversucht lassen, dachte er. Er wollte sich hinterher nicht vorwerfen lassen, irgendeine, wenn auch noch so geringe Chance nicht genutzt zu haben. Schließlich ging es um die Aufklärung von drei Morden. Nein vier, korrigierte sich Lorant. Frauke Oltrogge alias Melinda musste er ja wohl mitzählen. Denn daran, dass sie in diese 'Serie' hineingehörte, gab es für Lorant keine Zweifel. Es ging um vier Menschen, deren Leben ein plötzliches, gewaltsames Ende gefunden hatte.
Und es ging um Angehörige, die nach Antworten suchten. Für die Toten konnte Lorant nichts mehr tun. Aber für die Lebenden.
Jene Menschen, die den Ermordeten nahegestanden hatten. Ihnen fühlte er sich verpflichtet. Ihren Schmerz teilte er und deshalb wollte er nichts unversucht lassen, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Einen Augenblick kam ihm der Gedanke, dass Kriminalhauptkommissar Meinert Steen am Ende vielleicht doch Recht gehabt haben konnte. Er ging die Argumente einzeln noch einmal durch, sagte sich dann aber, dass Steen ihm wahrscheinlich nur die Hälfte der wirklich relevanten Fakten genannt hatte. Nein, vertrau deinem Instinkt, deiner Nase!, ging es ihm durch den Kopf.
Einen Teil der Zwiebeln, mit denen das Holzfällersteak bedeckt gewesen war, legte er zur Seite. Er hatte keine Lust auf die Blähungen, die sonst unweigerlich die Folge gewesen wären.
Schließlich blickte sich um. Von den Gästen war nicht anzunehmen, dass jemand Eilers gesehen hatte. Er hatte sich hier vielleicht mitten unter Menschen mit seinem Mörder getroffen.
Ein anonymerer Ort als dieser war kaum vorstellbar.
Wäre ja auch zu schön gewesen, gleich beim ersten Versuch ins Schwarze zu treffen, dachte Lorant. Er schnitt sein Steak durch. Es war lecker und saftig.
Später fragte Lorant die Toilettenfrau nach Eilers. Aber auch sie konnte sich nicht erinnern.
Der Detektiv stand an der Tür, sah dem Regen zu, der immer heftiger wurde und überlegte, ob er bis zur Tankstelle spurten oder warten sollte, bis der Regen nachgelassen hatte. Aber den dunklen Wolken nach, die von West heranzogen, war es wohl eine Illusion, darauf zu hoffen. Und so spurtete Lorant.
In der Tankstelle stand ein Mann mit einer roten Nase vor Lorant am Tresen. Er hatte mehrere Flaschen in eine Plastiktüte gesteckt und nun stellte er sie der Reihe nach auf die Fläche vor der Kasse. Der Kerl mit der roten Nase stank erbärmlich. Eine unbeschreibliche Mischung aus Urin, Bier und noch ein paar anderen Düften, bei denen Lorant auch gar nicht so schrecklich viel daran lag, sie näher zu identifizieren.
"Ist das nicht ein bisschen viel?", fragte der junge, stiernackige Mann hinter dem Tresen.
"Ist für's Wochenende."
"Quatsch, morgen stehst du doch schon wieder hier!"
"Ist das deine Sache."
Die Finger des Stiernackigen glitten über die Tastatur der Registrierkasse. Dann packte der Kerl mit der roten Nase alles ein und trottete in Richtung Tür, blieb dort allerdings stehen.
Lorant hielt seinen Moment für gekommen, zeigte dem Mann hinter dem Tresen das Eilers-Bild, betete dabei seinen Text von der Mordermittlung herunter.
"Habe ich Sie nicht schon einmal gesehen?"
"Nicht, dass ich wüsste."
"Sie war'n doch der unverschämte Bulle, der hier so'n Terz aufgeführt hat, weil der Automatenkaffee zu dünn war!"
"Kann mich nicht erinnern."
"Doch, doch, das war an dem Tag, als die den Toten im Teppich entdeckt haben und hier der Teufel los war. An so was erinnert man sich doch."
"Im Moment geht es eher darum, ob SIE sich erinnern", sagte Lorant und deutete dabei auf das Bild.
Der Stiernackige schüttelte den Kopf. "Mann, hatten Sie 'ne Scheiß-Laune damals! Eigentlich könnten Sie sich mal deswegen entschuldigen. Wenn man Ihresgleichen mal anpflaumt, heißt das gleich Beamtenbeleidigung, aber wenn..."
Er war einfach nicht zu belehren.
Erinnerung ist eben was sehr subjektives, dachte Lorant und sagte laut: "Entschuldigung!" Endlich stoppte jetzt der Redeschwall des Stiernackigen, und er wandte seine Aufmerksamkeit dem Bild zu.
"Na?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nö."
"Nie gesehen? Sehen Sie genau hin."
"Nö, den kenn' ich nicht."
Jetzt mischte sich der Rotnasige ein und kehrte zum Tresen zurück. "Darf ich auch mal?"
Lorant musterte ihn.
Das Musterbild eines überzeugenden Augenzeugen, wie ihn jeder Polizist und jedes Gericht gerne sah, dachte Lorant mit einer guten Portion Sarkasmus. Er holte trotzdem eine weitere Kopie des Fotos hervor und reichte sie dem Mann.
"Halten Sie mal!", erwiderte dieser und Lorant musste ihm seine Plastiktasche mit den Flaschen halten.
Immerhin, wenn er dieses Gewicht noch tragen kann, wird er wohl nüchtern sein!, dachte Lorant. Er hoffte es zumindest.
Der Rotnasige runzelte die Stirn.
"Doch, den habe ich gesehen. Ist schon 'ne Weile her, aber ich habe ihn gesehen. Er stand dahinten bei dem Hamburger-Automaten und kam damit nicht zurecht. Und der Mariacron steht genau in dem Regal daneben. Ich konnte aber nicht dran, bis er fertig war."
"Muss ja schrecklich für dich gewesen sein!", warf der Stiernackige dazwischen.
Aber der Kerl mit der roten Nase ließ sich glücklicherweise nicht ablenken.
"Da kam so ein Typ, der ihn beim Namen nannte."
"Haben Sie den Namen behalten."
"Nein, keine Ahnung, wie der hieß. Ich weiß nur, dass der Mann auf dem Foto sich umdrehte und ziemlich überrascht war."
"Und der Typ, der ihn angesprochen hat? Erinnern Sie sich an den?"
"Ja sicher. Der war an den Armen tätowiert. Und außerdem sagte er dauernd 'woll'. Nach jedem Satz. Ziemlich blöd klingt das. Aber wahrscheinlich ist er mir deswegen in Erinnerung blieben..."
"Was Sie nicht sagen..."