Читать книгу Das Super Krimi Paket Dezember 2021: 12 Romane in einem Buch - 1800 Seiten Thriller Spannung - Alfred Bekker - Страница 87
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Es gibt Tage, an denen geht alles schief. Und genau so einer lag gerade hinter mir, als ich Clunkys „Speakeasy“ aufsuchte, eines jener illegalen Schnapslokale, die in Chicago und anderswo aus dem Boden sprießen wie faulige Pilze.
Ich brauchte jetzt einen Drink, sagte am Eingang das Passwort und wurde eingelassen.
Als ich an die Theke trat stellte Clunky, ohne ein überflüssiges Wort zu verlieren, etwas Hochprozentiges vor mich hin. Der erste Schluck brannte noch etwas in der Kehle, aber um einen Teil meiner Probleme mit hinunter zu spülen, dafür reichte er. Ich stellte das geleerte Glas auf den Tresen und Clunky schenkte nach.
An diesem verfluchten Tag hatte ich einen Mann erschossen, nachdem dieser meinen Klienten erledigt hatte.
Ich fand, dass ich mir ein Recht auf schlechte Laune redlich verdient hatte, nahm meinen Drink und verzog mich damit in die hinterste Ecke. Mir war heute ausnahmsweise nicht nach Theken-Gequatsche.
Falls ich später nicht mehr in der Lage wäre, meinen 1924er Plymouth zu fahren, den ich ganz in der Nähe abgestellt hatte, war das nicht so schlimm. Mein 1-Zimmer-Apartment befand sich nur vier Blocks entfernt und bis dahin schaffte ich es in jedem Fall noch zu Fuß.
Ich schloss für ein paar Momente die Augen und war allein mit mir und meinen Gedanken.
Ein Mann namens Zach Allister hatte mich vor einer Woche angesprochen. Er hatte ein Mitglied des irischen Syndikats um eine Menge Geld geprellt und jetzt fürchtete er um sein Leben. Zur Polizei konnte er nicht gehen, weil die ihm ein paar unangenehme Fragen gestellt hätte. Also wandte er sich an mich, Pat Boulder – Privatermittler und wenn es sein muss auch mal Bodyguard. Eine Woche schaffte ich es, meinen Klienten am Leben zu halten. Ich riet ihm, besser aus der Stadt zu verschwinden. Nach dem, was er verbockt hatte, war die Windy City einfach kein Pflaster mehr für ihn, aber leider hatte er das nicht einsehen wollen.
Wer nicht hören will muss fühlen oder bekommt manchmal auch ein Kugel ab.
Das Gespräch, dass wir in meinem Büro in der Ecke South Franklin/Monroe Street geführt hatten, ging mir in diesem Augenblick durch den Kopf.
„Ich habe hier dringende Geschäfte, Mister Boulder!“
„Kleines Rendezvous mit dem Leibhaftigen – oder was sollen das für Geschäfte sein?“
„Werden Sie nicht zynisch, Boulder!“
„Sie sind so tot wie ein paar eingeschlafene Füße, wenn Sie nicht bald von hier verschwinden. Die Leute, mit denen Sie sich angelegt haben, fackeln nicht lange!“
„Das werden wir ja sehen!“
„Die machen ein Sieb aus Ihnen!“
„Was Sie verhindern werden, Boulder! Ich zahle Ihnen das Doppelte Ihres üblichen Satzes! Hören Sie, ich weiß, dass Sie gut sind. Aber ich weiß auch, dass Sie Geld brauchen.“
Wir hatten beide Recht gehabt und jetzt lag Zach Allister in der städtischen Leichenhalle, voll gepumpt mit Blei. Es war in einem Diner in der Washington Road passiert. Mein Klient war aufgestanden, um sich beim Geschäftsführer über die Qualität des Kaffees zu beschweren, da war ein Kerl mit einer MPi in den Händen herein gestürmt und hatte ihn einfach niedergemäht.
Lange hatte sich dieser Hit-man allerdings nicht darüber freuen können. Ein gezielter Schuss aus meinem 38er war für ihn das Aus gewesen.
Es waren nicht die anschließenden Verhöre bei der Polizei, die mich den letzten Nerv gekostet hatten, sondern die Aussicht, dass sich die Geschichte herumsprach. Ein Mann, den ich hätte schützen sollen, war tot. Eine gute Reklame war das nicht gerade. Welcher Klient sollte da noch Vertrauen fassen?
„Sind Sie Mister Boulder?“, riss mich eine weibliche Stimme aus meinen Gedanken. „Mister Pat Boulder!“, wiederholte sie und betonte dabei meinen Vornamen auf eine Weise, die es in sich hatte.
Ich öffnete die Augen und sah eine Frau von Ende zwanzig. Das Haar war dunkel, ihr feingeschnittenes Gesicht wurde von zwei grünblauen Augen beherrscht und die Silhouette, die man unter dem eng anliegenden Kleid erahnen konnte, war atemberaubend. In der einen Hand hielt sie ein halbleeres Glas, in der anderen eine Zigarette, die allerdings noch nicht brannte.
„Darf ich mich zu Ihnen setzen, Mister Boulder?“
„Sie dürfen. Aber Sie haben sich einen schlechten Tag ausgesucht, um mit mir anzustoßen.“
„Ach, ja?“
„Erwarten Sie besser nicht, dass ich heute vor Witz nur so sprühe oder Sie sich geistreich mit mir unterhalten könnten!“
„Keine Sorge, Mister Boulder! Aber Feuer haben Sie doch bestimmt noch, oder?“
Ich langte in die Seitentasche meines Jacketts und holte die Streichhölzer hervor. Sie beugte sich vor, damit ich ihr Feuer geben konnte. Anschließend setzte sie sich und ich zündete mir auch eine an.
Nachdem ich den ersten Zug genommen hatte, trank ich mein Glas leer und verzog das Gesicht. „Richtiger Bourbon ist was anderes als dieser Fusel...“
„Mister Boulder...“
„Jetzt reden wir mal Tacheles. Wer sind Sie und wer hat Ihnen meinen Namen gesagt?“
Irgendwo lachte jemand sehr schrill und zog damit die Aufmerksamkeit aller auf sich. Für die junge Lady, die an meinem Tisch Platz genommen hatte, bedeutete dies, dass sie ein paar Sekunden länger Zeit hatte, sich eine vernünftige Antwort zu überlegen.
Sie beugte sich etwas über den Tisch und sprach anschließend mit gedämpfter Stimme.
„Mein Name ist Jessica Rampell. Und wer Sie sind weiß ich von Clunky.“
„Sagen Sie bloß, der redet mit Ihnen!“
„Ja, stellen Sie sich vor!“
„Anscheinend haben Sie das gewisse Etwas!“
Sie lächelte etwas spöttisch. „Das wird es wohl sein.“
Ich grinste zurück. „Da stehe ich einmal nicht an der Theke, sondern verzieh mich gegen meine sonstige Gewohnheit an einen Tisch und schon verpasse ich ein historisches Ereignis: Den Augenblick, in dem Clunky Small Talk macht!“
„So würde ich das nicht bezeichnen.“
„So?“
„Ich fragte ihn nach jemandem, der mir bei einer ziemlich delikaten Sache irgendwie weiterhelfen könnte!“
Ich zog an meiner Lucky Strike und war auf einmal wieder so nüchtern wie ein reformierter Prediger.
„Worum geht es?“
„Clunky hat erzählt, Sie seien ein guter Privatdetektiv.“
„Ich nehme 25 Dollar am Tag plus Spesen. Wenn Sie das aufbringen können, mache ich fast alles für Sie.“
„Gut zu wissen.“
„Aber nur fast alles.“
Ich dachte bei ihr an einen untreuen Ehemann, den es zu beschatten galt. Die Tatsache, dass die Kleine keinen Ehering trug, musste nichts heißen. Vielleicht hatte sie ihn vor lauter Wut schon versetzt. Eigentlich ein Job, den ich hasste wie die Pest. Aber nach der Schießerei in dem Diner sehnte ich mich geradezu nach einem langweiligen Job.
Immerhin schreckte sie mein Preis nicht und das hielt ich schon einmal für ein gutes Omen. Aber wenn ich mir das edle Armband und die Perlenkette so ansah, dann war eigentlich auch nichts anderes zu erwarten gewesen.
Doch im Hinblick auf die Art von Jessica Rampells Auftrag sollte ich mich ziemlich gründlich getäuscht haben.
Sie blies mir ihren Rauch entgegen. Vielleicht hatte sie das im Kino gesehen und hielt es für weltläufig.
„Clunky sagt, Sie würden ńe Menge Leute kennen!“
„Wenn Clunky das sagt...“
„Sie kommen doch viel herum, oder!“
„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“
„Ich brauche jemanden, der einen unauffällig über den See nach Kanada bringen könnte. Die Alkoholschmuggler fahren doch diese Route...“
„Ja, und es werden regelmäßig welche von ihnen geschnappt.“
„Dann wäre es besser, wir hätten neue Papiere?“
„Wir? Sie sind zu mehreren?“, hakte ich nach, bekam aber zunächst keine Antwort. „Wahrscheinlich wäre Ihnen eine Reise ohne Fragen und ohne Papiere am liebsten.“
Sie nickte lächelnd.
„Ja, so ähnlich“, gab sie zu.
„Was haben Sie auf dem Kerbholz?“
„Ja oder nein?“ Ihre Stimme hatte jetzt einen harten, metallischen Klang bekommen. Ihre grünblauen Augen erinnerten mich an die Augen einer Katze.
„Ich kann mich ja mal für Sie umhören“, sagte ich vage.
Sonderlich scharf war ich auf diesen Job nicht. Wenn schon die Klientin nicht genau weiß, was sie eigentlich will, gibt so etwas immer nur Komplikationen.
„Da wäre ich Ihnen sehr dankbar, Mister Boulder.“
„Wie kann ich Sie erreichen?“
„Überhaupt nicht. Ich werde Sie in den nächsten Tagen anrufen.“
Ich war etwas überrascht. Aber die Klientin ist Königin und es gab keinen Grund, sich auf ihre Bedingungen nicht einzulassen.
„In Ordnung“, stimmte ich zu. „Ganz wie Sie wollen!“
Ich langte in meine Brieftasche und gab ihr eine meiner Karten.
Sie nahm sie an sich, warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie dann in ihre Handtasche.
„Bis wann wollen Sie denn verschwinden?“, fragte ich noch.
„Spätestens Ende der Woche. Im Übrigen brauche ich zwei Plätze!“
„Verstehe“, log ich. Ich witterte irgendeine Romeo- und Julia-Geschichte, aber davon wollte ich im Moment eigentlich nichts weiter hören.
„Im Erfolgsfall bekommen Sie 100 Dollar zusätzlich!“, versprach sie mir. Dann holte sie ihre Brieftasche hervor und legte mir genau 25 Dollar auf den Tisch. „Und das ist dafür, dass Sie auch sofort damit anfangen, sich um meinen Fall zu kümmern!“
Ich lächelte dünn. „Geld beflügelt meinen Einsatzeifer immer ungemein“, gab ich zu, sammelte die Scheine ein, während ich die Lucky Strike im rechten Mundwinkel aufglimmen ließ und steckte die Beute des heutigen Tages in die Jackettinnentasche.
„Es ist wirklich dringend, Mister Boulder!“
„Es hat mich gefreut, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Ma’am!“, sagte ich.
Sie erhob sich und so tat ich es ebenfalls.
„Ich muss jetzt leider gehen“, erklärte sie und rauschte davon. Ich sah ihr noch ein paar Augenblicke nach, ehe sie sich in der Menge von Trinkern, die sich inzwischen in dem Speakeasy eingefunden hatte, verlor.
Ich atmete tief durch und dachte : So endet dieser verdammte Tag ja doch noch einigermaßen erträglich!
Wer hätte das für möglich gehalten?