Читать книгу Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 20
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Manhattan-Midtown, West 46th Street.
Kein erhebender Anblick. Nichts mehr von dem Glanz, den der weltberühmte Theaterdistrikt in früheren Jahrzehnten ausgestrahlt hat. Rudel von Taxis kurvten um die Häuserblocks mit den finsteren Eingängen, in denen sich finstere Typen herumdrückten. Wichtige Zeit für die Taxifahrer: Schluss der Theatervorstellungen. Ladys und Gentlemen in Abendkleidern und Smokings strebten Bordsteinkanten an, um nach den gelben Cabs zu winken, die sie aus dem Dreck nach Hause karrten. Abendkleider und Smokings zwischen Jeans, Felljacken, Parkas und zottigen Mähnen. Manhattans Theaterdistrikt heute.
Vereinzelt schwammen blau-weiße Streifenwagen der City Police im Strom der Taxi-Meute mit. Cops, die nichts anderes zu tun hatten, als ein wachsames Auge auf Bürgersteige und Hauseingänge zu werfen.
Ich zog meinen Sportwagen an einem Aluminiumbus der Gray Line vorbei. Ein Schwarm von Touristen ergoss sich in eines der Hotels zwischen Broadway und Eighth Avenue. Leute von jenseits des Großen Teiches, die sich noch immer Grandioses vorstellen, wenn sie die Reizworte »Broadway« und »Manhattan« hören. Leute, die nach einer Woche Sightseeing und Asphaltschlurferei nach Hause zurückfliegen und um ein paar schöne Illusionen beraubt sind.
New York City ist ziemlich kaputt. Finanzkrise, Kriminalität, Korruption — die Krankheit dieser Stadt hat eine Menge Symptome. Und den Reisegesellschaften scheint es zu gefallen, immer mehr Touristen herüberzukarren, damit sie sich an der Krankheit New Yorks weiden können.
Ich gehöre zu den New Yorkern, die die Hoffnung nicht verloren haben. Unsere Stadt hat noch eine Chance.
Zu meinem Job gehört es, an dieser Chance mitzubasteln. Das Krankheitssymptom Kriminalität vollends zu beseitigen, wird unmöglich sein. Aber wir können es in Grenzen halten. City Police und FBI gemeinsam.
Ich jagte die 46. Straße hinunter, überquerte achte, neunte und zehnte Avenue und bog nach links in die elfte ab. Ich war spät dran, konnte es nicht mehr schaffen, pünktlich um elf am Treffpunkt zu sein. Aber es hatte nicht anders geklappt. Der Dienstschluss hatte sich mal wieder unerwartet verzögert.
Außerdem noch diese besonderen Garderobevorschriften, die Frank mir gemacht hatte. Gammel-Look, sozusagen. Ausgebleichte Tennisschuhe mit dicken Gummisohlen. Jeans, fleckig, verwaschen, mit zerfransten Aufschlägen. Ledergürtel mit handtellergroßer Messingschließe, die eine aufgehende Sonne darstellte. T-Shirt, grauweiß, ebenfalls fleckig. Darüber eine Lederweste im Country-Stil.
Mein Trip war außerdienstlich. Nicht mal Milo, mein Freund und Kollege, wusste davon. Und die Klamotten hatte ich mir nicht etwa in der Requisitenkammer im FBI-Distriktgebäude besorgt, sondern aus der hintersten Ecke meines Kleiderschranks hervorgekramt. Für bestimmte Fälle verfüge ich über ein eigenes kleines Reservoir für Maskeradezwecke.
Meine stupsnasige Dienstwaffe trug ich im Inside-Holster unter dem Hosenbund — so, wie es die Männer von der Anti-Crime-Unit der City Police auch tun.
In der Höhe der 41. Straße verringerte ich das Tempo. Fahrbahn und Bürgersteige waren menschenleer. Zur Linken brannte hinter einigen wenigen Fenstern der Wohnhöhlen noch Licht. Leute, die auf ihre eigene Sicherheit Wert legten, trauten sich in dieser Gegend um diese Zeit nicht mehr ins Freie.
Ich bog nach rechts in die Vierzigste ab, schaltete die Beleuchtung aus und ließ den roten Flitzer an der Bordsteinkante ausrollen. Rechts reckte sich der fensterlose Betonklotz empor, in dem sich die Instandsetzungshallen der »Greyhound Bus Lines« befanden. Links ein ähnliches Gebäude, das der »Yale Transport Corporation« gehörte. Straßenlampen verstreuten trübes Licht. Die wenigen parkenden Limousinen, zu denen ich meinen Wagen gesellt hatte, stammten vermutlich von den Leuten, die als Nachtschichtler in den Werkstätten von Greyhound oder Yale arbeiteten.
Ich stieg aus, schloss ab, ließ die Schlüssel in die Tasche meiner zerfledderten Jeans gleiten. Zügig marschierte ich den Bürgersteig entlang in Richtung Hudson River. Zum Glück war keine Menschenseele in der Nähe. Kein Fußstreifen-Cop, kein Wachmann. Es ersparte mir lange Erklärungen, weshalb ich abgewrackter Typ in einer so miesen Gegend aus einem so teuren Schlitten stieg.
Und bis unmittelbar zum Treffpunkt konnte ich mich mit dem Sportwagen nicht vorwagen. Weil etwaige heimliche Beobachter mich für einen verkleideten Bullen gehalten hätten. Hundertprozentig. Die Burschen, in deren Kreisen Frank sich zur Zeit herumtrieb, haben einen sechsten Sinn für sowas.
Ich erreichte die zwölfte Avenue, die vom Stahlgerüst des Westside Express Highway begrenzt wird. Auf der anderen Seite verläuft die Jay Street unmittelbar am Hudson-Ufer mit den größtenteils verfallenen Piers.
Ich lenkte meine Schritte nach links. Das Yale-Grundstück wurde zur zwölften Avenue hin von einem doppelt mannshohen Bretterzaun begrenzt. Wucherndes Unkraut raschelte um meine Beine. Ein Bürgersteig, der kaum noch benutzt wurde. Keine Fußgängergegend. Oben auf dem Highway brummten Trucks und Limousinen. Irgendwo rumpelte eine von diesen Stahlplatten, mit denen bei uns in Manhattan Schlaglöcher ausgebessert werden.
Ich überquerte die Avenue, erreichte die Finsternis unter dem Highway und spähte angestrengt in Richtung Hudson River. Vor mir lag Pier 79. Ein uralter Wellblechkasten, der bei Sonnenschein wie eine rote Rostbeule blüht. Ich ging weiter flussabwärts, zwischen den Stelzenbeinen des Highways entlang. Meine Tennisschuhe verursachten keinen Laut auf dem glatten Asphalt, der tagsüber als Parkfläche diente.
Die Wasserfläche zwischen den Piers 79 und 78 lag vor mir. Funkelnde Lichtreflexe bewegten sich auf den Kräuselwellen. Etwa in der Mitte zwischen den beiden langgestreckten Piers befand sich der Ponton. Hubschrauberlandeplatz für die Manager von Greyhound und Yale, die in der Nachbarschaft in ihren Büros residierten.
Ich sah nur Konturen. Das flache Ponton-Quadrat mit der Baracke darauf, die sich kantig vor der Lichterglocke von Weehawken abzeichnete. Und ich marschierte weiter. Verrückter Ort für einen Treffpunkt. Das dachte ich auch jetzt noch. Aber Frank Taliferro hatte mich fast händeringend gebeten. Und weil ich ihn kannte, hatte ich zugestimmt.
Ich blieb in der schützenden Dunkelheit unter dem Highway. Okay, von Frank hatte ich keine Falle oder ähnlich Bösartiges zu erwarten. Aber da gibt es immer noch den Instinkt. Den, den man in langen Berufsjahren beim FBI entwickelt. Und vielleicht lag es auch ein wenig an der düsteren Umgebung, dass ich mich vorsichtig verhielt.
Die Geräusche hörte ich erst, als ich in Höhe der Baracke war. Irgendwie musste das kleine Gebäude wie eine schallhemmende Barriere gewirkt haben.
Ich erstarrte sekundenlang, suchte reflexartig Sichtschutz hinter einem stählernen Stützpfeiler.
Eindeutige Geräusche. Dumpfe Schläge, wie sie nur dann zu hören sind, wenn jemand einem anderen die Faust in den Leib rammt. Schmerzerfülltes Stöhnen. Wütende Knurrlaute. Hastige, scharrende Schritte.
Ich sah ein Knäuel von Silhouetten, die sich links von der Baracke bewegten — vor dem hellen Hintergrund Weehawkens.
Und ich zögerte keinen Atemzug lang, sondern fegte auf meinen geräuschdämpfenden Gummisohlen über die Jay Street hinweg. Die Maskerade hatte etwas für sich.
Als ich auf zwanzig, dreißig Yard heran war, erfasste ich das Geschehen deutlich, wenn es auch nur Schattenrisse waren, die durch das Gegenlicht gezeichnet wurden.
Es reichte.
Ich verlangsamte mein Tempo, spürte die feuchten Holzbohlen unter den Gummisohlen.
Die Kerle hatten ihn eingekreist. Zu dritt. Der vierte hielt sich noch zurück. Den Grund erkannte ich sofort. Ein Messer blitzte in seiner Rechten. Er wartete auf den richtigen Moment. Um Frank den Rest zu geben, sobald die anderen ihn reifgeprügelt hatten? Reif für den Todesstoß?
Mir stockte der Atem.
Deutlich erkannte ich Taliferros schlanke, athletische Statur. Er versuchte verzweifelt, sich gegen die Übermacht zur Wehr zu setzen. Aber alle Tricks und Ausfallversuche nützten ihm nichts. Sie trieben ihn wie einen Spielball zwischen sich hin und her. Es waren keine Anfänger, mit denen er es zu tun hatte.
Ich überlegte nicht lange, spannte die Muskeln, um loszuschnellen und den Messerschwinger außer Gefecht zu setzen. Von ihm drohte die größte Gefahr.
Im gleichen Atemzug geschah es.
Taliferro versuchte, mit einem Handkantenhieb durchzukommen. Der, den er langlegen wollte, wich aus. Und die beiden anderen schienen nur darauf gewartet zu haben. Brutale Nierenhaken trafen Frank von beiden Seiten. Stöhnend klappte er zusammen, stolperte, suchte vergeblich nach Halt. Ein hochgerissenes Knie traf ihn unter das Kinn, schleuderte ihn zurück. Die beiden Kerle, die links und rechts von ihm waren, packten seine Oberarme, zerrten ihn in die Senkrechte.
Ich brachte drei, vier Schritte hinter mich. Meine Rechte fuhr zum Inside-Holster.
Die Schläger achteten noch immer nicht auf ihre Umgebung, fühlten sich ihrer Sache offenbar hundertprozentig sicher.
Ich schaffte es nicht mehr, die volle Distanz zu überbrücken.
Der Messerschwinger setzte Taliferro die Klinge an die Kehle.
»So, Freundchen«, knurrte er, »du wirst jetzt ausspucken, was du in Scalzones Revier vorhast!«
Ich wich nach rechts aus, um einen besseren Winkel zu kriegen.
In diesem Moment bemerkte mich der Gangster, der zur Zeit tatenlos danebenstand.
»Achtung!«, brüllte er. »Achtung, da ist…«
Weiter kam er nicht.
Ich blieb breitbeinig stehen, stieß den Smith &Wesson im Beidhandanschlag mit ausgestreckten Armen nach vorn und brüllte lauter als der Schläger.
»Keine Bewegung!«
Sie zuckten zusammen.
Das Gegenlicht von Weehawken ermöglichte mir ein halbwegs sicheres Visieren.
Der Messerschwinger schien zu spüren, dass er ziemlich ungünstig dastand — nämlich vor Taliferro, haargenau in meiner Schusslinie. Und der mattschimmernde Waffenstahl, den ich ihnen präsentierte, war offenbar keinem von ihnen entgangen.
Frank verharrte regungslos. Denn da war noch immer die tödliche Klinge an seiner Kehle.
Der Bursche, dem diese Klinge gehörte, versuchte, das Beste aus der Sache zu machen.
»Das Schießeisen weg, Mann!«, schrie er. »Oder deinem Kumpel fehlen gleich die Stimmbänder! Ohne Kopf lebt sich’s schlecht, Mann!«
»Wenn schon«, entgegnete ich eiskalt und ließ einen Bluff folgen, auf dessen Wirksamkeit ich nur hoffen konnte.
Denn ich hatte keine Ahnung, in was für eine Sache Frank verwickelt war, wusste nur, dass es sich um nichts Legales handelte. »Mir ist es egal, ob er abkratzt oder nicht. Hauptsache, er spuckt nichts mehr aus.«
Der Messerheld zögerte, antwortete nicht sofort, wurde unsicher.
Den anderen erging es ähnlich. Die Entscheidung nahm ihnen keiner ab. Es war niemand da, der ihnen den Befehl gab, alles auf eine Karte zu setzen. Typische Befehlsempfänger. Mein Gefühl sagte mir, dass ich es mit dieser Sorte zu tun hatte.
»Lass fallen!«, forderte ich den mit dem Messer auf. »Ich gebe dir noch drei Sekunden, dann verliere ich die Geduld. Eins…«
»Knall ihn ab«, sagte Frank Taliferro. Seine Stimme klang eisig und beherrscht in die Stille.
»Zwei…«, sagte ich.
Der Messerschwinger stieß einen Wutschrei aus. Seine Hand, die die Klinge vor Franks Kehle hielt, zitterte.
»Schluss mit dem Unsinn! Er krepiert. Ich mach Ernst, Mann!«
»Drei…«, sagte ich.
Ein Zucken lief durch den Körper des Messerhelden. Ich registrierte es innerhalb von einer Hundertstelsekunde. Er machte tatsächlich Ernst. Ob aus Verzweiflung, oder aus der Annahme, dass ich mich tatsächlich einschüchtern ließ, vermochte ich nicht mehr zu ergründen.
Ein Warnschuss war nicht drin. Mein Kurzläufiger lag ruhig in der Visierlinie.
Ich zog durch.
Die Dienstwaffe bäumte sich in meinen Fäusten auf. Grellweiß blitzte das Mündungsfeuer. Das dumpfe Bellen des Schusses ging im Verkehrsrauschen unter, das vom Westside Highway herüberwehte.
Ein Schmerzensschrei gellte auf. Blitzender Stahl wirbelte durch die Luft, landete scheppernd auf den Bohlen des Pontons, irgendwo weit entfernt.
In dem Sekundenbruchteil, in dem ich mich zur Seite warf, sah ich noch, wie es den Messerschwinger herumriss. Mein Projektil hatte ihn präzise in den rechten Oberarm getroffen.
Behände rollte ich mich ab, schnellte federnd halb hoch, hatte die Waffe erneut im Anschlag.
Taliferro schickte den schreienden Messerschwinger mit einem gutdosierten Handkantenhieb auf die Bretter.
Stille.
Meine Vorsicht war unnötig. Die drei anderen hatten offenbar keine Schießeisen bei sich. Jedenfalls gab es keine Mündungsblitze, die meinen Feuerzauber erwiderten.
Statt dessen geriet Taliferro erneut in arge Bedrängnis. Wie wutschnaubende Bulldoggen drangen sie auf ihn ein. Sie hatten erkannt, dass ich jetzt nicht mehr feuern konnte, wenn ich nicht Frank selbst gefährden wollte.
Es bestätigte mir, dass sie mich so einschätzten, wie ich es erwartet hatte. Sie trauten mir zu, dass ich auch auf Unbewaffnete schießen würde, hielten mich also nicht für einen Polizeibeamten, der nur in einem akuten Notwehrfall zur Waffe griff.
Ich holsterte meinen Revolver, wollte vorwärtsstürmen, um Taliferro zu Hilfe zu kommen.
Eine Bewegung knapp hinter mir stoppte meine Schritte im Ansatz. Es folgte ein Geräusch, bei dem sich meine Nackenhaare sträubten.
Das metallische Zurückgleiten eines Pistolenschlittens.
»Streck sie hoch, Freundchen!«, erscholl eine bissige Stimme.
Ich erstarrte zur Bewegungslosigkeit. Wut packte mich. Aber ich gehorchte, stieß die Hände langsam, zögernd dem Nachthimmel entgegen. Keine Ahnung, wer der Kerl hinter mir war, woher er so plötzlich aufgetaucht war.
Vor mir sah ich mit erschreckender Deutlichkeit die beklemmende Szenerie.
Frank Taliferro kämpfte mit stummer Verbissenheit, teilte gnadenlose Haken und Handkantenschläge aus. Noch schaffte er es, sich die Schläger immer wieder vom Hals zu halten. Aber es konnte nur noch eine Frage von Minuten sein, bis er der Übermacht unterlag.
»Gut so«, sagte die Stimme in meinem Rücken, »und keine falsche Bewegung, sonst…« Er hielt inne, schnaufte, atmete schwer.
Da war etwas, was mir an seiner Stimme auffiel. Es klang, als ob ihm das Sprechen Mühe bereitete. Das Schnaufen bestärkte diesen Eindruck. Worauf wartete er? Dass die drei anderen die Situation klärten?
Verdammt, ich brachte es nicht fertig, einfach zuzusehen, wie sie Taliferro in Stücke schlugen! Und ich explodierte, nutzte die winzige Chance, die ich instinktiv witterte.
Blitzartig sackte ich in mich zusammen, schnellte zur Seite weg. Bewegungen, die flüssig ineinander übergingen.
Peitschend bellte die Waffe über mir auf.
Noch im Nachhall des Schusses wirbelte ich herum.
Die Schläger stießen Triumphgebrüll aus. Sie konnten den Klang einer Pistole von dem eines Revolvers unterscheiden.
Ich hatte den Burschen zum Greifen nahe vor mir. Sah seine tückisch glitzernden Augen, sah, wie er die Automatik herumschwenkte.
Er schwenkte sie gegen meine Schuhspitze.
Für ihn musste es ein Gefühl sein, als ob sein Handgelenk zerschmettert wurde. Ich schloss es aus seinem schrillen Schmerzensschrei.
Die Pistole wurde ihm von meinem Tritt aus der Hand katapultiert. Zum Glück löste sich kein Schuss, als sie zu Boden fiel.
Ich hechtete auf den Mann zu. Er schwankte schon jetzt auf unsicheren Beinen. Er musste schwer angeknackst sein. Ich fing an, zu begreifen, was vorgefallen war.
Mein Körpergewicht saß dahinter, als ich ihm die geballte Rechte auf das Zwerchfell punktete.
Es klang, als hätte ich einen mit Luft gefüllten Mehlsack angestochen. Er stieß einen Zischlaut aus, der mir durch und durch ging. Fast empfand ich Mitleid mit ihm, befürchtete schon, zu hart zugeschlagen zu haben. Deshalb verzichtete ich darauf, mit einem Aufwärtshaken nachzusetzen.
Er hatte auch so genug, sackte in sich zusammen, kippte auf die Seite, hörte auf zu zischen und rührte sich nicht mehr.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und spurtete in Richtung Wasserseite.
Für Frank Taliferro wurde es allmählich höllisch mühsam. Einen der Kerle hatte er schwer angeschlagen. Aber die anderen beiden waren im Begriff, ihm den Rest zu geben.
Den Angeschlagenen fegte ich mit einem einzigen gnadenlosen Hieb aus dem Weg. Sein Torkeln ging in freien Fall über. Krachend schlug er der Länge nach auf die Bohlen.
Ich sprang über den Schatten des bewusstlosen Messerschwingers hinweg und griff mir den nächsten. Krallte meine Linke in seine Schulter und riss ihn herum, weg von Taliferro.
Der Schläger starrte mich an. Eine Schrecksekunde lang war er verblüfft. Wie in einer Momentaufnahme sah ich sein erschrocken verzerrtes Gesicht.
Die Momentaufnahme war weggewischt, als ich eine Gerade hineinfeuerte. Die Wucht des Hiebes riss den Mann förmlich von den Füßen. Er stolperte, machte sehr kurze, sehr schnelle Schritte rückwärts, stützte sich mit den Händen auf und schaffte es, wieder hochzukommen.
Taliferro war zurückgewichen, um mir Platz zu machen. Ich sah, dass er sich intensiv mit dem Übriggebliebenen beschäftigte.
Mein Kontrahent hatte noch nicht genug. Er schüttelte sich, schnaubte und sammelte sich zu einem neuen Angriff.
Bevor er das Sammeln beendet hatte, brachte ich ihn durch eine Finte aus dem Konzept.
Er reagierte mit einem schlecht gezielten Uppercut, der an meiner linken Wange vorbeischrammte.
Dafür kassierte er eine Gerade von mir, die an seinem rechten Schulterknochen detonierte. Es riss ihn herum. Er drehte sich wie ein Kreisel.
Ich packte ihn mit beiden Fäusten, beendete die Kreiselei, um besser zielen zu können. Kurz und federnd ließ ich die rechte Handkante herabsausen.
Er sackte in sich zusammen, ohne auch nur noch einen Laut von sich zu geben.
Frank Taliferro kam auf mich zugelaufen. Seine Situation war ebenfalls geklärt.
»Danke, Jesse«, keuchte er. »Los, schnell!«
»Was, schnell?«, fragte ich verwirrt. Ich begriff nicht ganz, weil ich es nicht begreifen konnte.
»Weg hier!«, drängte Taliferro. »Wir müssen schleunigst hier weg!«
Etwas in seiner Stimme machte mir klar, dass eine Menge für ihn davon abhing. Deshalb tat ich etwas, was ich unter normalen Umständen niemals gemacht hätte: Ich verzichtete darauf, fünf bewusstlose Strolche wegen vorsätzlichen Angriffs auf einen Beamten der City Police und einen Spezialagenten des FBI vor den Richter zu bringen.
Und ich ging das Risiko ein, dass mir dieser Entschluss irgendwann vielleicht leid tun würde.
Taliferro und ich rannten hinüber in die Finsternis unter dem Westside Highway.