Читать книгу Mörder im Sturm: 3 Top Krimis - Alfred Bekker - Страница 28
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Das Callgirl nannte sich Madeleine, aber das war vermutlich nur ihr Künstlername, mit dem sie sich per Anrufbeantworter meldete und unter dem sie vielleicht auch Anzeigen in der Presse aufgab.
An der Tür ihres Apartments stand Dorothy Browne - ein Name der auf jeden Fall sehr viel weniger geheimnisvoll klang als Madeleine.
Bount musste zweimal klingeln, bis ihm jemand öffnete. Dieser jemand war ein hochgewachsenes, graziles Geschöpf in einem körpereng anliegenden Kleid, das nichts verbarg, aber einiges hervorhob.
"Madeleine?", fragte Bount.
Sie musterte Bount eingehend, dann nickte sie leicht. "Komm rein", sagte sie, als würden sie sich eine Ewigkeit kennen. Eines sah Bount schon auf den ersten Blick, als er das Apartment betrat: Madeleine war zweifellos ein Callgirl der gehobenen Klasse. Und vermutlich arbeitete sie auf eigene Rechnung.
Sie hatte die Tür geschlossen und fragte dann: "Eigentlich geht bei mir nichts ohne Voranmeldung", erklärte sie. "Ich habe einen Anrufbeantworter..."
"Ich weiß", erwiderte Bount.
"In anderthalb Stunden habe ich die nächste Verabredung." Bount lächelte. "Ich hoffe nicht, dass es so lange dauert." Sie erwiderte das Lächeln. Es war ein professionelles Lächeln, aber ein sehr gekonntes. Eines, bei dem man fast vergessen konnte, dass es zu ihrem Job gehörte.
"Bitte, nimm Platz! Wie heißt du?"
"Bount Reiniger."
"Hübscher Name! Wollen wir vorher noch etwas trinken?"
"Was hast du denn da?"
"Champagner, Bourbon, was du willst!"
"Dann Champagner."
"Okay." Sie zwinkerte ihm zu. "Bis gleich..." Sie ging in den Nebenraum und diesen Augenblick nutzte Bount. Er hörte sie mit Gläsern und Flaschen hantieren und etwas suchen und wusste auf diese Weise, dass er noch etwas Zeit hatte. Seine Hand ging zu dem Register neben ihrem Telefon.
Das Register war alphabetisch geordnet. Das erleichterte die Sache ganz erheblich. Bount sah unter M nach. Malrone stand drin. Reinigers Finger glitten schnell und geschickt über die Seiten. Unter 'H' schaute er noch Holding, fand ihn aber nicht. Wäre ja auch zu schön gewesen!, ging es ihm durch den Kopf. Dafür fand er unter demselben Buchstaben einen anderen Namen, hinter dem vielleicht auch ein alter Bekannter steckte. Der Name war Hamid, Vorname Georges.
Er konnte das Telefonregister noch schnell genug zurücklegen, um nicht von seiner Gastgeberin erwischt zu werden. Sie kam mit einer Flasche und Gläsern.
"Schöne Grüße von Georges", sagte Bount Reiniger wie beiläufig. Madeleine war nicht dumm. Sie stockte mitten in der Bewegung und schien zu spüren, dass dieses Treffen anders ablaufen würde, als sie es sich gedacht hatte.
"Welcher Georges?", fragte sie betont kühl und gleichgültig. Sie hatte sich gut in der Gewalt, dass musste der Neid ihr lassen. Ihr Augenaufschlag blieb professionell.
"Gibt es davon denn so viele?", fragte Bount. In seiner Stimme klang ein wenig Sarkasmus mit und Madeleine schaltete von einem zum anderen Moment um.
"Georges soll mich in Ruhe lassen", erklärte sie und wich etwas von Bount weg. Sie hatte sich eigentlich setzen wollen, blieb jetzt aber stehen. "Du bist nicht einfach nur hier, um dein Vergnügen zu haben", meinte sie und Bount dachte: Sie kombiniert rasiermesserscharf. Wahrscheinlich hätte sie auch in einem anderen Job über die Mittelklasse hinaus kommen können.
Bount hob die Augenbrauen und goss sich etwas von dem Champagner ein.
"Was beunruhigt dich so?"
"Georges hat dich geschickt, nicht wahr?"
"Warum sollte er?"
"Er hat Angst, dass ich rede. Das hatte er von Anfang an." Sie seufzte. "Ich habe meinen Job gemacht, kassiert und damit fertig. Das kannst du ihm bestellen. Von allem anderen weiß ich nichts. Und es interessiert mich auch nicht. Und wenn Georges noch einmal jemanden für so eine Sache wie bei diesem Malrone braucht, dann soll er sich jemand anderen suchen." Bount horchte auf.
"Malrone ist tot", sagte er. Es war eine einfache Feststellung gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Aber Madeleine alias Dorothy Browne sah den Privatdetektiv an, als wäre er ein exotisches Tier.
Sie flüsterte: "Wie...? Ich meine..."
"Er wurde mit einem Messer aufgeschlitzt." Zwei ganze Schritte wich sie zurück und stolperte fast über den Teppichrand. Sie schüttelte stumm den Kopf. Vielleicht ist jetzt die Zeit reif, die Karten auf den Tisch zu legen!, überlegte Bount, griff in die Innentasche und warf ihr seinen Ausweis auf den Tisch. "Ich komme auch nicht von Georges Hamid." Sie nahm Bounts Ausweis und blickte dann zu ihm auf. Abscheu war in Ihren Augen zu lesen. "Ein Schnüffler... Verdammter Bastard!"
"Sei froh, dass ich nicht einer von denen bin, mit denen du dich eingelassen hast. Die gehen nämlich notfalls über Leichen."
Sie schluckte, fand dann eine Schachtel Zigaretten und zündete sich mit hastigen, nervös wirkenden Bewegungen eine an.
"Was weißt du, Schnüffler?"
"Ich weiß, dass du ziemlich dick drinsteckst."
"Wo drin?"
"Im Schlamassel. In einem Mordfall, verstehst du? Deine Telefonnummer befand sich unter den Sachen des toten Malrone."
"Ich habe ihn aber nicht ermordet! Ich höre jetzt zum ersten Mal davon!"
"Mag sein, aber wenn die Sache Kreise zieht, dann wird man dir hier dein Apartment einrennen! Ross Malrone war ein Mann, der in der Öffentlichkeit stand. Die Zeitungen werden über den Fall berichten und wenn dein Name - dein wirklicher Name - dort fällt..." Bount zuckte die Achseln, stand auf und nahm seinen Ausweis wieder an sich. "Ich weiß nicht, ob diese Art Publicity gut für dich wäre..."
Sie ihn wütend ab, aber sie war nicht auf ihn wütend. Nicht in erster Linie jedenfalls. Sie begriff. Wenn es Aufsehen gab, dann würde damit auch andere auf sie aufmerksam werden: Das Finanzamt, ihre Vermieter, ihre Nachbarschaft. Das konnte nicht in ihrem Interesse sein, also sagte sie: "Du hast gewonnen! Was willst du hören?"
"Die Wahrheit!"
"Ich weiß nicht viel. Ich habe auch nicht die geringste Ahnung, weshalb Malrone umgebracht wurde." Sie ging ein paar Schritte auf und ab, zog an ihrer Zigarette und goss sich dann ein Glas ihres eigenen Champagners ein. Vielleicht brauchte sie jetzt einfach einen Schluck Bount wartete geduldig ab.
Dann begann sie zu erzählen. "Eines Tages tauchte hier ein Mann namens Georges Hamid auf - ein Mann mit viel Geld. Ich glaube, er nannte sich Import/Export-Kaufmann." Sie zuckte die Achseln und stieß nachdenklich den Rauch aus. "Ich kenne viele, die sich so nennen und in Wahrheit etwas ganz anderes sind."
"Und?", fragte Bount. "Ist Hamid etwas anderes?"
"Für jemanden wie mich ist es besser, das nicht zu wissen", erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln, das müde wirkte, aber nicht mehr ganz so ängstlich. Sie fuhr fort: "Er war zuvor noch nie bei mir gewesen. Weiß der Teufel, wie er gerade auf mich gekommen ist! Ich bekam einen Batzen Geld, um mich an einen Mann namens Ross Malrone heranzumachen. Auf einer Party, zu der Hamid mich mitgenommen hatte, funkte es dann."
"Was bezweckte Hamid mit der Sache?"
"Er wollte Malrone erpressbar machen, so einfach ist das! Es wurden heimlich Video-Aufzeichnung von Malrone und mir gemacht." Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und zuckte mit den Schultern. "Seine Frau soll sehr eifersüchtig sein. Sie hätte ihm das nicht verziehen. Vermutlich hätte er bei einer Scheidung auch die Kinder verloren, und das wäre für ihn das Allerschlimmste gewesen, wie er mir mal in einer stillen Stunde anvertraut hat. An den Kindern hing Ross wirklich sehr." Bount verstand. Ross Malrone war in eine Falle gegangen, aus der es kein Entkommen mehr für ihn gegeben hatte.
"Sie wissen nicht, was dieser Hamid von Malrone erpresste?"
"Nein. Geld, nehme ich an. Obwohl Georges Hamid den Eindruck machte, selbst genug davon zu haben."
"Die Bänder sind im Besitz von Hamid?"
"So ist es." Sie trat näher an Bount heran und wandte ihm einen ziemlich ernsten Blick zu. "Du wirst doch keinen großen Zirkus von der Sache machen, oder?"
"Nicht, wenn es sich vermeiden lässt."
"Dann ist es ja gut."