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SPERRMÜLL

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Mein Name ist Alem,

ich bin 21 Jahre alt und ich lebe in Lilienthal.

Das ist ein sehr ruhiger Ort.

Die Menschen dort sind nett und freundlich,

die Straßen sind sauber.

Man sieht keinen Müll auf der Straße.

Und wenn es Abfall gibt,

dann heißt das nicht Müll, sondern „Sperrmüll“.

Sperrmüll ist eigentlich kein Müll.

Es sind Sachen, die man nicht mehr braucht.

Sie werden dann nach draußen gestellt

und andere können sie mitnehmen.

Man findet dann Stühle, Tische, Regale, Betten,

Matratzen, Lampen, Spielzeuge etc.

Wenn ich diesen Sperrmüll

in meiner Heimat gehabt hätte,

dann wäre ich heute ein reicher Mann.

Ich komme aus einer sehr armen Familie,

wo die Kinder keine Zeit hatten, zu spielen.

Wir mussten ganz früh arbeiten,

damit die Familie überleben konnte.

Wir sind sieben Geschwister.

Ich bin in Afghanistan geboren, aber nach einem Jahr

ist meine Familie in den Iran geflüchtet.

Krieg und Hunger haben uns dahin vertrieben.

Dort bin ich aufgewachsen,

trotzdem fühle ich mich als Afghane.

Im Iran begann ich mit sieben Jahren zu arbeiten.

Mit meinen Brüdern sammelte ich

Müll von der Straße;

Flaschen, Dosen, Papier, Plastik, Gummi, Leder etc.

Ich hatte eine Schubkarre,

da habe ich den Müll reingetan

und nach Hause transportiert, wo wir das Ganze sortiert haben,

um es später zu verkaufen.

Diese Arbeit habe ich gemacht,

bis ich 14 Jahre alt war.

Natürlich war das Schwarzarbeit,

wir durften in Iran nicht arbeiten.

Mein Vater hat als Schuster gearbeitet.

Er lebte leider nicht lange und ist mit 38 verstorben.

Es kann sein, dass er deswegen gestorben ist,

weil er bei einem Streit mit einem Onkel von mir

am Bauch schwer verletzt worden ist.

Nachdem ich mit dem Müll aufgehört hatte,

arbeitete ich auf dem Land bei der Wassermelonenernte.

Später habe ich als Maurer gearbeitet.

Zur Schule bin ich nie gegangen,

deshalb konnte ich weder lesen noch schreiben lernen.

Das ist das Ergebnis von Krieg

und der Herrschaft der Taliban, die alles verbieten.

Nachdem mir eines Tages die iranische Polizei

meine Papiere wegnahm,

wurde für mich alles noch komplizierter.

Ich musste zurück nach Afghanistan.

Zwei Mal habe ich versucht in den Iran wieder einzureisen.

Beide Male wurde ich abgeschoben.

Aber im Iran war die Situation auch nicht besser

als in meiner Heimat,

deshalb entschied die Familie, nach Afghanistan

zurückzukehren, wo wir wieder in eine

aussichtslose Situation geraten sind.

Deshalb sind wir alle, die ganze Familie,

meine Mutter, meine Schwestern und Brüder,

meine Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins,

Schwager und Schwägerinnen, nach Europa geflüchtet.

Insgesamt waren wir fünfzig Personen unterwegs.

Drei Monate sind wir gelaufen, gefahren, gerannt.

Mit dem Boot, mit dem Auto, mit dem Bus, zu Fuß.

Durch Wälder, über die Berge, am Wasser, im Regen,

in der Kälte, in der Hitze, durch Täler,

an Autobahnen entlang, am Tag und in der Nacht.

Durch Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland,

Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich …

bis wir in Deutschland waren.

Nun bin ich in Lilienthal.

Das ist ein sehr ruhiger Ort.

Die Menschen sind ruhig,

nett und freundlich.

Die Straßen sind sauber, man sieht keinen Müll.

Wie gesagt, nur Sperrmüll.

Ich müsste eigentlich glücklich sein.

Aber ich finde immer noch keinen Frieden.

Mein Asylantrag wurde abgelehnt.

Ich weiß nicht, was aus mir wird.

Wenn sie mich in die Heimat zurückschicken,

dann weiß ich nicht weiter.

Dort habe ich nichts.

Ich habe alles verloren, alles verkauft,

um nach Deutschland zu kommen.

Wenn ich hierbleiben darf

und eines Tages Kinder kriege,

dann sollen sie wie Kinder spielen,

so wie Kinder eben spielen.

Grenzenlose Hoffnung

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