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XVI. Kapitel

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Von der göttlichen Vorsehung: Die Siegeskrone winkt nur dem Tugendstreiter (59), der Gottlose begnügt sich mit der Rolle des müßigen Zuschauers (60). Seiner harrt die Strafe (61). Mit zeitlichen Gütern gesegnet, soll er dereinst keine Entschuldigung haben (62—64).

59. Ist der nicht ungerecht, der den Preis gibt, bevor der Kampf beendet ist? Daher der Ausspruch des Herrn im Evangelium: „Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!“94 Er sprach nicht: selig die Reichen, sondern: die Armen. So fängt also nach göttlichem Urteil die Seligkeit da an, wo menschliche Meinung nur Elend erblickt. „Selig die Hungernden; denn sie werden gesättigt werden! Selig die Trauernden; denn sie werden Trost finden! Selig die Barmherzigen; denn ihrer wird auch Gott sich erbarmen! Selig, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen! Selig, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden; denn ihrer ist das Himmelreich! Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse wider euch reden werden um der Gerechtigkeit willen! Freut euch und frohlocket; denn euer Lohn ist groß im Himmel!“95 Einen zukünftigen, nicht gegenwärtigen Lohn versprach er; im Himmel, nicht auf der Erde ist er auszuzahlen. Was forderst du hier, was dir an einem anderen Ort gebührt? Was verlangst du vorzeitig die Krone, bevor du siegst? Was wünschst du den Staub abzuschütteln, was auszuruhen, was verlangst du nach Speise, bevor die Rennbahn durchlaufen ist? Noch sieht das Volk zu, noch stehen die Wettkämpfer auf dem Kampfplatz: und du verlangst bereits nach Muße?

60. Doch vielleicht möchtest du einwenden: Warum geben sich die Gottlosen dem Vergnügen, warum der Ausgelassenheit hin? Warum teilen nicht auch sie die Mühe und Arbeit mit mir? Weil die, welche sich nicht um die Siegeskrone bewerben, auch nicht zur Kampfesmühe sich angehalten fühlen. Wer nicht in die Rennbahn tritt, salbt sich nicht mit Öl, beschmutzt sich nicht mit Staub. Kämpfer, deren Ruhm harren soll, erwartet Ungemach. Salbenduftende Weichlinge pflegen zuzuschauen, nicht zu kämpfen, nicht Sonne, Hitze, Staub und Regen zu ertragen. Wohl mag auch an sie die Aufforderung der Kämpfenden ergehen: Kommt, teilt die Kampfesmühe mit uns! Doch als Zuschauer werden sie antworten: Wir spielen hier inzwischen eure Richter; ihr aber werdet euch auch ohne uns, wenn ihr siegt, den Ruhm sichern.

61. Solche Leute nun, die ihr Sinnen und Trachten auf Genuß, auf Völlerei, Erpressung, Erwerb und Ehren richten, sind mehr Zuschauer denn Streiter. Sie ziehen Vorteil aus der Arbeit, keine Frucht aus der Tugend. Sie pflegen des Müßigganges, scharren in List und Ungerechtigkeit Haufen von Reichtümern zusammen. Doch wenn auch spät: sie werden für ihre Schlechtigkeit Strafe erleiden. Ihre Ruhe ist in der Hölle, die deinige aber im Himmel; ihre Behausung ist im Grabe, die deinige im Paradiese. Darum der schöne Ausspruch Jobs: sie wachen im Grabe96, weil sie des Schlafes der Ruhe nicht genießen können, den jener schlief, der auferstanden ist.

62. Sei also nicht unverständig wie ein Kind, rede nicht wie ein Kind, denke nicht wie ein Kind, maße dir nicht wie ein Kind etwas an, was einer späteren Zeit vorbehalten ist! Die Krone gebührt den Vollendeten. Mache dich gefaßt, daß die Vollendung kommt! Dann magst du nicht im rätselhaften Bilde, sondern von Angesicht zu Angesicht die Gestalt der enthüllten Wahrheit selbst erkennen97. Dann wird offenbar werden, warum der Ungerechte und Erpresser fremden Gutes reich, warum ein anderer mächtig, warum ein dritter mit zahlreichen Kindern gesegnet, wieder ein anderer mit Ehren bedacht war.

63. Vielleicht soll zum Erpresser einmal gesprochen werden: Du warst reich, warum raubtest du fremdes Gut? Nicht Not trieb dich, nicht Armut zwang dich hierzu. Habe ich dich nicht deshalb reich werden lassen, um dir keine Ausrede zu ermöglichen? Ebenso soll zum Mächtigen gesprochen werden: Warum standst du den Witwen, ferner den Waisen nicht bei, da sie Unrecht litten? Warst du zu schwach hierzu? Warst du außerstande, Hilfe zu leisten? Darum habe ich dich mächtig gemacht, nicht daß du Gewalttat übest, sondern verhütest. Galt dir nicht das Schriftwort: „Rette den, dem Unrecht widerfährt“?98 Galt dir nicht das Schriftwort: „Befreiet den Armen und Notleidenden aus der Hand des Sünders“?99 Desgleichen soll zum Reichen gesprochen werden: Mit Kindern und Ehren habe ich dich reich bedacht, leibliche Gesundheit dir geschenkt: warum befolgtest du meine Gebote nicht? Mein Diener, was habe ich dir getan oder womit dich betrübt? Habe nicht ich dir die Kinder gegeben, die Ehren verliehen, die Gesundheit geschenkt? Warum hast du mich verleugnet? Warum glaubtest du, dein Tun dringe nicht zu meinem Wissen? Warum behieltest du meine Gaben, hieltest du nicht meine Gebote?

64. Am Verräter Judas mag man denn dies erschließen. Er war zum Apostel unter den Zwölfen erkoren und erhielt die Geldmünzen anvertraut, die er an die Armen verteilen sollte. Es sollte nicht scheinen, als habe er den Herrn verraten, weil er nicht genugsam geehrt, oder weil er in Not war. Gerade deshalb gab sie ihm der Herr, daß er an ihm gerechtfertigt würde. Nicht aus Erbitterung über ein Unrecht, sondern aus Mißbrauch seines Gnadenamtes machte er sich der um so größeren Beleidigung schuldig.

Von den Pflichten der Kirchendiener

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