Читать книгу Jetzt spinnen wir um die Wette, Henriette! - Andrea Charlotte Berwing - Страница 25

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Frauen

Lea wird die Tür geöffnet. Sie hat unten geklingelt und oben.

„Dort unten gibt es einen Türöffner, den benutze bitte, sonst denken die Frauen hier, es sind Gäste. Komm mit. Dein erster Tag hier? Dann bleibst du erst mal bei mir und ich erklär dir das Prozedere. Zieh dich mal in Ruhe um, dein Portemonnaie kann ich hier einschließen, bis du einen eigenen Schrank hast.“

Lea ist eingetaucht in eine andere Welt. Die Frauen beäugen sie. Sie sitzen auf dem Sofa, schminken sich im Bad oder waschen sich auf dem Bidet ihren Unterleib.

Ab und zu klingelt es, dann stellen sie sich der Reihe nach vor, wenn der Gast nicht schon einen Wunsch hat.

„Pass auf, dass sich keiner in dich verliebt“, lacht Medea Lea an.

„Und du“, Lea staunt, „du könntest doch Topmodel werden oder Unterwäschemodel oder überhaupt Model.“ Lea ist ungläubig, was für Schönheiten!

„Nee, nee“, mischt sich Susanna ein, „wenn du hier gearbeitet hast, kannst du dich nie wieder in der Öffentlichkeit blicken lassen. Irgendjemand erkennt dich und dann ist es vorbei mit der Karriere.“ Lea rutscht das Herz in die Hose. Die Realität von draußen ist gerade in diese Räume mit eingesickert und schnürt ihre Kehle zu. Die Kehle, die sowieso die nächsten Jahre keinen Alkohol mehr schmecken wird, hatte Lea kurzfristig beschlossen. Ihr ist immer noch kotzübel. Jetzt kann sie keine Karriere mehr machen? Ihr Leben ist vorbei? Dabei hat sie ihr Leben doch gerade gerettet. Es fing doch grad für sie an. Sie fühlt ihren flauen Magen, immer noch.

„Cosma!“, ruft die Hausdame laut, „der Gast, im rosa Zimmer hat sich für dich entschieden, eine Stunde!“

Lea hüpft alles in ihrem Körper hoch. O je, Sex, wie geht das überhaupt? Hab ich schon eine Ewigkeit nicht mehr gehabt.

„Ich weiß gar nicht mehr, wie Sex geht“, ruft sie verzweifelt in die Runde.

Die Frauen grinsen. Was ist das für eine, tut jungfräulich und meldet sich im Puff an. Wat für `ne Welt.

„Das kann man nicht verlernen!“ Die Hausdame gibt sich zuversichtlich.

„Aber du musst nicht, wenn du nicht willst, dann sag ich ihm Bescheid!“ Tröstlich. Doch Lea ist entschlossen.

„Erst mal komme ich zum unromantischen Teil!“, lächelt sie den Gast in Rosa an.

„Ja, ja“, aufgeregt gibt er ihr das Geld.

Lea nimmt es genauso aufgeregt entgegen: „Gleich bin ich wieder da!“

Dann gehen sie zusammen aufs Zimmer. Musik spielt. Ein riesiges Bett, verhangen mit großzügigem Tuch, von Kordeln verziert. Das Licht gedimmt, es ist halbdunkel.

„Du kannst dich echt blicken lassen“, sagt der dunkelhaarige Mann, mit dem sie kurze Zeit später ein schönes Techtelmechtel hat. Als wüsste er um ihre Ängste. Lea hatte seit Langem keinen so guten Sex gehabt, wie mit ihm. Er war auf der Durchreise, lebt in Hamburg. Sie verlässt ein paar Stunden später das Bordell mit gemischten Gefühlen.

Sie hat Geld genommen für Sex und hatte guten Sex. Mit dem einen Mann. An diesem ersten Sonntag. Als Erstes kauft sie sich etwas zu essen, eine Flasche Wein und Zigaretten. Der Rest kommt in Iris‘ Lieblingsdose. Für die Miete. Für ihr neues Leben. Dafür, dass sie irgendwo nächste Woche eine Tasse Kaffee trinken wird, ohne sich selbst dabei zu erwürgen. Morgen wird sie wieder gehen. Sie legt sich in das Bett von Bernd und Iris, das hatte sie seit Jahren nicht mehr gemacht. Richtig, das letzte Mal lag sie hier, zwischen den beiden, bevor sie wieder heimfuhr, nach Bilma. Ines und Bernd weinten. Jetzt ist es hier still. Zu still. Doch friedlich. In Embryostellung schläft Lea ein und träumt von einem Sternenhimmel und tausend über tausend Lichtern einer Stadt. Berlin. Ihre Stadt. Hier würde sie bleiben und alt werden.

Jetzt spinnen wir um die Wette, Henriette!

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