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Hans-Heinrich Krohn
ОглавлениеHans-Heinrich Krohn stützte seinen Kopf auf seine Hände und atmete tief durch, ehe er das geänderte Testament unterschrieb. Dann ging er langsam und bedächtig vom Schreibtisch seines Hauses in seinen Ruheraum und setzte sich in seinen bequemen Sessel.
Ein wenig schwermütig dachte er an sein vergangenes Leben. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er hatte am 3. Januar seinen 66. Geburtstag gefeiert, Jahrgang 48, Nachkriegszeit. Er hatte die Reederei geerbt und erfolgreich weiter ausgebaut. Eine Flotte von 19 Schiffen und Barkassen. H-H Krohn ElbReederei GmbH und Co.KG in dritter Generation. Ja, er hatte viel erreicht.
Sein Unternehmen mit den Hamburger Hafenrundfahrten hatte seinen Sitz an den St. Pauli Landungsbrücken. Hafenrundfahrten und ergänzend Charterfahrten, das lohnte sich in Hamburg. Seine Schiffe waren ganzjährig im Einsatz. Ja, er hatte es zu was gebracht. Ansehen, Reichtum, aber ohne Liebe und Glück.
Als 1994 ein junges Mädchen vor ihm stand und fragte, ob sie bei ihm ihr Freiwilliges Soziales Jahr machen könne, da hatte er laut gelacht. Ein graziles, bildschönes Mädchen auf seinen Schiffen? Was wollte sie da? Bedienen?
Er erfuhr, dass sie gerade ihr Abitur bestanden hatte und erwachsener werden wollte, hier in Hamburg.
Sie hieß Kaatje Wittgens und kam aus Bremen. Und sie schlich sich in sein Herz. Er war schon 47, ledig und kinderlos, aber er hatte nie Zeit gehabt, sich um eine Frau zu kümmern. Und nun war da eine, zum Greifen nahe.
Einige seiner Freunde waren entsetzt, als er sie 1995 heiratete. In Bremen. Dort wohnte Kaatje in einer WG und dort hatte der Vater eine gut gehende Praxis. Gynäkologe.
Die Reederei hatte auch ihn eingeladen, aber Kaatje war entsetzt über die Einladung und sprach während der gesamten Feier kein einziges Wort mit ihrem Vater. Sie hatten sich wohl vor Jahren schon zerstritten, aber Kaatje hatte das nie erwähnt. Und Hans-Heinrich hatte dann auch nicht mehr gefragt.
Kaatje war 26 Jahre jünger als er, aber das hatte er nie gespürt. Sie war ihm eine ruhige, besonnene Frau. Sie studierte in Bremen Tiermedizin und machte trotzdem den Haushalt. Sie war liebevoll, sie war seine große Liebe.
In den Semesterferien lebte Kaatje bei ihm in der Hamburger Villa. Für die Studienzeit hatte er ihr ein kleines Holzhaus in Uni-Nähe gekauft. Etwas einsam und am See gelegen, damit sie in Ruhe lernen konnte. Die WG schien ihm für Kaatje wenig geeignet für ein so anstrengendes Studium. Dort, im kleinen Holzhaus, besuchte auch er seine Kaatje so manches Wochenende, wenn sie dort arbeitete. Aber die meisten Wochenenden verbrachten beide zusammen in Hamburg.
2001 reichte er dann die Scheidung ein. Seine Familie drängte ihn dazu, weil Kaatje keine Kinder bekam. Sie hatte sich dann untersuchen lassen. Der Arzt stellte fest, dass sie nie Kinder würde bekommen können. Aber er brauchte einen Erben für die Reederei.
Und jetzt? Diese Schlagzeilen? Verheerend für sein Unternehmen.
Damals heiratete Krohn im gleichen Jahr die geschiedene Eva-Maria Huber aus Wien. Sie war Lehrerein und er lernte sie auf einem Ball kennen. Sie war bescheiden, klug und nett. Auch ansehnlich. Aber ihr Vorteil Kaatje gegenüber war ihr Sohn Jonas. Er war damals 27, genauso alt wie Kaatje, und bereitete sich gerade auf das zweite Staatsexamen vor. Ein Einser Abitur. Studium Jura, Promotion, alles in kürzester Zeit. Er war hoch intelligent. Aber er war auch gut aussehend. Das wurde später zu seinem Problem.
Hans-Heinrich wünschte sich nichts sehnlicher als die Zeit zurück drehen zu können. Hätte er Kaatje nicht so sinnlos weggegeben, wäre er heute noch glücklich. Auch ohne Kinder. Aber niemand konnte in die Zukunft schauen. Sicher hätte Kaatje die Reederei selbst führen können. Oder ein Geschäftsführer im Team mit Prokuristen. Aber so weit hatte er damals nicht gedacht. Kaatje studierte Tiermedizin und die Reederei war ein altes Familienunternehmen.
Hans-Heinrich fühlte sich immer einsamer, seit seine Eva im März 2011 an Brustkrebs verstorben war. Einsam und ungeliebt. Versehen mit einer raffgierigen Familie. Und dann war da Kaatje. Hätte er damals nur...
Er griff zum Hörer, um Kaatje von ihrer unerwarteten Erbschaft zu berichten, aber niemand nahm ab. Kaatje war noch in München.