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Kaatjes Tagebuch

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Als Kaatje wieder in Bremen angekommen war, fühlte sie sich halbwegs stabil. Die beiden Hunde begrüßten sie stürmisch, ihr Bruder Thure hatte Kaffee gekocht und –Oh Wunder- Kuchen gebacken. Es war alles wie immer, es war ihr Zuhause, alles wie gewohnt.

Sie hatte neun Stunden gebraucht für die Fahrt, Pausen gemacht und sie war vorsichtig gefahren. Es war schön, dass Thure auf sie gewartet hatte. Kuchen um acht Uhr abends war zwar ungewöhnlich, aber sie hatte es genossen, nicht alleine zu sein. Nun aber war sie es, abgesehen von Amos und Pan.

Mit einem Glas Rotwein in der Hand schritt sie mutig zum Schreibtisch und holte ihr Tagebuch heraus, ihr altes Tagebuch aus Schulzeiten. Es sah aus wie ein Poesie-Album. Mit Pferdebildern und Hunden und Katzen verziert lag es nun vor ihr. Sie hatte es damals geschenkt bekommen, als sie in die 7. Klasse des Gymnasiums kam. Als Poesiealbum für ihre Mitschüler. Aber sie hatte es als Tagebuch benutzt und es waren am Ende noch ein paar Seiten leer. Da könnte sie vielleicht noch etwas ergänzen. So etwas wie ENDLICH HABE ICH IHN WIEDER!!! Meinen Meeno...

Wir sind 32 Schüler und manche Mädchen tragen Röcke. Wie affig. Ich sitze neben Bine, Sabine Müller, sie ist nett, aber ein bisschen schüchtern.

Kaatje musste schmunzeln. Bine, sie war nur drei Monate auf dem Gymnasium. Dann hatten ihre Eltern sie wieder abgemeldet. Sie schaffte den Stoff nicht, meldete sich nie und war immer nur traurig. Was aus ihr wohl geworden war?

Kaatje blätterte weiter.

Mama ist gestorben. Warum, weiß ich nicht. Ihr Herz ist einfach stehen geblieben, sagt Papa. Nun bin ich mit Papa und Thure alleine. Ohne Mama.

Ja, das war furchtbar. Kaatjes Vater war Gynäkologe in Bremen und fast nie zu Hause. Immer nur Praxis oder Klinik. Dort hatte er Belegbetten für Geburten. Kaatjes Mutter war Hebamme und half ihrem Mann immer in der Praxis, wenn sie nicht gerade Patienten betreute. Sie war sehr beliebt bei allen Patienten. Ihr Tod war ein echter Verlust für ihren Vater und die schwangeren Frauen. Kaatje versuchte sich zu erinnern. Ihre Mutter war lieb, immer für sie da, aber nicht greifbar. Sie hatte keine Spuren hinterlassen, weder gute noch schlechte. Verschwunden wie im Nebel. Einfach so.

Nach der Beerdigung war ihr Vater sehr betrübt. Er wusste nicht, wie er mit Kaatje und dem kleinen Thure umgehen sollte, weil er doch immer arbeiten musste. Am folgenden Tag erzählte er ihr dann, dass er beabsichtigte, sie in ein Internat in Oldenburg zu geben. Das sei besser so. Oldenburg war nicht so weit von Bremen entfernt, und an Wochenenden wollte er sie besuchen oder sie ihn. Aber trotzdem, Kaatje war entsetzt. Es war Sommer, sie gerade in die 9. versetzt, gerade 15 geworden, und dann von zuhause weg. Furchtbar.

Und Thure? Der kam zu Oma. Er war ja erst fünf.

Mama ist tot. Einfach so. Und Papa will mich loswerden. Er schickt mich nach Oldenburg auf ein Internat. Da muss ich dann noch FÜNF Jahre leben, nur mit Fremden. Mit Erziehern und fremden Kindern. Wie soll ich das aushalten? Ich wäre auch lieber zu Oma gezogen, wie Thure. Der hat es gut. Oder zu Oma und Opa nach Luzern. Alles besser als in ein Internat. Mit Erziehern. Wie sich das schon anhört. ErziehungsAnstalt!!!

Die Beerdigung war soooo traurig. Hunderte Leute waren da, alle weinten und Papa ging gestützt von Oma hinter dem Sarg her. Und ich dahinter, mit Opa. Es waren alles Patienten von Papa und Mama, fast alles Frauen. Und Nachbarn. Und Freunde. Und ich. Aber mich bemerkte kaum einer, außer Opa.

Kaatje wischte sich eine Träne aus den Augen. Ihr Opa starb zwei Jahre später, bei einem Verkehrsunfall. Ab da lebte Thure mit seiner Oma alleine.

Die Eltern ihres Vaters lebten in der Schweiz, in Luzern, aber ihr Vater redete nicht mit ihnen. Warum, wusste Kaatje bis heute nicht. Es ging um Geld, aber mehr war nicht in Erfahrung zu bringen.

Kaatje blätterte weiter. DA, da war endlich das, was sie suchte.

Sommerferien rum, heute erster Tag in der neuen Schule. Im Internat in Oldenburg. NIGOL nannten es alle, Niedersächsisches InternatsGymnasium Oldenburg. Na toll.

Komme gerade aus der Schule. Muss gleich in die Mensa. Essen. Teile mir mein Zimmer mit Gesa, sie sitzt auch neben mir. In der 12. und 13. habe ich dann ein Zimmer für mich alleine. Aber Gesa, das ist OK.

Du glaubst es nicht, Tagebuch, in meiner Parallelklasse, in der 9F, ist ein sooo süßer Junge, Meeno heißt er. Ich habe ihn immer angucken müssen, UND er hat ZURÜCKGELÄCHELT. Ich bin soooo glücklich. Ich bin so verliebt. Meeno, Meeno, Meeno, ...

Da war es. Ja, so hatte sie Meeno kennen gelernt. In der 9ten Klasse, als Schüler der 9F. Sie war vorher so verzweifelt gewesen und dann war alles wie weggeblasen, der Kummer, der Schmerz, der Tod ihrer Mutter... nur durch Meeno. Ja, sie hatte es richtig gemacht. Freundschaft akzeptiert. Sie würde Meeno wiedersehen, und hoffentlich noch mehr als das. Sie würde wieder seine warme Haut spüren, in seinen Haaren wuseln, seine Lippen suchen. MEENO......

WEHE… WENN

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