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Heinrich Schliemann und Sophia Engastromenos

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Name: Heinrich Schliemann Sophia Engastromenos
Geboren: 6. Januar 1822 in Neubukow 12. Januar 1852 in Athen
Gestorben: 26. Dezember 1890 in Neapel 27. Oktober 1932 ebenda
Tätigkeiten: Kaufmann, Archäologe Schülerin
Besonderheit: Entdecker der homerischen Fundplätze Troja, Tiryns und Mykene

Heinrich Schliemann ist bis heute eine umstrittene Figur in der Archäologie. Er wird als Dilettant und Schatzgräber verteufelt, und trotzdem kann man ihm eine grundlegende Rolle im Fach nicht absprechen: Er ist und bleibt der Vater der vorgeschichtlichen Archäologie in Griechenland. Er war ein Mann, der sich von seiner Überzeugung leiten ließ – zugleich knallharter Geschäftsmann und romantischer Träumer.

Wer war das?

Schliemann verlebte eine unglückliche, schwierige Kindheit. Sein Vater, ein Pastor, war trunksüchtig und ließ seine Familie in Armut leben. So kam es, dass Schliemann kaum Bildungschancen hatte, aber als Kind immerhin die homerischen Geschichten erzählt bekam. Sie ließen ihn nicht mehr los, und angeblich hatte er sich mit acht Jahren dazu entschlossen, Troja zu finden. Sein Bericht, er habe zu Weihnachten eine „ Weltgeschichte für Kinder“ geschenkt bekommen, könnte auch nur seiner Phantasie entsprungen sein, denn bei Schliemann verwischt die Grenze zwischen Wahrheit und Wunschtraum häufig.

Mit 14 Jahren wurde er Lehrling bei einem Krämer, der offenbar sein kaufmännisches Talent erkannte und förderte. Der junge Schliemann war intelligent und durchsetzungsfähig, so brachte er sich selbst zahlreiche Fremdsprachen bei. Er wurde ein erfolgreicher Geschäftsmann mit dem Spezialgebiet Indigo-Handel; residierte in St. Petersburg, lernte Russisch und vermählte sich mit einer Russin. Durch Spekulationen im Krimkrieg (1853–1856) wurde er im Alter von 40 Jahren zum Millionär und begab sich daraufhin auf eine ausgedehnte Reise nach Asien und in die USA. Da ihn seine Geschäfte inzwischen langweilten, wandte er sich der Archäologie zu.


Der Lügenbaron

Schliemann war sein Leben lang ein Getriebener, was er in die Worte fasste: „Zeit ist Gold bei mir.“ Er besaß eine schwierige, egomanische und starrköpfige Persönlichkeit, war aber dennoch immer bereit, dazuzulernen. Schon in den verschiedenen Ausgaben seiner Autobiografie wird deutlich, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Er veränderte Details, aber auch Jahreszahlen und wichtige Tatsachen, weshalb es schwierig ist, heute von ihm ein wirklich authentisches Bild zu bekommen. Doch genau das scheint seine Absicht gewesen zu sein, denn es erhöhte das Mysterium, das schon zu Lebzeiten um seine Person kreiste. Leider hat er auch seine Fundberichte „ausgeschmückt“, so dass vieles an Information über Troja und die anderen Grabungsorte heute als verloren gelten muss. Schliemann war ein meisterhafter Selbstdarsteller, der sich, ganz in homerischer Tradition gefangen, seinen eigenen „Gründungsmythos“ erfand. „Diese Biographie hat er selbst geschaffen, gelebt wie geschrieben“ (J. Cobet). Doch bereits in jungen Jahren war er sich dessen bewusst, dass man ihn oft für einen Lügner hielt. Ein Brief an seine Schwester endet mit den Worten: „Ich schließe ... die Quittung vom Krankenhaus mit ein, damit Ihr sehet, dass ich Euch nichts vorlüge.“ Insbesondere während seiner Zeit als erfolgreicher Geschäftsmann stand er in dem Verdacht, nicht alles korrekt ablaufen zu lassen, ja sogar betrügerisch zu handeln.

1869 heiratete er mit weit über 40 Jahren seine zweite Frau, die 17-jährige Sophia Engastromenos, die er nach eigenen Angaben nach ihren Geschichtskenntnissen ausgewählt hatte – aber in ihr auch eine Wiedergeburt der trojanischen Helena sah. Trotzdem scheint die Ehe, aus der zwei Kinder mit den klassischen Namen Andromache (geb. 1871) und Agamemnon (geb. 1878) hervorgingen, glücklich gewesen zu sein. Über die Jahre assistierte sie ihm auf seinen Grabungen, und nach Schliemanns Tod war es Sophia, die sein Erbe verwaltete und verteidigte.

Schliemann hatte nur wenige enge Freunde und Mitarbeiter, wobei Wilhelm Dörpfeld der wichtigste war. Ein wichtiger Förderer und Korrespondenzpartner war der Berliner Anthropologe und Vorgeschichtler Rudolf Virchow, den er 1875 kennenlernte. 1879 besuchte Virchow ihn in Troja und gemeinsam unternahmen sie 1888 eine Ägyptenreise. Als wahrer Freund warnte er Schliemann vor voreiligen Schlüssen und brachte ihn mit Wissenschaftlern zusammen, die seine Arbeitsweise relativierten. Im Gegensatz zum restlichen Europa wurde Schliemann in Deutschland lange Zeit nicht anerkannt und als reiner Raubgräber betrachtet: Theodor Mommsen soll ihn als „ Trüffelschwein“ bezeichnet haben, wobei das noch einer der netteren Ausdrücke war. Virchow gelang es schließlich, Schliemann wieder mit Deutschland zu versöhnen und ihn dazu zu bringen, die Troja-Funde den Berliner Museen zu überlassen.

Schliemann litt über lange Zeit hinweg an starken Ohrenschmerzen und ließ sich schließlich auf Anraten Virchows operieren. Doch wartete er die endgültige Heilung nicht ab und reiste im Winter nach Pompeji, worauf die Schmerzen wieder schlimmer wurden. Man riet ihm zu einer zweiten Operation, die er ablehnte. Kurz darauf brach er zusammen und starb, da die Entzündung bereits auf das Gehirn übergegriffen hatte.

Was hat er entdeckt?

Mit 48 Jahren kam Schliemann zum ersten Mal nach Griechenland, von Anfang an auf der Suche nach Troja, durch dessen Entdeckung er die Wahrheit der homerischen Schriften beweisen wollte. Jedoch lehnte er die damals gültige Identifizierung von Bunarbashi mit der legendären Stadt intuitiv ab, da sie nicht mit der Beschreibung Homers übereinstimmte. 1868 traf er auf den Amerikaner Frank Calvert, den Besitzer des Landes rund um Hissarlik, das dieser für Troja hielt, aber aus Geldmangel nicht selbst ausgraben konnte. Schliemann finanzierte die Grabungen. 1871 trieb er einen tiefen Längsschnitt durch die Mitte des Hügels, da er annahm, das homerische Troja müsse sich auf dessen Boden befinden. Dabei wühlte er sich durch alle darüber liegenden Schichten, ohne sie zu dokumentieren.

Wer war Homer?

Homer ist der erste Dichter des antiken Griechenland, den wir namentlich kennen – auch wenn nicht einmal mehr sicher nachweisbar ist, ob er eine historische Person war. Er lebte möglicherweise im 8. Jh. v. Chr. in Kleinasien und hat durch die ihm zugeschriebenen Epen Ilias (die Schilderung des Trojanischen Krieges) und Odyssee (die abenteuerlichen Fahrten des Odysseus) sowie seine Hymnen Eingang in die Weltliteratur gefunden. Sein Name bedeutet möglicherweise „der Blinde“, woran viele Legenden um sein Leben anknüpfen. Sicher scheint, dass seine Epen ursprünglich mündlich tradiert und erst lange nach ihrer Entstehung schriftlich niedergelegt wurden – ob sie tatsächlich alle auf einen Mann mit Namen Homer zurückgehen, kann nicht mehr festgestellt werden. Trotzdem hatte gerade Homer in allen Geschichtsepochen großen Einfluss, was bis zur modernen Deutung der vorgeschichtlichen und antiken Kultur Griechenlands reicht.

Zwei Jahre später entdeckte Schliemann den sog. „Schatz des Priamos“ und war davon überzeugt, damit das Troja Homers gefunden zu haben, obwohl das Depot sich in der zweiten Schicht von unten fand, was ihn hätte stutzig machen müssen. Die Beschreibung dieser Entdeckung ist legendär: Sophia verbarg die Metallfunde in Einzelportionen in ihrem Schal und schmuggelte sie an den Wachen vorbei ins Grabungshaus, ohne dass jemand etwas bemerkt hätte. Da ihr Mann große Angst vor Diebstahl hatte, schickte er die meisten Arbeiter heim, als sich der Schatzfund ankündigte. Das war angesichts seiner Schatzgier geradezu lebensgefährlich, denn er unterhöhlte wie manisch das Profil, das jederzeit hätte einbrechen und ihn verschütten können. Von vielen Fachkollegen wurde er wegen dieser Vorgehensweise belächelt und verulkt. Erinnert sei hier an eine Weihnachtsfeier des DAI, auf der der Altphilologe und Mommsen-Schwiegersohn Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf in der Rolle der Sophia mit dem Schal die Bergung des Schatzes nachspielte.

Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande ...

Schliemann schmuggelte die Funde in seinem Privatgepäck aus der Türkei und publizierte sie. Zugleich begann er, vor europäischen Fachleuten Vorträge über seine Entdeckungen zu halten, was ab den späten 1870er Jahren zu großer Popularität führte. Er kommentierte das mit folgenden Worten: „Ich bin der Löwe der Saison.“ Seine Funde wurden im Ausland zwar wohlwollend bis enthusiastisch aufgenommen, in Deutschland aber belächelt. Die deutsche akademische Welt stand diesem Autodidakten von vornherein skeptisch gegenüber, wobei sich besonders Ernst Curtius und die Berliner Schule negativ hervortaten. Schliemann selbst nahm es mit Sarkasmus: „Er [Ernst Curtius] könnte mich aus Neid kreuzigen und braten.“ 1878 kehrte er nach Troja zurück, da er inzwischen doch Zweifel an seiner Identifizierung bekommen hatte. Wirklich wissenschaftlich wurde seine Grabung erst, als Wilhelm Dörpfeld als sein Assistent dazukam. Dessen wichtigstes Kriterium war: Geduld – eine Eigenschaft, die Schliemann selbst bis dahin nie hatte aufweisen können. Ob die Anstellung Dörpfelds auf Vermittlung von Virchow geschah, wie oft vermutet wurde, lässt sich anhand der Quellen nicht belegen.

Dörpfeld konnte in der Folgezeit soweit eingreifen, dass die Ausgrabungen in Troja doch noch ernst zu nehmende Ergebnisse lieferten. Nun erkannte man auch, dass die Schicht II mit dem Schatz in Wahrheit viel älter war als das homerische Troja, während man statt dessen Schicht VI als „dessen“ Stadt identifizierte. Daraufhin verstärkte sich die massive Kritik an Schliemann, den man einen Schatzgräber und Narren schalt. Es ist eine Tatsache, dass er der Stratigrafie des Hügels von Troja irreparablen Schaden zugefügt hat – und doch muss man auch das in Zusammenhang mit seiner Biografie sehen. Als vollkommener Autodidakt hatte er keinerlei archäologische Vorbildung, war damit aber im 19. Jh. nicht der einzige, als Schatzgräberei eher die Regel denn die Ausnahme war. Immerhin hob Schliemann alle Funde auf, selbst einfache Keramikscherben, denen er durchaus chronologische Bedeutung beimaß – das taten damals bei weitem nicht alle Archäologen. Auch die umgehenden Fundpublikationen sind hervorzuheben, ebenso wie die Durchführung von Metallanalysen – in vielen Bereichen war Schliemann also tatsächlich ein Vorreiter.

„... er ist ein widerlicher Kerl, confus, ohne Halt, verworren – und doch von leidenschaftlicher Energie für eine Sache.“

Adolf Furtwängler über Schliemann (um 1880)

„ Schliemann wird riesig gefeiert hier, ist und bleibt aber ein doch halb verrückter und confuser Mensch, der von der eigentlichen Bedeutung seiner Ausgrabungen keine Ahnung hat und wirklich nur aus dem niedern Interesse, daß die Sachen so und so alt sind und gerade aus Troia und Mykenae stammen, all seine wirklich erstaunliche Energie aufbietet. Aber genützt hat er unsrer Wissenschaft deswegen doch enorm.“

Adolf Furtwängler über Schliemann (um 1880)

„Trotz Homer-Begeisterung ist Schliemann doch im Grunde ein Speculant und Geschäftsmann, was er nicht verhehlen kann.“

Adolf Furtwängler über Schliemann (um 1880)

Dörpfeld dagegen äußerte sich später nur mit äußerster Vorsicht über Schliemann, da er dessen allgemeine Leistung nicht durch zu harsche Kritik schmälern wollte – obwohl er derjenige war, der am besten wissen musste, welche Defizite die Schliemann’schen Ausgrabungen hatten. Er war sogar dazu in der Lage, die Spannungen zwischen diesem und seinen deutschen Fachkollegen zu entschärfen. Schließlich stiftete Schliemann sogar den Neubau des Athener Institutsgebäudes und wurde in seinen letzten Lebensjahren zum Ordentlichen Mitglied des DAI ernannt. Die beiden Männer ergänzten sich gut: Schliemann mit seiner unruhig-nervösen, drängenden Art und der vermittelnde, ausgleichende Wilhelm Dörpfeld. Ein Beobachter sagte einmal: „Dörpfeld [war] Schliemanns schönster Fund.

Was bleibt?

Trotz gerechtfertigter Kritik muss man Schliemann zugestehen, mit seiner Vision von Troja die Archäologie des 19. Jhs. in vielen Bereichen angestoßen zu haben und sprichwörtlich zum Urvater der deutschen Archäologie geworden zu sein. Ohne ihn hätte die Welt nicht erkannt, dass gelegentlich auch persönliche Träume zum Erfolg führen können. Und er selbst wusste um seine eigene Unkenntnis: „... jetzt aber bleibe ich ein Leben lang in wissenschaftlicher Hinsicht nur ein Stümper.“

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