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Ratsherr und Antiquar

Conrad Peutinger

Name: Conrad Peutinger

Geboren: 14. Oktober 1465 in Augsburg

Gestorben: 28. Dezember 1547 ebenda

Tätigkeiten: Ratsherr, Antiquar, Humanist

Besonderheit: Begründer der Römerforschung in Augsburg

Peutinger gehört zu denjenigen süddeutschen Humanisten, die sich als Erste auch mit der Vergangenheit ihrer eigenen Heimat befassten. Dabei war ihm weniger die Regionalgeschichte an sich als deren Einbindung in die Römische Geschichte wichtig.

Wer war das?

Peutinger entstammte einer nicht-patrizischen Kaufmannsfamilie und war über die Ehe mit seiner Frau mit der patrizischen Kaufmannsfamilie der Welser verschwägert, was ihm sozialen Aufstieg brachte. Als Jura-Student hatte er fünf Jahre (1482–1486) in Italien verbracht, wobei er sein intensives Interesse an der Geschichte ausbildete. Wieder zu Hause, wurde er ab 1497 zum Stadtschreiber der Stadt Augsburg, Kaiserlichen Rat und einflussreichen Politiker. So gehört sein Bericht über den Wormser Reichstag 1521, als über Luther geurteilt werden sollte, zu den wichtigsten Quellen der Reformation. Neben seiner offiziellen Tätigkeit war Peutinger Humanist und Bücherfreund und hatte sich im Laufe der Zeit eine große private Bibliothek angelegt, in der unter anderem auch Aventin, der „ Vater der bayerischen Geschichtsschreibung“ (und der Limesforschung) studierte, als er sein Geschichtswerk für Albrecht IV. schrieb.

Peutinger hatte gute Kontakte zu allen wichtigen Personen seiner Zeit, etwa Erasmus von Rotterdam. Seinen Beziehungen nach Italien verdankte er einen beständigen Nachschub an lateinischen Büchern. Auch mit mehreren Augsburger Druckern unterhielt er Geschäftsbeziehungen. Zwei seiner engsten persönlichen Freunde waren Willibald Pirkheimer, der Nürnberger Kaufmann und Humanist und seinerseits Freund von Dürer, sowie Michael Hummelberg aus Konstanz, mit dem er über humanistische Themen korrespondierte. Dieser schickte ihm einmal den Bericht über eine von einem ortsbekannten Wahrsager geleiteten „Schatzsuche“, die aber nicht zum gewünschten Ergebnis, nämlich der Auffindung eines Schatzes, geführt hatte. Dazu ist zu bemerken, dass im 15. und 16. Jh. die Schatzsuche unter Einsatz der „verbotenen Künste“ (verpottne kunst), also Magie oder Wahrsagerei, bei Strafe verboten war. Nur wer einen Schatz zufällig, etwa bei der Feldarbeit, entdeckte, musste keine Verfolgung fürchten – das galt auch für antike Schatzfunde.

Szenen einer Ehe im 16. Jh.

1498 heiratete der 33-jährige Conrad Peutinger die 17-jährige Kaufmannstochter Margarethe Welser. Während der Brautvater, Anton Welser der Ältere, das Geld hatte, besaß Peutinger die guten Beziehungen bis hin zum Kaiser – und beiden Seiten war geholfen. Das Ehepaar bekam zehn Kinder und war fast 50 Jahre lang verheiratet. Interessant ist diese Ehe für uns vor allem dadurch, dass sie Margarethe mit Peutingers humanistischer Tätigkeit und Antikenleidenschaft in Verbindung bringt. Sie hatte für eine Frau des 15./16. Jhs. eine hervorragende Bildung genossen und zusammen mit ihrem Bruder Latein gelernt, was auch die Peutinger-Töchter zusammen mit den Söhnen bei einem Hauslehrer erlernten. Die älteste Tochter Iuliana hielt beispielsweise im zarten Alter von drei Jahren eine lateinische Ansprache an den Kaiser (die natürlich von ihrem Vater verfasst und mit diesem eingeübt worden war). Damals galt, dass das Können von Frau und Kindern auf den Hausherrn zurückfiel, und Peutinger wurde nicht müde, die diesbezügliche Begeisterung seiner Gattin immer wieder zu betonen. So baute er es in seine Korrespondenz ein, dass sich seine Frau „in ihrer beider Freizeit“ mit ihm in die Studierstube gesetzt und Bibelausgaben verglichen habe. Sie schrieb auch einige der römischen Inschriften ab und assistierte ihm anderweitig bei seinen Studien – stolz nannte er sie „socia et assecla“, „Partnerin und Anhängerin“, was soviel wie „Schülerin“ bedeutet.

Es ist ein angeblich von Margarethe verfasster lateinischer Brief an ihren Bruder in Rom überliefert, der ihre hohe Bildung illustrieren sollte – dieser wurde aber von Conrad selbst geschrieben (und von Margarethe dann der Authentizität halber abgeschrieben), um mit der Gelehrtheit seiner Gattin anzugeben: Er wollte sich „mit ihr schmücken“ und in Italien den Eindruck erwecken, dass man im Norden der Alpen inzwischen so gelehrt sei, dass sogar eine Ehefrau und vielfache Mutter, eine foemina Germana, die Zeit und Bildung hatte, sich haarklein mit antiken Autoren auseinanderzusetzen. Eine Frau der Renaissance sollte, ganz in altrömischer Tradition, „bene morata et erudita“, „gesittet und gebildet“ sein – was für ein Gegensatz zur viktorianischen Epoche, als man befürchtete, zu eifriges Studieren führe bei Frauen zur „Gehirnerweichung“! Doch bereits Freund Hummelberg, der selbst nicht verheiratet war, war anderer Ansicht, wie wir aus seinen misogynen Bemerkungen schließen können. Er war überzeugt, dass Frauen generell nur „zum Spinnen und Weben“ geboren seien und einen „schwachen und kraftlosen Verstand“ besäßen ... Aristoteles lässt grüßen, sorgsam über die Zeit getragen von unzähligen spätantik-mittelalterlichen Frauenverächtern in der Tradition des Hieronymus.

Was hat er geleistet?

Peutinger war der erste, der die immer wieder zutage tretenden römischen Funde seiner Heimatstadt Augsburg ordnete, wobei er sich auch mit dem Namen der Stadt selbst beschäftigte. Warum hieß sie wie so viele weitere „Augusta“?

Es waren vor allem Inschrift-Steine, die in den Gärten der locker besiedelten Frauenvorstadt nördlich des Doms immer wieder auftauchten – wann immer man eine Grube aushob, etwa um das „haimlich gemach“ (die Latrine) zu leeren, dessen Inhalt einfach im hinteren Teil der Gärten vergraben wurde. Die Sammler waren Patrizier, aber auch einfachere Bürger – so ist ein Weber bekannt, der einen solchen Fund der Nachwelt überlieferte. Doch Peutinger sammelte nicht nur Inschriften aus Augsburg, sondern aus der ganzen römischen Welt, die er sich in Abschriften von überall her schicken ließ.

Conrad Peutinger wohnte ab 1515 direkt südlich des Augsburger Domes, wo noch heute Inschriftensteine eingemauert sind. In seinen Schriften wird oft angegeben, ein Stein befinde sich „in aedibus Peutingerorum“ (im Hause Peutinger), andere in seinem vor der Stadtmauer gelegenen Garten. Das Vorbild für eine solche Antikensammlung ist sicher in Italien zu suchen, doch darf auch der Wille, die Antiken vor der Zerstörung zu bewahren, nicht unterschätzt werden. Möglicherweise haben er und andere Patrizier auch Steine getauscht oder aneinander veräußert, da bei einigen bekannt ist, dass sie sich zuvor in anderem Besitz befanden („in aedibus Georgii Mulich“). Im Vorwort zu der gleich zu besprechenden Inschriftensammlung prangerte Peutinger die Ignoranz und Nachlässigkeit seiner Zeitgenossen im Umgang mit antiken Denkmälern an (accedit inscicia et negligentia nostrorum hominum), die entweder zu Kalk gebrannt oder in Häuser eingemauert wurden.

„Den Fehlern der Alten folgt die Ignoranz und Vernachlässigung durch unsere eigenen Leute.“

Peutinger über die Zerstörung antiker Inschriften

1505 erschien sein Buch „Romanae vetustatis fragmenta in Augusta Vindelicorum et eius dioecesi“, einer der ersten systematischen Kataloge (Inschriftensyllogen) römischer Inschriften überhaupt. Er stellt 23 römische Inschriften aus Augsburg und seinem Umland bis Kempten und Lauingen vor und bildete selbst für Friedrich Vollmers Inscriptiones Bavariae Romanae von 1915 noch eine der Grundlagen. Interessant ist der Fall einer Inschrift aus Biberbach, drei Meilen nördlich von Augsburg gelegen. Sicherlich hat Peutinger sie vor Ort aufgenommen, dabei aber einen Lese-/Abschreibfehler begangen, der bei späterer Erwähnung der Inschrift bereits korrigiert ist. Peutinger bemühte sich, im gedruckten Schriftbild den Originalen so gut wie möglich nahezukommen, sah er sie doch als historische Dokumente. Auch die Fragmentierung und die Zeilenumbrüche der Inschriften waren im Druckbild erkennbar, was für die damalige Zeit revolutionär war, da man normalerweise Inschriften wie Fließtext behandelte und Ergänzungen nicht eigens hervorhob. Offensichtlich wollte er mehr erreichen, als nur den reinen Text wiederzugeben, und so sind oft auch die Fundorte genannt. Ein solches Buch war in sich selbst ein Kunstwerk – besonderer Luxus war, dass in diesem Fall das teure Papier durch den breiten weißen Rand nur schlecht ausgenutzt wurde. 1520 erfolgte dann eine Neuauflage des Werkes, das um elf Neuerwerbungen Peutingers ergänzt worden war.

Das zweite wichtige Sammelgebiet eines Humanisten wie Peutinger waren die antiken Münzen. Im Gegensatz zu den Inschriften interessierten hier nicht die Fundorte, sondern allein ihre antiquarische Bedeutung. Darstellungen wie mythologische Themen wurden ausführlich ikonografisch besprochen, wobei es ein Zeichen für hohe Bildung war, wenn man eine unbekannte Darstellung identifizieren und in ihren Zusammenhang inklusive literarischer Erwähnungen einordnen konnte. Eine gut erhaltene und lückenlose Reihe römischer Kaiser zu besitzen, war das oberste Ziel. Peutinger korrespondierte hierüber sogar 1510 mit Kaiser Maximilian I. und lieh sich Münzen aus dessen Sammlung für sein nie publiziertes „Kaiserbuch“ aus. Dabei fällt auf, dass das Prinzip des Schatzfundes beiden ein Begriff war, da sie sich jeweils auf einen kürzlich aufgefundenen Hort beziehen, der Münzen von besonderer Qualität geliefert hatte. Peutinger ließ die vom Kaiser ausgeliehenen Münzen abzeichnen („zu meiner notturft ab lassen machen“) – es gab bereits im 16. Jh. darauf spezialisierte Zeichner, die „antiquitetabconterfetter“. Interessant ist auch die Ansprache der Münzen als „heidnisch“. Das ist keineswegs negativ gemeint, sondern weist darauf hin, dass man sich in Humanistenkreisen der entscheidenden Bedeutung des Übergangs von der griechisch-römischen („heidnischen“) Epoche zur christlichen durchaus bewusst war.

Was bleibt?

Mit der Inschriftensammlung des Conrad Peutinger vom Anfang des 16. Jhs. beginnt nicht nur die Auseinandersetzung mit der Augsburger Stadtgeschichte, es werden auch erste denkmalpflegerische Erwägungen sowie Fundkritik geäußert. Damit war der Grundstock für eine Römerforschung gelegt, die so erst wieder im 18./19. Jh. fortgesetzt werden sollte und heute durch die Arbeit der Stadtarchäologie systematische Formen angenommen hat. Nach dem Humanisten ist heute das Peutinger-Gymnasium in Augsburg benannt.

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