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Die tote Fliege

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„Was hast du denn hier gemacht?“ Nach einem Schritt in mein Zimmer war Papa stehengeblieben. Fassungslos schaute er auf mein Bett und vergaß, mir einen guten Morgen zu wünschen. Müde rieb ich mir die Augen. So wollte ich nicht geweckt werden.

„Was hast du denn?“ brummte ich und drehte mich von ihm weg. Dabei schabten meine Füße über harte Krümel. Wo kamen die her? Widerwillig setzte ich mich auf und wusste schlagartig, was er gemeint hatte. Die Krümel waren dabei noch das kleinere Problem. Über dem Fußende meines Bettes hatte jemand in die Wand gehackt. Abgefetzte Tapetenstücke und herausgebrochener Putz schrieben Papa Fragezeichen ins Gesicht.

„Hast du mit Stollenschuhen geschlafen?“ Verwirrt betastete er die Schadstelle und schüttelte den Kopf. „Deine Bettdecke hast du auch noch zerrissen. Das wird ein toller Tag für dich. Mama wartet schon, dir eine Gardinenpredigt zu halten, und das hier hat sie noch nicht einmal gesehen.“

Ich verstand nur Bahnhof. War ich in einem Film aufgewacht? Wo meine Decke eingerissen war, hatte sich ein Stück Mörtel verfangen. Hatte ich damit auf die Wand eingeschlagen? In einem weiteren Traum von dem ich nichts wusste?

„Ich hab‘ keine Ahnung wie das passiert ist. Vielleicht war ich schlafwandeln?“

„Dann schläfst du ab morgen in einer Gummizelle. Ich sauge das am besten gleich weg, sonst fährt Mama aus der Haut. Mach schon mal das Fenster auf, ich bin gleich wieder da!“ Papa lief nach unten, um den Staubsauer zu holen. Ich tappte schläfrig ans Fenster.

„Moin“, hörte ich Leos Stimme hinter mir. „Wie sieht’s denn hier aus?“

Ich verschluckte die Antwort, denn ich hatte etwas entdeckt.

„Guck mal Leo! Hast du sowas schon mal gesehen?“

Mit spitzen Fingern zupfte sie einen Krümel von meinem Bettlaken und zerrieb ihn zwischen den Fingern. Ihre Augen blieben kurz auf meinen haften – fragend. Aber sie sagte nichts. Dann blickte sie an meinem Arm herunter, wohin mein Finger zeigte. Auf dem Fensterbrett lag eine tote Fliege.

„Die sieht ja schräg aus. Wo hast du die her?“

„Ist sicher der Summer von letzter Nacht. Muss beim Lüften rein gekommen sein. Und als sie wieder raus wollte, war das Fenster schon zu.“

„Ne! Das muss was Eingewandertes sein“, meinte Leo. „Sowas habe ich noch nie gesehen. Darf ich es fürs Mikroskop behalten?“ Mit einer schnell geholten Pinzette legte sie das Tierchen in eine Schachtel, ehe Papa mit dem Staubsauger anrückte.

„Willst du nicht ins Bad gehen, Tina? Sonst kannst du auch selber saugen“, sagte er. Also nahmen wir die kleine Entdeckung mit aufs Klo.

„Die Form der Flügel stammt von einer Fliege“, war sich Leo sicher.

„Aber zwei Paar hintereinander passen eher zu Libellen“, sagte ich. Leo hob eins der Flügelchen hoch.

„Von oben dunkelblau und von unten durchsichtig. Echt krass!“

„Sag mal, wie viel Beine sind denn das?“, fragte ich erstaunt. „Ist das ein Tausendfüßler mit Flügeln!“

An diesem Tier stimmte nichts, was wir an Biologie-Regeln kannten. Gut, wir kannten nicht viele – aber trotzdem! Sein Leib war gelb gefärbt wie der einer Wespe, hatte aber keine Streifen. Er sah weniger gegliedert aus, als gewohnt. Und Härchen, wie wir sie bei Fliegen kannten, gab es kaum.

Außerdem konnte es gar nicht zum Fenster herein geflogen sein! Ich hatte nämlich vergessen zu lüften, und wollte das nur nicht zugeben, weil Leo mich sonst einen Stinker genannt hätte. Wo kam es also her? War es aus meiner Einhorngeschichte heraus geflattert, so ähnlich wie bei Cornelia Funkes Tintenweltbüchern?

„Guten Morgen, Mama! Stell dir vor…“ Eigentlich wollte ich ihr von meinem Fund erzählen, aber ich kam nicht zum Ausreden, weil ihr die dumme Toilettenordnung wichtiger war. Wie schade! War Oma wirklich so sauer gewesen, weil ich sie einmal ohne Haare erwischt hatte? Bloß gut, dass wir uns zum Punktspiel fertig machen mussten. Da brauchte ich mir die kühle Stimmung nicht lange anzutun. Und über fremdartige Lebewesen wollte ich in Zukunft nur noch mit Leo reden.

Der Schlüsseldieb

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