Читать книгу Einführung in die Theorie der Bildung - Andreas Dörpinghaus - Страница 13
1.5 Bertolt Brecht: Lob des Lernens
ОглавлениеIn dem Gedicht „Lob des Lernens“ betont Bertolt Brecht die Wichtigkeit von Bildung als Voraussetzung für eine Befreiung von Unterdrückung, die Verhinderung von Benachteiligung und als Möglichkeit der Gestaltung einer gerechten und humanen Gesellschaftsordnung.
Lob des Lernens
Lerne das Einfachste! Für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das ABC, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen!
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.
Lerne, Mann im Asyl!
Lerne, Mann im Gefängnis!
Lerne, Frau in der Küche!
Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf, Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.
Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.
(BERTHOLT BRECHT 1988, S. 233)
Mündige Lebensführung
Nur auf dem Fundament von Bildung ist eine aktive Gestaltung der Lebensverhältnisse möglich. Das Gedicht ist getragen vom Appell an die Menschen zu lernen. Es richtet sich an die „Schwachen“ der Gesellschaft. Nur durch Lernen können sie die Verhältnisse umkehren. Für niemanden ist es zu spät, kein sozialer Ort wird ausgenommen. Dabei lohnt es sich, das Einfachste zu lernen, obwohl der Weg zum Wissen ein weiter ist. Der Wissensdurst wird durch den Glauben an eine gerechte Gesellschaft ohne Unterdrückte und Benachteiligte genährt. Die drei Strophen des Gedichtes markieren den Bildungsweg der Emanzipation: Das Einfachste zu lernen endet mit der unnachgiebigen Forderung und der direkten Anrede: „Du mußt die Führung übernehmen“. Die einfache, elementare Bildung („Lerne das ABC“) ist der erste Schritt zu einer mündigen Bildung der Selbstbestimmung, die keineswegs etwa auf die Institution Schule eingeschränkt wird. Der Mensch muss sein Leben führen, denn er zahlt die „Rechnung“. In der dritten Strophe wird das Ziel des Weges deutlich: Die Bildung des Menschen muss zu Mündigkeit, zu einem „Sich-selbst-regieren-Können“ führen. Bildung ist eine kritische: „Sieh selber nach!/Was du nicht selber weißt/Weißt du nicht“. Sie wird zur Waffe der Gegenwehr und zur Macht der Befreiung.