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Kiesewetters Historische Hauskonzerte

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Kiesewetter begann 1816 seine „Concerte alter Musik“, in denen er bis 1842 von über 60 Komponisten rund 200 verschiedene Werke (einige wurden im Laufe der Jahre mehrfach wiederholt) zur Aufführung brachte. Er berief sich in mehreren Briefen11 bewusst auf die Idee der seit 1731 in London existierenden „Academy of Ancient Music“ und die von Zelter geleitete, aber bereits von Fasch 1790 in Berlin gegründete „Singakademie“. Wie bereits erwähnt, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die von van Swieten in Wien geförderte und betriebene Auseinandersetzung besonders mit den Werken J. S. Bachs und G. F. Händels Kiesewetter bestens bekannt gewesen ist als er selbst auf diesem Gebiet initiativ wurde; er tat dies jedoch unter strikter Beachtung der Originale12. Unter van Swietens Anleitung hatten sich J. Haydn, W. A. Mozart und L. v. Beethoven mit den Kompositionen dieser ihrer musikalischen Vorfahren beschäftigt. Sie wurden von ihnen nicht nur in van Swietens Hause musiziert, sondern führten im Falle Mozarts sogar zu Bearbeitungen zum Zwecke der Aufführung.

In Kiesewetters Hauskonzerten (manche größer besetzten Werke ließ er in der Augustinerkirche aufführen) überwogen Kirchenkompositionen. Darunter befand sich sowohl A-cappella-Repertoire als auch instrumental begleitete Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts, mit den Schwerpunkten: G. P. Palestrina, A. Scarlatti, A. Caldara, B. Marcello und J. S. Bach, doch kamen auch einige wenige Werke von J. Haydn und W. A. Mozart zur Aufführung. Der Chor umfasste bis zu vierzig und mehr Mitwirkende. Die Gesangssolisten waren – neben ihm selbst – versierte Sänger wie z.B. einige Male einer der bedeutendsten Bassisten Europas Luigi Lablache (1794–1858), überwiegend aber Lehrer und Lehrerinnen des Konservatoriums, und der Chor bestand vor allem aus deren Schülern. Die Instrumentalisten stammten neben Profimusikern aus dem großen Reservoir der in Wien zahlreichen „Dilettanten“. Die Leitung lag bei Kiesewetter selbst; allerdings standen ihm bei komplexeren Werken anfangs der Regens Chori der Augustinerkirche Franz Xaver Gebauer (1784–1822), dann der auch als Komponist bekannt gewordene Klaviervirtuose und kaiserliche Hoforganist Jan Hugo Vořišek (1791–1825) und nach dessen Tod der Pianist und Schubertfreund Johann Baptist Jenger (1792–1856) zur Seite.

Reine Instrumentalmusik wurde nicht bei ihm aufgeführt, sondern bei seinem engen Freund Simon Molitor, der in den Jahren 1832 bis 1842 historische Instrumentalkonzerte veranstaltete13. Kiesewetter hatte in dem überbordenden Musikleben Wiens ohnehin Schwierigkeiten genug, immer die besten musikalischen Kräfte um sich zu sammeln.

Zwar lag bei seinen von ihm veranstalteten Konzerten der Schwerpunkt auf Messen, Kantaten, Psalmen und Oratorien aus dem katholischen Kirchenmusikrepertoire, doch fand bei Kiesewetter auch die protestantische Kirchenmusik eine gebührende Berücksichtigung, so insbesondere J. S. Bach und G. Ph. Telemann. Ferner ist zur Weihnachtszeit 1829 die Aufführung des fünfstimmigen Chorwerkes „Gebet des Herrn“ (1650) für Chor und Instrumentalbegleitung von Heinrich Schütz14 hervorzuheben, wird doch Carl von Winterfeld in der Literatur allgemein als der Entdecker von Heinrich Schütz gefeiert, der auf ihn aber erst in seinem Buch über Gabrieli15 hinwies.

Bemerkenswert war die Zusammensetzung der Zuhörerschaft. Sie umfasste keineswegs nur interessierte Musikliebhaber und wissenschaftliche Kollegen, etwa aus Berlin Georg Pölchau und Siegfried Wilhelm Dehn, sondern auch Spitzen der Gesellschaft wie die rechte Hand des Fürsten Metternich Friedrich von Gentz, dann den päpstlichen Nuntius Fürst Altieri, ferner Schriftsteller wie den bedeutendsten zeitgenössischen österreichischen Dichter Franz Grillparzer, aber auch Komponisten wie Frédéric Chopin, der sich u.a. 1830 in Wien aufhielt, und vor allem Franz Schubert. Dessen Werke erklangen bei vielen „Schubertiaden“ im engeren familiären Kreise des Hauses Kiesewetter, denn sowohl Kiesewetters Sohn Karl wie auch seine Tochter Irene gehörten zum Freundeskreis des Komponisten, der Irene das Gesangsquartett mit Klavierbegleitung „Der Tanz“ (D 826) gewidmet hat16.

Geschichte der europäisch-abendländischen Musik

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