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5. Der Bruch mit dem Vater

Um die Renovierung der Kirche von San Damiano zu finanzieren, belud Franziskus ein Pferd mit wertvollen Stoffen und verkaufte diese samt dem Pferd auf dem Markt von Foligno. Sein Vater war über diese Veruntreuung seines Vermögens erbost. Aus Angst traute sich Franziskus nicht mehr nach Hause, sondern versteckte sich. Nach ein paar Wochen kehrte er völlig verdreckt und heruntergekommen heim. Tief enttäuscht über seinen Lieblingssohn, der einmal sein Erbe antreten sollte, verpasste ihm Pietro Bernardone ein Tracht Prügel und sperrte ihn dann in einem Zimmer des elterlichen Hauses ein. Die Mutter allerdings half ihrem Sohn zu fliehen, und schließlich verklagte der Vater seinen missratenen Sprössling vor Gericht. Weil er beim städtischen Tribunal nichts ausrichten konnte, erhob er Klage beim bischöflichen Gericht. Die Szene ist berühmt: Die Einwohner von Assisi haben sich auf dem Marktplatz versammelt, um das öffentliche Spektakel zu verfolgen. Denn dass ein Sohn aus gutem Hause von seinem eigenen Vater vor dem kirchlichen Gericht verklagt wird: Welch ein Skandal!

Franz sagte sich in aller Öffentlichkeit von seinem Vater los und gab ihm alles Geld zurück. Dann überließ er dem Vater auch noch seine Kleider und legte am Schluss seine Unterhose ab. Splitternackt trat er vor die Menge und erklärte, dass er von nun an nur noch Gott als seinen Vater anerkenne. Bischof Guido von Assisi legte seinen Mantel um Franziskus, um seine Blöße zu bedecken. Diese Geste ist auch ein Sinnbild dafür, dass Franz jetzt ein Leben im Raum der Kirche, ein Leben in der Beziehung mit Gott führen wollte.

Franziskus mit seiner spontanen und oft überschwänglichen Art neigte zu solchen dramatischen Inszenierungen. Durch die starke Performance auf dem Marktplatz machte er deutlich, dass er seinem Vater und dessen Reichtum den Rücken zuwandte. Was hat ihn zu dieser drastischen Szene bewegt? Franz hat wahrscheinlich eingesehen, dass der Verkauf des Pferdes und der kostbaren Kleider ohne Einverständnis seines Vaters nicht in Ordnung war. Aber die scharfe Reaktion seines Vaters, der ihn einsperrte und um jeden Preis das Geld zurückbekommen wollte, haben Franziskus gezeigt, wie sehr sein Vater seinem Geschäft und den Finanzen verfallen war. Geld war ihm wichtiger als die Beziehung zu ihm, seinem Sohn. Franziskus suchte jetzt seinen familiären Halt bei einem anderen Vater, den er auf dem Marktplatz von Assisi als „mein Vater im Himmel“ ansprach. Der Maler Giotto hat in der Kirche San Francesco diese Szene als Wechsel von Kleidung und Blickrichtung dargestellt: Der entblößte Franz schaut nicht auf seinen leiblichen Vater, der in seinem Zorn zurückgehalten werden muss. Sein Blick geht vielmehr zum Himmel, wo ihm Gottes segnende Hand diskret und freilassend Zuwendung und Begleitung verspricht.

Dieser Konflikt wurde für Franziskus zu einem weiteren Schlüsselerlebnis, das seinen Weg prägen sollte. Schon seit dem Friedenskuss des Aussätzigen war in ihm die Entscheidung herangereift, von einer Seite der Gesellschaft zur anderen zu wechseln. Er blieb nicht am sicheren Ufer der Besitzenden und Mächtigen, sondern „konvertierte“ und trat immer mehr auf die Seite der Armen und Ausgeschlossenen. Damit verband sich eine neue Lebensphilosophie: Franziskus warnte nun vor dem Reichtum, vor dem Kleben am Geld, vor der Vergötzung des Habens. Besitz kann besessen machen. Franz verabscheute es, Geldmünzen anzufassen, selbst wenn er sie auf der Straße fand. Wie Jesus predigte er eine Armut, die frei macht. Dabei romantisierte er nicht die materielle Not, unter der Menschen oft brutal zu leiden haben. Die Armut, die Franziskus leben wollte, hatte auch nichts mit einer zwanghaften und selbstquälerischen Askese zu tun. Vielmehr entdeckte Franziskus in einer freiwilligen, fast spielerischen Armut eine Freiheit, die ihm neue Lebensräume und Beziehungen eröffnete. Der anspruchslose Lebensstil kann die Geschwisterlichkeit untereinander fördern: Alle Menschen sollen sich als Brüder und Schwestern verstehen und miteinander teilen lernen.

Franziskus ließ sich auf diesem Weg von Jesus inspirieren: Er wollte – in einer Formulierung des heiligen Hieronymus – „nackt dem nackten Christus folgen“ und wie dieser aller materiellen Besitztümer entkleidet sein. Am Ende seines Lebens wollte Franz sogar nackt auf dem Boden liegend sterben.

Pace e bene!

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