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Оглавление1. Eine Zeitreise
Pilgern gleicht manchmal einer „Zeitreise“. In vielen Dörfern und Städten Umbriens taucht man beim Durchschreiten der Stadttore in ein mittelalterliches Flair ein. Auf malerischen Marktplätzen und in den engen Gassen berührt uns ein Hauch längst verflossener Zeiten. Doch nicht nur das Stadtbild stellt uns vergangene Welten vor Augen. Manchmal begegnen wir noch Menschen, die wie ihre Vorfahren von einer einfachen Landwirtschaft oder vom Handwerk leben.Das kann unsere Phantasie beflügeln und uns in die Zeit zurückversetzen, in der Franz von Assisi gelebt hat.
Wie sah Mittelitalien um das Jahr 1200 aus? Die Region Umbrien gehörte damals zum „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“, das in viele Herzogtümer, Grafschaften usw. gegliedert war. Der Herzog von Spoleto mit seinem Sitz in der gleichnamigen Stadt herrschte auch über die Städte Foligno und Assisi. Kaiser Friedrich Barbarossa (1152–1190) löste dann die Grafschaft Assisi aus dem Herzogtum heraus und unterstellte es seiner persönlichen Herrschaft. Assisi empörte sich gegen diese Vereinnahmung, wurde aber von kaiserlichen Truppen belagert und erobert. Als Herzog von Spoleto regierte damals Konrad von Urslingen, ein schwäbischer Adeliger. Er residierte zeitweilig auch in der mächtigen Burg über Assisi (Rocca) und erzog den späteren Kaiser Friedrich II. (1194–1250), der im Dom von Assisi getauft wurde. Nach dem frühen Tod von Kaiser Heinrich VI. (1165–1197) nutzte Papst Innozenz III. das Machtvakuum, um in Umbrien seinen politischen Einfluss auszuweiten. Konrad von Urslingen unterstellte sich dem Papst. Die Bürger von Assisi rebellierten freilich auch gegen den Versuch, ihre Stadt und die Burg der päpstlichen Herrschaft zu übergeben. Sie besetzten und zerstörten die Zwingburg über Assisi. Mit deren Steinen sicherten sie dafür ihre Stadtmauern.
Hier zeigt sich, dass die Bürger von Assisi mit einem neuen Selbstbewusstsein auftraten. Sie waren durch aufblühende Wirtschaft und Handel zu Reichtum gekommen und wollten die Regierung und Verwaltung ihrer Stadt nun selbst in die Hand nehmen. Allerdings kam es auch innerhalb der Stadt zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Denn das neue Bürgertum wollte sich mit den Vorrechten des alten Adels nicht mehr abfinden. Der alteingesessene Adel verbündete sich mit Perugia und so kam es zum Krieg zwischen den beiden Nachbarstädten, die von jeher um die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft konkurrierten. Bei diesem Gefecht im Jahr 1202 geriet der junge Franziskus in Gefangenschaft und kam erst ein Jahr später – wahrscheinlich durch die Bezahlung eines Lösegeldes – wieder frei.
Dieser erste Blick in die Zeitgeschichte von Franziskus zeigt uns eine Epoche voller Konflikte: Die politische Großwetterlage war von den Kreuzzügen und den Machtkämpfen zwischen Kaiser und Papst gekennzeichnet. Dazu kamen die Kleinkriege zwischen den Städten und schließlich die Streitigkeiten innerhalb der Stadtmauern. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, warum Franziskus die Botschaft von Frieden und Versöhnung so sehr am Herzen lag.