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1.2.1 Tragödie ohne Dionysos?
ОглавлениеDie religiös-rituellen Zusammenhänge der Festkultur, die auf die Tragödie einwirkten, werden in den meisten Werken zur griechischen Tragödie, auch bei Joachim Latacz, gründlich dargestellt. Es geschieht dabei eine kulturhistorische Einbettung der Tragödie in Dionysosverehrung, Heroenkult, Totenklage und Mysterienpraxis. Völlig anders nähert sich Gerald F. Else dem Gegenstand. Er beschränkt das Phänomen Tragödie auf die Personen Thespis und Aischylos. Der Inhalt der ersten Tragödien sei der Handlungswelt des homerisch-epischen Sagenkreises entnommen. Es gebe keinen dionysischen Zusammenhang, außer dass die Tragödien anlässlich der städtischen Dionysien aufgeführt worden sind.36 Ein kurzer Weg führt von Homer über die Rhapsoden, die dessen Werke nicht nur rezitieren, sondern seine Figuren auch spielen, zu Thespis und Aischylos. Nicht Götter oder Dämonen, Dionysos oder Satyrn wurden von Schauspielern dargestellt, sondern Heroen der Epik, und zwar solche, für die normalerweise in Attika kein Kult bestand. Zweitens seien die gesprochenen Texte in den Tragödien durch den Logos geprägt, sie sind nicht nur „nicht-dithyrambisch“ und „un-dionysisch“, sondern sogar „anti-dionysisch“.37