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Vom Zettelkasten zur Heldenreise

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Lucas hatte ursprünglich versucht, die Neuverfilmungsrechte für die Science-Fiction-Serie Flash Gordon zu erwerben, war jedoch gescheitert. Also verfasste er selbst über einen Zeitraum von drei Jahren eine gewaltige Sammlung an Notizen, Charakterskizzen und Schauplatz-Schilderungen. Die ersten Entwürfe, die 2013 von dem Verlag Dark Horse als Comicadaptation veröffentlicht wurden, ließen zwar anfangs einen roten Faden vermissen. Sie erwiesen sich aber im Nachhinein als ideale Fundgrube für den späteren Ausbau zur medienübergreifenden Saga. Die Konstruktion eines detailverliebten Universums findet sich in vergleichbarer Form nur noch in den Arbeiten von J. R. R. Tolkien zur imaginären Chronik des Fantasy-Kontinents Mittelerde aus Der Herr der Ringe (etwa im Silmarillion) oder in den ausufernden Comicwelten der Verlage DC und Marvel.

Nicht von ungefähr erinnert dies Zettelkasten-Prinzip an ein Rollenspiel-Handbuch. Seit den frühen 1970er Jahren entwickelten sich Rollenspiel-Systeme wie Dungeons and Dragons oder hierzulande Das schwarze Auge von einem Nischen-Phänomen der Nerd-Kultur zu einem festen Bestandteil des Mainstreams.

In Star Wars dient der einfache erzählerische Aufhänger der in Sicherheit zu bringenden Todessternpläne als Eintrittskarte zu einer phantastischen Erkundungsreise durch die unterschiedlichsten Genrewelten. In der weit entfernten Galaxis gehen die Settings fließend ineinander über. Sie ergänzen sich gegenseitig und entwerfen eine imaginäre Topographie. Die Genrereferenzen produzieren immer wieder einen ästhetischen und narrativen Überschuss, der in späteren Erzählungen ebenso gut in anderen Medien wie etwa den Rollenspielen erneut aufgegriffen werden kann.

Allein der Wüsten-Planet Tatooine, auf dem die erste Hälfte von A New Hope spielt, vereint die unterschiedlichsten Spielregeln des Western-Genres. Rund um die Farm von Lukes Familie herrschen die ganz klassischen Spielregeln des Hollywood-Westerns, wie sie der von Lucas bewunderte Regisseur John Ford in seinen Filmen zum Einsatz brachte. Die Feuchtfarmer versuchen in einem langwierigen Prozess die Weiten der Wüste zu besiedeln. Es gibt deutlich gezogene Grenzen, die besser nicht übertreten werden, da hinter ihnen das Land der Gesetzlosen beginnt. Wenn Luke auf die zerstörte Farm seiner Verwandten zurückkehrt, zitiert A New Hope direkt ein Bildmotiv aus John Fords stilprägendem Western The Searchers (Der schwarze Falke, 1956). In der Raumhafenkneipe von Mos Eisley gelten hingegen die ambivalenten Gesetze des Italo-Westerns, dessen zynische Helden wie Clint Eastwood in Sergio Leones Dollar-Trilogie (1966–68) mit den Regeln der klassischen Hollywood-Helden brachen. In der für die meisten Fans und auch für mich gültigen ursprünglichen Fassung von A New Hope schießt Han Solo, obwohl er zu den zentralen Helden der Saga gehört, in der Kneipe kaltblütig den Kopfgeldjäger Greedo über den Haufen. Mit einem unter dem Tisch versteckten Blaster hat Han für alle Notfälle vorgesorgt. Als ihn der ebenso glücklose wie ungeschickte Greedo als Erster ausfindig macht, um die von Gangsterboss Jabba the Hutt auf Solo ausgesetzte Prämie zu kassieren, zögert Han nicht lange. Er eliminiert den Kopfgeldjäger noch während des scheinbar unverbindlichen Small Talks. In der 1997 erschienenen, digital übermalten Special Edition veränderte Lucas den Verlauf des Gesprächs. Auf nicht sonderlich überzeugende Weise fügte er einen Laserstrahl aus Greedos Pistole hinzu. Der nachträglich eingefügte Schuss sollte suggerieren, dass trotz dessen offensichtlichen Unvermögens der grünhäutige Alien zuerst geschossen, Han Solo also in Notwehr gehandelt habe. Doch der Wechsel von den Spielregeln des traditionellen Westerns hin zu den rauen Sitten und ambivalenten Heldenbildern des Italo-Westerns in der ursprünglichen Fassung bot im Vergleich zur geglätteten Special Edition die weitaus interessantere Variante.

Star Wars. 100 Seiten

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