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Vorwort

Die ganze Welt des Lehrens und Lernens in einem einzigen Würfel? – Andreas Schubiger macht es möglich. Ausgehend von jahrelangen positiven Erfahrungen am Zentrum für berufliche Weiterbildung in Sankt Gallen mit Lehr-Lern-Prozessen waren ihm zwei Dinge wichtig. Einmal wollte er sein erfolgreich praktiziertes Lernverständnis in einer gut lesbaren Form offenlegen. Zum anderen wollte er aber auch allen Lehrenden eine übersichtliche Handreichung für die Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht zur Verfügung stellen.

Dass daraus keine «Dienstanweisung für Unterteufel» geworden ist, wie der Schöpfer der Chroniken von Narnia C.S. Lewis 1941 eines seiner Bücher betitelt hat, liegt ganz einfach am hohen Reflexionsniveau dieses Buches. Lehren und Lernen sind für Andreas Schubiger auf den Kompetenzzuwachs ausgerichtete, komplexe Prozesse. Um diese handhabbar zu machen, giesst er sie in einen Würfel, den er als RITA-Modell bezeichnet. RITA ist ein Akronym und steht für die Kompetenzentwicklung in vier Schritten: R = Ressourcen aktivieren, I = Informationen verarbeiten, T = Transfer anbahnen und A = Auswerten. Diese vier Schritte werden der Planung von Unterricht zugrunde gelegt. Mehr noch. Alle gängigen Unterrichtsmethoden, seien es Grossformen wie die Projektmethode oder kleine Einschübe wie die Murmelphase, werden stimmig in dieses Modell eingeordnet, so dass die Lehrenden eine Prüfgrösse für die Angemessenheit des eigenen Handelns erhalten.

Die vielfältigen Unterrichtsmethoden werden darüber hinaus einzeln zu einer umfangreichen Methodensammlung zusammengestellt und in einer Zwölffeldertafel sowohl auf die vier Elemente von RITA als auch auf die drei Basiselemente Wissen, Können und Wollen bezogen. War der Zauberwürfel des Ungarn Erno Rubik (1975) noch ein mechanisches Geduldsspiel, so ist der Zauberwürfel von Andreas Schubiger eine Aufforderung zur nachhaltigen Reflexion über das eigene unterrichtliche Handeln.

Dabei ist es keineswegs einfach, Anhaltspunkte für «guten Unterricht» zu finden. Hilbert Meyer hat dies in seinem gleichnamigen Buch (2004) versucht, indem er teils allgemein akzeptierte Forschungsergebnisse zusammengetragen hat, wie etwa Strukturiertheit und Verständlichkeit, teils aber auch subjektive Erfahrungswerte, wie etwa Methodenvielfalt oder intelligentes Üben. In der Lehrerbildung haben Meyers zehn Merkmale längst die biblischen Zehn Gebote abgelöst. John Hattie ging 2009 in seinem Buch «Visible Learning» noch fundierter vor. In fünfzehn Jahren neuseeländischer Fleissarbeit, die jedem Appenzeller Bergbauern zur Ehre gereicht hätten, führte er die Ergebnisse aus 800 Meta-Analysen zusammen, die ihrerseits wiederum auf über 50 000 empirischen Einzelstudien beruhen. Dabei kommt er zuweilen zu überraschenden Ergebnissen (z. B.: offener Unterricht schadet nicht, nützt aber auch nichts), zuweilen bestätigt er die bislang gewonnenen Einsichten (hohe Bedeutung von Lernzeitnutzung und Klarheit). Hattie zieht in seinem zweiten Buch (2012) daraus die Konsequenzen, die sich aber nicht so anhören, als hätte er, wie The Times Educational Supplement meinte, den «Heiligen Gral» des Lehrens und Lernens gefunden. Hattie (2012, S. 18 f.) fasst zusammen:

1.Lehrpersonen gehören zu den wichtigsten Einflussfaktoren.

2.Lehrpersonen sollten direktiv, einflussreich, fürsorglich und engagiert unterrichten.

3.Lehrpersonen sollten erkennen, was die Lernenden denken und wissen, damit sie den Lernprozess darauf abstimmen können.

4.Lehrenden wie Lernenden sollte klar sein, wie sie die Kluft zwischen dem vorhandenen Lernstand und dem angezielten Lernstand überwinden können.

5.Lehrpersonen sollten von einer einzigen Idee zu zahlreichen Ideen kommen, wie man Lernende bei der Wissenskonstruktion unterstützen kann.

6.Schulleiter wie Lehrpersonen sollten Schulen schaffen, in denen Fehler willkommen sind.

Derartige Aussagen regen sicherlich zum Nachdenken an, doch sie verbessern nicht unbedingt die Welt. So konnte beispielsweise Anton Haas (1998) in seiner bemerkenswerten Studie über die alltägliche Unterrichtsvorbereitung von Lehrkräften zeigen, dass sich diese in der Regel nicht an den studierten fachdidaktischen Theorien orientieren, sondern Unterricht in einer erschreckend unprofessionellen Weise planen, durchführen und auswerten.

Vielleicht schafft es Andreas Schubiger mit diesem Buch, einen Impuls in Richtung besseren Unterrichtens zu geben. Sicher ist dies nicht. Denn wie er selbst schreibt, führt der Weg vom Wissen über Können und Wollen. Und ein Buch ist eben ein Buch und damit zunächst einmal nur Wissen. Können und Wollen müssen in der Folge erst noch entstehen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass dieses ausserordentlich hilfreiche Buch ganz sicherlich in die Chroniken von St. Gallen Eingang finden wird.

Prof. Dr. Diethelm Wahl, Psychologie und Erwachsenenbildung

Im Juli 2012

Lehren und Lernen

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