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COVAX – zweitbeste Lösung, aber kaum umgesetzt

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Als zweitbeste Lösung zur Umsetzung der WHO-Resolution vom Mai 2020 mit dem Ziel, dass alle Länder, unabhängig von ihrer Kaufkraft, zügigen Zugang zu Impfstoffen gegen COVID-19 erhalten, wurde die COVAX Facility ins Leben ins Leben gerufen. COVAX steht für »COVID-19 Vaccines Global Access«. Beteiligt an der Einrichtung sind neben der WHO auch die privat-öffentlichen Impfstoffallianzen Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunizations), in der Pharmakonzerne und die Bill and Melinda Gates Foundation eine wichtige Rolle spielen, und CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations). Die Einrichtung soll zum einen die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen beschleunigen. Vor allem aber ist sie dafür zuständig, Impfstoffdosen bei Herstellerfirmen zu kaufen und allen Staaten zuzuteilen, die ihre Teilnahme an COVAX erklärt haben. Bis Ende 2020 beschlossen 190 von insgesamt rund 200 Staaten weltweit ihre Teilnahme an COVAX, darunter 98 wohlhabendere Länder und 92 Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

Erklärtes Ziel von COVAX ist, bis Ende 2021 mindestens zwei Milliarden qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte Impfstoffdosen bereitzustellen, um die akute Phase der Pandemie zu beenden. Mindestens 1,3 Milliarden dieser Impfdosen sollen an ärmere Länder gehen, damit sie 2021 wenigstens 20 Prozent ihrer Bevölkerung schützen können. Wohlhabendere Nationen zahlen den vollen Preis, den die COVAX Facility mit Impfstoffherstellern aushandelt. Ärmere Länder werden um eine finanzielle Beteiligung gebeten, haben aber, falls ihnen das nicht möglich ist, Anspruch auf Gratislieferungen. Außerdem gibt es Länder wie Deutschland, Frankreich oder Spanien, die zwar via COVAX keinen Impfstoff bestellen, aber die Beschaffung für andere finanziell unterstützen. Hinter diesem Modell steht der Gedanke der Solidarität und die Überzeugung, dass die COVID-19-Pandemie sich in einer eng verflochtenen Welt nur eindämmen lässt, wenn alle Regionen ausreichend geschützt sind.

Noch beim Gipfel der G20-Staaten Ende November 2020 bekräftigte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer damaligen Funktion als Ratsvorsitzende der EU dieses Ziel mit den Worten: »Der Zugang zur Impfung muss für alle Länder möglich und bezahlbar sein.« Ähnlich äußerte sich die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen.

Doch die Realität hinter diesen wohlklingenden Resolutionen und Erklärungen sah anders aus. Die USA, die der COVAX Facility ohnehin nicht beigetreten waren, sowie die EU, Großbritannien, Kanada, Japan, Australien, Israel und andere zahlungskräftige Industriestaaten, in denen insgesamt lediglich 13 Prozent der Weltbevölkerung leben, sicherten sich im zweiten Halbjahr 2020 durch exklusive Vorverträge mit sechs potenziellen westlichen Herstellerfirmen die Option auf insgesamt 3,85 Milliarden Impfdosen. Die meisten dieser Länder haben dabei mehr Impfstoff bestellt, als sie selbst bei zweimaliger Impfung für die eigene Bevölkerung benötigen. Spitzenreiter ist Kanada, das für seine 40 Millionen Einwohner 300 Millionen Impfdosen bestellte. Die EU sicherte sich 1,965 Milliarden Impfdosen für die 450 Millionen EU-Bürger im Wert von über 25 Milliarden Euro. Die USA orderte 800 Millionen Dosen für 330 Millionen Einwohner. Großbritannien und Australien bestellten für jeden Einwohner jeweils mehr als 2,5 Impfdosen.

Insgesamt sicherten sich die Industriestaaten 51 Prozent der 7,55 Milliarden Impfdosen, deren Herstellung und Lieferung die sechs westlichen Unternehmen auf Grund ihrer Produktionskapaziät bis Ende 2021 zusagen konnten. Allerdings hatten bis Mitte März 2021 lediglich die zwei Impfstoffe des deutsch-amerikanischen Konsortiums Biontech/Pfizer und des US-Konzerns Moderna alle nach wissenschaftlichen Standards erforderlichen Test- und Prüfverfahren abgeschlossen und eine Zulassung in der EU, in Großbritannien und in den USA erhalten; der Impfstoff des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca war zunächst nur in Großbritannien zugelassen. Der US-Konzern Johnson & Johnson, das deutsche Unternehmen Curevac sowie das französisch-britische Konsortium Sanofi/GlaxoSmithKline warteten noch auf die Zulassung.

Doch selbst wenn diese drei Hersteller ebenfalls die Zulassung erhalten sollten und darüber hinaus auch weitere sieben Unternehmen, die nach einer Untersuchung der Johns-Hopkins-Universität im Dezember 2020 mit der Entwicklung eines Impfstoffs am weitesten fortgeschritten waren, könnten bis Ende 2021 optimistisch geschätzt maximal 5,96 Milliarden Impfeinheiten, bestehend aus jeweils zwei Impfdosen, produziert werden. Damit würde rund ein Fünftel der Weltbevölkerung frühestens ab 2022 Zugang zu einem Impfstoff haben. Und für die allermeisten Menschen in den Ländern des Südens würde die Impfung auch erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 beginnen. In dieser Kalkulation sind logistische Schwierigkeiten bei der Lieferung, sachgerechten Lagerung und Verteilung der Impfstoffe sowie eventuelle Finanzierungsprobleme noch gar nicht berücksichtigt.

Oder die armen Länder wären abhängig von Präparaten wie dem von Russland seit Ende 2020 international angebotenen Impfstoff »Sputnik V«. Anfängliche Bedenken gegen den Impfstoff wegen zunächst unzureichender Testverfahren konnten zwar ausgeräumt werden, allerdings hatte Sputnik V von der Zulassungsbehörde der EU bis Ende Januar 2021 noch keine Freigabe erhalten.

Reform oder Blockade

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