Читать книгу Petersburg - Andrei Bely - Страница 32
ОглавлениеVerteidigen Sie den Tabak nicht, Nikolai Apollonowitsch. Ich sage es Ihnen aus eigener Erfahrung . . . Der Rauch durchsetzt den grauen Hirnstoff. Die Hemisphären des Hirns werden verstopft: eine allgemeine Mattigkeit ergießt sich in den Organismus . . .
Der Unbekannte zwinkerte Nikolai Apollonowitsch familiär zu.
»Sehen Sie mein Gesicht?«
Ohne die Brille gefunden zu haben, näherte Nikolai Apollonowitsch seine Augen dem Gesicht des Unbekannten.
»Sehen Sie das Gesicht?«
»Ja, das Gesicht . . .«
»Das Gesicht ist blaß . . .«
»Ja, es ist etwas blaß —« Ableuchows Wangen wurden von Höflichkeitswellen in verschiedenen Nuancen überströmt.
»Ein ganz grünes, verändertes Gesicht«, unterbrach ihn der Unbekannte, »Das Gesicht eines Rauchers.«
Nikolai Apollonowitsch spürte schon längst eine beunruhigende Schwere, als füllte das Zimmer sich nicht mit Rauch, sondern eher mit Blei; Nikolai Apollonowitsch fühlte, wie sich die Hemisphären seines Hirns verstopften und eine allgemeine Mattigkeit seinen Körper durchzog; er dachte aber nicht an die Wirkungen des Tabakrauches — er dachte vielmehr daran, wie er sich mit Würde aus der peinlichen Lage zurückziehen könnte; er dachte, was er wohl im bedenklichen Fall tun sollte, wenn der Unbekannte . . . wenn . . .
Diese bleierne Schwere kam nicht von der billigen Zigarette; sie kam vielmehr von der gedrückten Stimmung des Wirtes. Er erwartete von Sekunde zu Sekunde, daß sein unruhiger Besucher nun das Geschwätz abbräche, dessen eigenster Zweck zu sein schien — ihn durch Erwartung zu quälen; ja: daß er es abbrechen würde, um ihn daran zu erinnern, daß er, Nikolai Apollonowitsch, seinerzeit durch ihn, den sonderbaren Unbekannten — wie es nur deutlicher aussprechen? . . .
Kurz, daß er seinerzeit die für ihn furchtbare Verpflichtung übernommen hatte, der gerecht zu werden, ihm nicht bloß die Ehre gebot; dieses furchtbare Versprechen aber hatte Nikolai Apollonowitsch damals nur aus Verzweiflung gegeben; ein Mißerfolg hatte ihn dazu bewogen; die Spuren dieses Mißerfolges verwischten sich nun allmählich. Das furchtbare Versprechen müßte, schien es ihm, von selbst weggefallen sein; doch es blieb bestehen; es blieb schon deswegen bestehen, weil es nicht zurückgenommen ward; aufrichtig gestanden hatte es Nikolai Apollonowitsch einfach gründlich vergessen; und so blieb dieses Versprechen bestehen und lebte im Kollektivbewußtsein einer gewissen Partei fort, während in ihm selbst die Empfindung von der Bitternis des Seins entschwunden war; und er sein Versprechen gern als ein scherzhaftes betrachtet hätte.
Das Erscheinen des Individuums mit dem Schnurrbärtchen erfüllte Nikolai Apollonowitsch mit Angst.
Warum denn aber — warum hatte er sein Versprechen gegeben? — Und das wäre nicht das Wichtigste: warum hatte er aber sein furchtbares Versprechen einer leichtfertigen Partei gegeben?
Die Antwort wäre einfach: Nikolai Apollonowitsch, beschäftigt mit der Methodik der sozialen Erscheinungen, hatte die Welt dem Feuer und Schwert preisgegeben.
»Wissen Sie, Nikolai Apollonowitsch,« (Nikolai Apollonowitsch fuhr erschreckt auf) »ich kam eigentlich nicht zu Ihnen wegen des Tabaks . . . das heißt das mit dem Tabak war ganz zufällig . . .«
»Ich verstehe schon.«
»Der Tabak ist eine Sache für sich; ich kam aber nicht wegen des Tabaks, sondern einer Sache wegen . . .«
»Sehr angenehm . . .«
»Eigentlich ist es auch gar keine Sache; es handelt sich nur um eine Gefälligkeit — und diese Gefälligkeit werden Sie mir sicher erweisen . . .«
»Gewiß doch, sehr angenehm . . .«
Nikolai Apollonowitsch wurde blau; er saß und bemühte sich, einen Knopf vom Sofa zu lösen.
»Mir ist es höchst peinlich, aber eingedenk . . .«
Nikolai Apollonowitsch fuhr zusammen: die scharfe, hohe Fistelstimme des Unbekannten fuhr wie ein Messer durch die Luft; eine Sekunde des Schweigens war dieser Fistelstimme vorangegangen; diese Sekunde aber glich einer Stunde — einer unendlichen Stunde.
Doch nahm er sich sofort zusammen; er meinte nur:
»So, ich stehe zu Ihren Diensten —« Und dabei dachte er: die Höflichkeit habe ihn vernichtet . . .
»Eingedenk Ihres Mitfühlens mit uns, kam ich . . .«
»Alles, was ich nur kann« — schrie Nikolai Apollonowitsch heraus und dachte: er sei doch ein vollendeter Esel . . .
»Eine kleine, o, eine ganz kleine Gefälligkeit . . .« (Nikolai Apollonowitsch horchte gespannt):
»Pardon . . . darf ich um die Aschenschale bitten?«