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VIZeit zählt: Abbott in der Soziologie

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Mit seiner programmatischen Ansage »time matters« für die soziologische Theorie – »Zeit(lichkeit) zählt« – bietet Abbott eine Fülle an Anknüpfungspunkten, um die bestehenden und derzeit auflebenden Debatten um die Zeitlichkeit des Sozialen voranzubringen. Mit seinen Bemühungen, besser zu verstehen, was es bedeutet, von einer Aufeinanderfolge von Sequenzen zu sprechen, und Antworten auf die Frage zu finden, welche Relevanz diese Sequenzialität für die Sozialtheorie hat, greift Abbotts prozesssoziologischer Theorieansatz in ein zwar nicht brachliegendes, aber doch erstaunlich unterentwickeltes semantisches Feld ein. Dass wir Abbotts Programm in diesem Band als eine Kollektion vor allem prozesstheoretischer Interventionen präsentieren, ruft dabei zwei Kernfragen auf: zum einen das Problem der angemessenen Theoretisierung der Zeitlichkeit sozialer Realität, zum anderen die Frage nach der Relevanz von Zeit für ein Verständnis sozialer Wirklichkeit.

Aktuell gibt es maßgeblich zwei sozialtheoretische Strömungen, für die Zeit ebenfalls zählt: einerseits die Entwürfe einer lebensphilosophischen bzw. neovitalistischen Sozialtheorie, andererseits die Praxistheorie in der Variante, die in erster Linie von Theodore Schatzki geprägt ist.155 In beiden Strömungen findet sich die Annahme einer fundamentalen Zeitlichkeit des Sozialen. Während sich der Neovitalismus jedoch dem Abbott’schen Paradigma der Veränderung anschließt, bringt die Praxistheorie mit dem Paradigma der Wiederholung eine (vermeintlich andere) zirkuläre Vorstellung fundamentaler Zeitlichkeit ins Spiel. Zusammen bilden sie eine in sich kontroverse Ökologie sozialtheoretischen Denkens. Ein zumindest kursorischer Vergleich ermöglicht es, Abbotts gegenwärtiges Einflusspotenzial – seinen Ort in der Soziologie – wenigstens ansatzweise zu skizzieren.

Das Paradigma der Veränderung hat einen vergleichbaren Ausgangspunkt wie Abbott, der ja wie gesehen in radikaler Manier die Prozessualität aller Dinge behauptet.156 Die derzeit diskutierten neovitalistischen Ansätze kritisieren, angelehnt an Henri Bergson oder Georg Simmel, die soziologische Tradition ebenfalls für ihre »verräumlichte« Imagination sozialer Realität.157 Sie problematisieren eine Art grundlegende Strukturierung soziologischer Wahrnehmung, nach der sich Entitäten – wie oben schon ausgeführt – in festen Grenzen und wie auf einem Feld verteilt gegenüberstehen.158

Nun geht es weder Abbott noch den Neovitalisten darum, dieser Raumontologie sozialer Realität schlicht eine zeitliche Dimension hinzuzufügen, um sich soziale Entitäten fortan als auch in der Zeit ausgedehnte Dinge vorzustellen. Ihr Anliegen ist es also nicht allein, soziale Entitäten grob zu historisieren, also schlicht anzuerkennen, dass sie nicht schon immer und genauso existiert haben, wie wir sie in der Gegenwart vorfinden. Stattdessen wollen Neovitalistinnen »all jene soziologischen Theorien […] kritisieren, die den sozialen Wandel als sekundär gegenüber einem gesellschaftlichen Sein konzipieren«.159 Dabei geht es um wesentlich mehr als die bloße Imagination einer sozialen Raumzeit. Es geht um ein neues Paradigma: Heike Delitz zufolge ist »das permanente Anders-Werden« die basale Eigenschaft sozialer Realität. Von ihr stammt der Vorschlag, in Abgrenzung zum Raumparadigma vom Paradigma »der permanenten Veränderung« zu sprechen. Dadurch wird dann folgerichtig »das soziologische Bezugsproblem neu formuliert«. Anstatt Ordnung zu erklären, geht es darum, das Anders-Werden »qualitativ« zu verfolgen.160

Die soziologische Beobachtung beginnt in dieser Perspektive mit der ontologischen Annahme, dass soziale Phänomene aus einem ständigen Werden bestehen.161 Nach Vorstellung der Neovitalisten entwickelt sich dadurch ein anderer Blick auf das Soziale, als es innerhalb einer Raumimagination möglich wäre: »Die Zeit ist kein teilbares und homogenes Medium, vergleichbar dem Raum. Die temporale Dimension des Wirklichen ist vielmehr eine unteilbare, kontinuierliche und unvorhersehbare sowie nicht revidierbare Aufeinanderfolge.«162 Ebenso wie – und auch im (vorsichtigen) Anschluss an – Abbott arbeitet sich die Lebenssoziologie an der Kritik eines Paradigmas ab, das zu ordnungsfixiert ist und vornehmlich ergründet, » was etwas war und was es wird«.163 So bleibt das Werden jedoch im Grunde abgedunkelt, da es hier von Anfangs- und Endzuständen her gedacht wird, nicht als Verlauf.

Das Programm der neuen Lebenssoziologie ist ambitioniert, bescheiden sind freilich noch die theoretische Detailarbeit und empirischen Einsichten.164 Ein stärkeres Gespräch mit dem Œuvre Abbotts könnte hier der Verfeinerung und Weiterentwicklung, womöglich auch der Vermeidung von Irrwegen dienen.165 Obwohl Abbott darauf insistiert, dass alles Veränderung ist, versucht er doch immer wieder, das Werden der Dinge mit einem Blick auf Ordnungen der Veränderung und Anfangs-, End- und Wendepunkte zu versöhnen. Alles fließt, aber es bilden sich Muster (patterns). Um diese Muster zu entschlüsseln, ohne sie dabei nur von ihrem Ausgangs- oder Endpunkt her zu denken, ruft Abbott uns zu einer sensiblen Suche nach den Varianten auf, wie sich Ereignisse und Ereignissequenzen verketten. Es geht ihm um »varieties of enchainment«, um der Vielfalt dieser Verbindungen, Verknüpfungen und Vernetzungen gerecht zu werden.166

Ein auf der Höhe der Abbott’schen Intervention argumentierendes prozesssoziologisches Denken dürfte sich also nicht mit Hinweisen darauf begnügen, dass sich alles stets verändert. Vielmehr müsste eine so aufgestellte Soziologie über die »nature of sequence order« der Prozesssegmente informieren können.167 Welche Bedeutung hat die Reihenfolge der Ereignisse, wie ist sie sozialtheoretisch zu erfassen und wie epistemologisch und methodologisch zu ermitteln?168 Das Werden des Sozialen ernst zu nehmen und nicht mehr als Zwischenschritt zwischen zwei festen Aggregatzuständen zu theoretisieren bedeutet mit Abbott ferner auch nicht, Anfang, Ende oder Wendepunkte aus der Analyse zu verbannen – im Gegenteil! Diesem Problem nachzugehen heißt, um es nochmals mit Abbott zu sagen, über theoretisches Rüstzeug zu reflektieren, das der Erfassung prozessualer Konvergenzen und Divergenzen dient. Zu ermitteln, wie die Bedingungen eines Prozesses dessen Ende, Ausgang oder etwaigen Abbruch konditionieren, läuft dabei keineswegs auf den Vorschlag hinaus, nur solche Prozesse zu betrachten, deren Endpunkt absehbar wäre. Doch muss eine Prozesstheorie die Bedingungen und Konstellationen im Auge behalten, die im Zweifelsfall über das Altern, Verlangsamen, Beschleunigen oder Auslaufen von Prozessen mitentscheiden. Andernfalls laufen Prozesstheorien Gefahr, in einer Prozessontologie zu münden, in der die soziale Welt ganz allgemein als unendliches Werden gefasst und womöglich sogar gefeiert wird, jedoch um den Preis, diesem Werden keine spezifizierenden Konturen geben zu können.

Auf eine ganz andere, fast schon entgegengesetzte Weise greift ein anderer sozialtheoretischer »turn« derzeit das Diktum »Zeit zählt« auf, der also die soziale Realität ebenfalls fundamental temporal denkt. Das Paradigma der Wiederholung tritt in Konkurrenz zum Paradigma der Veränderung.169 Gemeint ist hier die sogenannte Praxistheorie. Bei ihr handelt es sich freilich um einen losen Verbund ganz unterschiedlicher, häufig sogar höchst widersprüchlicher Versatzstücke und Forschungsansätze in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Da es uns an dieser Stelle nur um eine grobe Verortung von Abbott innerhalb einer Debatte um die Zeitlichkeit sozialer Realität geht, beschränken wir unsere Darstellung auf eine Linie innerhalb dieses heterogenen Feldes, die man um den Namen Theodore Schatzki ziehen kann.170

Obwohl sein ontologischer Ansatz die basale Zeitlichkeit sozialer Realität betont, grenzt sich Schatzki mehr oder weniger scharf von Prozesstheorien des Sozialen ab. Er positioniert sich explizit gegen Abbott (und andere klassische wie gegenwärtige Autoren wie etwa Henri Bergson und Hans Joas), obwohl er die soziale Welt – in scheinbarer Nähe zu Abbott – als »endless happening« von »events« versteht.171 Auf den ersten Blick scheint es also keine nennenswerte Differenz zu geben, ist doch auch – in den schon zitierten Worten Abbotts – »the world of the processual approach […] a world of events«.172 Allerdings versteht Abbott soziale Entitäten als Ereignisketten, die ein bestimmtes Muster haben (können) – und dieses Verlaufsmuster erscheint uns als Beobachterinnen des Sozialen dann »bloß« epistemisch als Entität. Schatzki aber begreift das »endless happening« menschlicher Koexistenz in der Praxis als primäre sozialtheoretische Substanz.

Im Unterschied zu Abbott versteht Schatzki Dinge nicht als Ereignisketten – es geht hier also nicht darum, beispielsweise Individuen, Gruppen von Individuen (wie die Arbeiterklasse) oder sonstige Entitäten als werdende und vielleicht prekäre Phänomene zu begreifen (mit dem weiter oben zitierten Bild: es geht nicht um Baumstämme in einem Fluss). Sondern die Ereignisse, um die es in der Praxisontologie geht, sind Aktivitäten. Aus Sicht der Praxisontologie besteht die (soziale) Realität aus Handlungen, genauer gesagt aus Sequenzen von Aktivitätsereignissen. Was zunächst existiert, sind nicht Dinge und deren Eigenschaften im historischen Fluss, sondern Aktivitäten, die sich als Ereignissequenzen vollziehen. Es geht also um beispielsweise das Fahrradfahren als Sequenz von Ereignissen und nicht um die Fahrradfahrerin oder das Fahrrad. Nicht Fahrradfahrerinnen und Fahrräder sind die Bausteine von Gesellschaft, sondern Fahrradfahrten.

Wir können an dieser Stelle auf eine genauere Erklärung dieses Ansatzes verzichten, weil es vielmehr darum geht, eine prozessuale Sozialtheorie zu skizzieren, die mit triftigen Argumenten mit Abbott konkurriert. Schatzkis Praxistheorie würde dem Paradigma der Veränderung zugestehen, dass die soziale Realität ein sich ereignendes Tun ist – und kein Arrangement von Individuen, Organisationen und Gesellschaften im Raum, die dann miteinander interagieren. Allerdings würde sie bezweifeln, dass Wandel der Normalzustand dieser sich ereignenden Koexistenz ist.173 Die Praxistheorie beginnt nämlich mit einer von der neovitalistischen und Abbott’schen Intuition nicht nur abweichenden, sondern sie sogar auf den Kopf stellenden Ausgangsbeobachtung. Ihrem Eindruck nach sieht man in der sozialen Realität ständig dieselben, vergleichbaren, allenfalls in Details abweichenden Aktivitätsvorgänge. In der Regel tun Menschen Dinge, die sie selbst oder andere in fast identischer Weise schon einmal getan haben; sie fahren beispielsweise jeden Tag Fahrrad, eine sich ereignende und insofern »prozessuale«, aber eben keinesfalls ständig »werdende« Sequenz. Fahrradfahren wäre sogar nicht mehr als Fahrradfahren erkenn-, durchführ- und vermittelbar, würde es seine Gestalt über bestimmte Parameter hinaus abwandeln. Mit Schatzki lässt sich die soziale Realität deswegen als Ereignissequenzen erfassen, die als Zitate oder Wiederholungen früherer Aktivitäten zu verstehen sind. Die Ereignissequenzen, aus denen unser Handeln besteht, sind für gewöhnlich Wiederholungen vorheriger Sequenzen. Das ist die Grundidee der Praxistheorie. Das Paradigma der Wiederholung denkt soziale Realität nämlich ebenfalls primär zeitlich, setzt den Prozesstheorien aber eine Theorie zyklischer Zeitlichkeit mit einem spezifischen Fokus auf Handeln resp. Aktivität entgegen.

Durch die Affirmation der Bedeutung von Wiederholung und Routine im sozialen Handeln ist die (besser noch einmal: diese Spielart der) Praxistheorie eher dem traditionellen Verständnis der Soziologie als einer handlungstheoretisch argumentierenden Ordnungswissenschaft zuzuordnen, von der sich das prozessuale Denken abheben will. Obwohl also die Praxistheorie Schatzki’scher Prägung das Diktum »Zeit zählt« unterschreibt, steht sie ontologisch nicht vor der Frage, die Abbott als Zentrum prozessualen Denkens beschreibt: »If change is the normal state of things, how does anything ever stay the same?«174 Aus praxistheoretischer Sicht ist eben nicht Veränderung der soziale Normalzustand, sondern die Repetition. Deswegen müsste man aus praxistheoretischer Sicht nicht von einer prozessualen Soziologie sprechen, sondern nach einer Soziologie sozialer Prozesse fahnden, um kurzfristige Veränderungen und systematischen Wandel zu erfassen. Prozesse müssten aus dem Blickwinkel dieser spezifischen Ontologie zirkulärer Zeitlichkeit wieder ganz traditionell von der Ordnung aus gedacht werden (also etwa selbst als Ordnungen oder als Brüche der Ordnung). Das heißt konkret, ungewöhnliche Ereignisse oder auch strukturelle, lang anhaltende und nachhaltige Veränderungen dürften in der Regel dadurch gekennzeichnet sein, dass Menschen vor allem das gleiche weiter machen wie bisher, also Dinge tun, die sie und andere schon einmal getan haben. Prozesse sind aus praxistheoretischer Perspektive vor allem durch Nichtprozessuales gekennzeichnet.

Das prozessuale Denken könnte einerseits davon gewinnen, sich mit der Validität der eigenen Intuition einer ständigen Veränderung kritischer auseinanderzusetzen, ganz im Sinne von Abbotts fraktaler Heuristik. Andererseits dürfte gerade das Paradigma der Wiederholung von einer intensiveren Lektüre Abbotts profitieren. Schließlich wird die Praxistheorie den wiederholt geäußerten Verdacht eines Stabilitäts-Bias ihrer Beobachtung – also einer Überzeichnung der Konstanz sozialen Geschehens im »endless happening« – bekanntlich nicht los.175 Mit seinem gleichzeitigen Blick auf das Werden als eigenständiges (und nicht vom Gewordenen her gedachtes) Phänomen und auf die Muster des Werdens, die Verkettungsmechanismen und Ordnungsprinzipien des Wandels, verwickelt Abbott das Paradigma der Veränderung und das Paradigma der Wiederholung in ein produktives Gespräch. Insbesondere sein Konzept der Ökologie als Arrangement fließender Zusammenhänge ganz unterschiedlicher Aktivitätsfelder schlägt Brücken zwischen Praxis- und Prozesssoziologie. Das prozessuale Denken könnte sich so als temporales Drittes zwischen den Theorien der Wiederholung und den Theorien des radikalen Werdens profilieren, denn: Zeit zählt.176

1Andrew Abbott, Prozessuales Denken. Reflexionen über Marx und Weber, Hamburg 2019, S. 56–57.

2Die Autoren und der Übersetzer verfolgen das Ziel gendergerechter Sprache, indem sie wahllos zwischen den grammatikalischen Geschlechtern wechseln.

3Da solche Definitionen von Gebilden in letzter Konsequenz Imaginationen von Gesellschaft erzeugen, in der sich dann eben Staaten (oder Staat und Zivilgesellschaft), Organisationen (oder Organisation und Individuum) und Klassen (oder Kapital und Arbeit) als gesonderte Elemente in einem Raum gegenüberstehen, sprechen manche von einem »Raumparadigma«, das in der Soziologie vorherrscht. Sie hat in der Tat zumindest eine Neigung zu »verräumlichtem« Denken, die Robert Seyfert treffend »methodologischen Extensivismus« nennt (Robert Seyfert, »Lebenssoziologie – eine intensive Wissenschaft«, in: Heike Delitz/Frithjof Nungesser/Robert Seyfert (Hg.), Soziologien des Lebens. Überschreitung – Differenzierung – Kritik, Bielefeld 2018, S. 373–407).

4Hans Joas, »Gefährliche Prozessbegriffe. Eine Warnung vor der Rede von Differenzierung, Rationalisierung und Modernisierung«, in: Karl Gabriel/Christel Gärtner/Detlef Pollack (Hg.), Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik. Zweite, um ein Register ergänzte Auflage, Berlin 2012, S. 603–622.

5Materiale Ergebnisse finden sich in lesenswerter Form in Sammelbänden wie Karl-Georg Faber/Christian Meier (Hg.), Historische Prozesse. Beiträge zur Historik, Bd. 2. München 1978; Hans-Peter Müller/Michael Schmid (Hg.), Sozialer Wandel. Modellbildung und theoretische Ansätze, Frankfurt am Main 1995; Rainer Schützeichel/Stefan Jordan (Hg.), Prozesse – Formen, Dynamiken, Erklärungen, Wiesbaden 2015.

6Niklas Luhmann, »Geschichte als Prozess und die Theorie sozio-kultureller Evolution«, in: Faber/Meier (Hg.), Historische Prozesse, S. 413–440, hier S. 421.

7Wir beschränken uns hier darauf, etwas ausführlicher auf den deutschsprachigen Diskurs einzugehen. Die Diagnose trifft aber auch auf einschlägige englischsprachige Werke zu, darunter Allan G. Johnson, The Blackwell Dictionary of Sociology, 2. Auflage, Malden 2000; Judith R. Blau (Hg.), The Blackwell Companion to Sociology, Malden 2004; Stella R. Quah/Armaud Sales (Hg.), The International Handbook of Sociology, London 2000.

8Sina Farzin/Stefan Jordan (Hg.), Lexikon Soziologie und Sozialtheorie. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2015.

9Siehe dazu die betreffenden Beiträge auf S. 41, S. 92 und S. 114. Zu anderen Grundbegriffen wie »Struktur«, »Macht« oder »Institution« gibt es dagegen sehr wohl allgemeine Einträge – zusätzlich zu Artikeln über Phänomene, die als Beispiele für Strukturen oder Institutionen gelten können.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Unsere Anmerkungen sind keine Kritik an Sina Farzin und Stefan Jordan, die das Lexikon herausgegeben haben – etwa derart, dass sie den soziologischen Diskurs nicht genau genug nach dem Prozessbegriff durchforstet hätten, sodass die Notwendigkeit eines entsprechenden Eintrags von ihnen nicht erkannt worden wäre. Vielmehr ist es ein Beleg für die These, wonach es schlicht keine ernst zu nehmende theoretische Tradition der genaueren Bestimmung dieses Grundbegriffs gibt.

10Karl-Heinz Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, 5. Auflage, Stuttgart 2007; Raymond Boudon/François Bourricaud, Soziologische Stichworte. Ein Handbuch, Opladen 1992; Heinz-Günter Vester, Kompendium der Soziologie I–III, Wiesbaden 2009–2010.

Das in dritter Auflage veröffentlichte und von Günter Endruweit herausgegebene Wörterbuch der Soziologie (Konstanz 2014) enthält immerhin einen Eintrag zu sozialen Prozessen, ebenso das 2011 erschienene, grundlegend überarbeitete und von Werner Fuchs-Heinritz u.a. herausgegebene und in fünfter Auflage erschienene Lexikon zur Soziologie. Beide Beispiele – Wörterbuch und Lexikon – verdeutlichen dabei auf je eigene Weise noch einmal die theoretische Unterbestimmtheit dieses vernachlässigten Grundbegriffs – unbeschadet der Tatsache, dass sie den Prozessbegriff durch einen eigenen Eintrag als eigenständiges Theoriesegment verstehen, das sich von Prozessdiagnosen unterscheidet.

Denn der Eintrag zu Prozess als sozialtheoretischem Grundbegriff im Wörterbuch (S. 372) ist zunächst deutlich kürzer als die Einträge zu einzelnen Prozessdiagnosen, etwa »Differenzierung« (S. 77–80), »Individualisierung« (S. 179–181) oder »Modernisierung« (S. 326–328), was wiederum darauf verweist, dass es viel mehr über Debatten zu Prozessbeispielen als zu Prozessualität selbst zu berichten gibt. Womöglich hat sich der Herausgeber und Verfasser des Eintrags auch deswegen dazu entschlossen, die Kategorie aufzulösen und als »Sammelbezeichnung für alle Gegenstände in der Soziologie, die Vorgänge zwischen Subjekten meinen«, zu bezeichnen (Günter Endruweit, »Prozesse, soziale«, in: ders./Gisela Trommsdorff/Nicole Burzan (Hg), Wörterbuch der Soziologie, 3. Auflage, Konstanz 2014, S. 372). Prozessualität geht in dieser Definition somit in allgemeiner Sozialität auf, was jedoch der ubiquitären Verwendung von individualisierenden oder typisierenden Prozessbegriffen in der Forschungspraxis widerspricht.

Eine zweite und wahrscheinlich den vielfältigen Verwendungen des Prozessbegriffs in der sozialwissenschaftlichen Forschung eher entsprechende Definition findet sich im Lexikon. Zwar wird der Prozessbegriff mit einem eigenen Eintrag gewürdigt, doch Prozessualität dann in verallgemeinerter Form als »Aufeinanderfolge verschiedener Zustände eines Objekts in der Zeit« definiert (»Prozess«, in: Werner Fuchs-Heinritz u.a. (Hg.), Lexikon zur Soziologie, 4. Auflage, Wiesbaden 2007, S. 518–519, hier S. 518). Bedenkt man aber, dass Zeit genau besehen selbst nicht anders verstanden werden kann denn als bemerkte Variation, dann fragt man sich, ob der Eintrag nicht besser »Zeit« hätte heißen müssen. Eine solche Definition von Prozess verabschiedet den Begriff und macht es unmöglich, ihn als eine grundlegende und gleichsam spezifizierende Kategorie wie »Struktur« oder »Institution« zu fassen. Denn wer Prozess schlicht als Unterschied zwischen zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Zuständen, d.h. als Veränderung definiert, identifiziert Prozess mit Zeitlichkeit – und löst den Begriff auf. Das Stichwort der »Prozesssoziologie« (ebd., S. 519) wird dementsprechend als Synonym für die Arbeiten von Norbert Elias, nicht aber für eine bestimmte soziologische Perspektive oder einen Problemkomplex verwendet.

In einigen Fällen finden sich allerdings Einträge zu »sozialem Wandel«, die zumindest einen Teilbereich der Beispiele abdecken sollen, die gemeinhin als Prozesse gefasst werden. Mit Wandel sind in der Regel lediglich großformatige gesellschaftliche Veränderungen aufgerufen, etwa im Lexikon Soziologie und Sozialtheorie von Farzin und Jordan sowie im Wörterbuch der Soziologie von Endruweit u.a. Der Begriff ist somit zu eng, um ersatzweise zu leisten, was dem Prozessbegriff in seiner vielfältigen Verwendung in Prozessdiagnosen zugemutet wird.

11Hans Joas/Wolfgang Knöbl, Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen, Frankfurt am Main 2004, S. 196, 201.

12Etwa Andrew Abbott, »Nach dem Chaos: Selbstähnlichkeiten in den Sozialwissenschaften«, in: Christian Dayé/Stephan Moebius (Hg.), Soziologiegeschichte. Wege und Ziele, Berlin 2015, S. 284–307; ders., Prozessuales Denken. Zur deutschen Rezeption siehe Frank Adloff/Sebastian M. Büttner, »Die Vielfalt soziologischen Erklärens und die (Un-)Vermeidbarkeit des Eklektizismus. Zu Andrew Abbotts Soziologie fraktaler Heuristiken«, in: Zeitschrift für theoretische Soziologie 2 (2013), 2, S. 253–267.

13Siehe etwa jüngst die äußerst kritische und unfaire Rezension seines Buches Processual Sociology (2016) durch Nico Wilterdink (»Driving in a dead-end street: critical remarks on Andrew Abbott’s Processual Sociology«, in: Theory and Society 47 (2018), 4, S. 539–557).

14Andrew Abbott, »Sequences of Social Events: Concepts and Methods for the Analysis of Order in Social Processes«, in: Historical Methods 16 (1983), 4, S. 129–147, und ders., »Event Sequence and Event Duration: Colligation and Measurement«, in: Historical Methods 17 (1984), 4, S. 192–204.

15Das ist etwa in Thomas Kuhns bekannter Theorie der wissenschaftlichen Revolutionen der Fall, in der einer ruhigen »Normalwissenschaft« ein revolutionärer wissenschaftlicher Umbruch gegenübergestellt wird; siehe Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt am Main 1967.

16Ausnahmen bestätigen freilich die Regel, wie etwa Howard S. Beckers Analyse des Erlernens des Genusses von Marihuana und sein hier entwickeltes Theorem der Karriere eindrücklich zeigen (Howard S. Becker, Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens, hrsg. von Michael Dellwing, unter Mitarbeit von Viola Abernet, 3. Auflage, Wiesbaden 2019 [2014], v. a. S. 41 ff.; siehe dazu auch Thomas Hoebel, »Verkettungen und Verstrickungen. Was wir von Howard S. Becker über die prinzipielle Prozesshaftigkeit des Sozialen lernen können«, in: Nicole Burzan (Hg.), Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018, Essen 2019, S. 1–8). Ebenso eine Ausnahme ist Diane Vaughan, Wenn Liebe keine Zukunft hat. Stationen und Strategien der Trennung, Reinbek bei Hamburg 1988.

17Abbott, »Sequences of Social Events«, S. 131 f.

18Ebd., S. 137.

19Der Aufsatz aus dem Jahr 1983 enthält bereits alle Grundzüge dieser Kritik. Sehr viel systematischer wird Abbott sie in seinem prominenten Aufsatz »Transcending General Linear Reality«, in: Sociological Theory 6 (1988), 2, S. 169–186, entwickeln, der in diesem Band übersetzt vorliegt.

20Andrew Abbott, »Prologue: An Autobiographical Introduction«, in: ders., Time Matters. On Theory and Method, Chicago/London 2001, S. 1–33, hier S. 11; Abbott, »Transcending General Linear Reality«; kommentierend vgl. auch Jean-Louis Fabiani, »Pour en finir avec la réalité unilinéare. Le parcours méthodologique de Andrew Abbott, in: Annales. Histoire Sciences Sociales 58 (2003), 3, S. 549–565, hier S. 556 ff.; Ivan Ermakoff, »La causalité linéare. Avatars et critique«, in: Didier Demazière/Morgan Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’heritage de l’école de Chicago, Paris 2016, S. 397–417, hier S. 399 ff.

21Didier Demazière/Morgan Jouvenet, »Introduction: Andrew Abbott et sa sociologie«, in: dies. (Hg.), Andrew Abbott et l’heritage de l’école de Chicago, Paris 2016, S. 13–31, hier S. 20 f.; zu den Ursprüngen des Ökologiekonzepts bei den Gründervätern des Amerikanischen Pragmatismus und der Chicago School of Sociology vgl. Daniel Cefaï, »Social Worlds: The Legacy of Mead’s Social Ecology in Chicago Sociology«, in: Hans Joas/Daniel R. Huebner (Hg.), The Timeliness of George Herbert Mead, Chicago/London 2016, S. 165–184.

22Andrew Abbott, The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labor, Chicago 1988.

23Lawrence Stone, »The Revival of Narrative: Reflections on a New Old History«, in: Past & Present 85 (1979), 85, S. 3–24.

24Siehe dazu etwa Marc Rölli (Hg.), Ereignis auf Französisch. Von Bergson bis Deleuze, München 2004; Hans-Dieter Gondek/László Tengelyi, Neue Phänomenologie in Frankreich, Berlin 2011.

25Abbott, »Event Sequence and Event Duration«, S. 193.

26Abbott, »Prologue: An Autobiographical Introduction«, S. 8; siehe dazu jüngst ganz ähnlich Tulia G. Falleti und James Mahoney (»The Comparative Sequential Method«, in: James Mahoney/Kathleen Thelen (Hg.), Advances in Comparative-Historical Analysis, Cambridge 2015, S. 211–239), die durchaus in großer Nähe zu Abbott davon sprechen, dass Events im Prinzip wiederholbar seien, Occurrences hingegen nur einmal auftreten (S. 213).

27Abbott, »Prologue: An Autobiographical Introduction«, S. 8.

28Insofern unterscheidet sich hier Abbotts Position von derjenigen des Historikers und Soziologen William Sewell, der ihm ansonsten durchaus theoretisch nahesteht. Sewell spricht im Hinblick auf die Events, die für Sozialwissenschaftler von Interesse sind, von »eventful events«, womit er solche Ereignisse meint, die soziale Strukturen grundlegend transformieren (William H. Sewell, »Historical Events as Transformations of Structures: Inventing Revolution at the Bastille«, in: Theory and Society 25 (1996), 6, S. 841–881; ders., »Three Temporalities: Toward an Eventful Sociology«, in: Terence McDonald (Hg.), The Historic Turn in the Human Sciences, Ann Arbor 1996, S. 245–280; siehe dazu auch Robin Stryker, »Beyond History versus Theory«, in: Sociological Methods & Research 24 (1996), 3, S. 304–352). Dieser Ansatz wirft freilich die kritischen Fragen auf, ab wann von einer zureichenden Strukturveränderung zu sprechen ist, wie die Strukturen überhaupt zu definieren sind etc. Abbott entzieht sich dieser schwierigen oder vielleicht sogar als unmöglich zu bezeichnenden Aufgabe, weil er eben »Ereignisse« nicht an irgendwelchen historischen oder sozialen Realitäten misst, sondern Ereignisse theoretisch über Erkenntnisinteressen definiert.

29Abbott, »Event Sequence and Event Duration«, S. 194; zur Debatte in der Historikerzunft siehe L. B. Cebik, »Colligation and the Writing of History«, in: The Monist 53 (1969), 1, S. 40–57.

30Siehe dazu die kurze Rezension von Pamela S. Tolbert, die klar die neuartigen Aspekte von Abbott erkennt (in: Administrative Science Quarterly 35 (1990), 2, S. 410–413); ebenso wie Étienne Ollion, »Andrew Abbott dans la sociologie étatsunienne«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Abbott et l’heritage de l’école de Chicago, S. 95–116, hier S. 100 ff.

31Talcott Parsons, »Die Motivierung des wirtschaftlichen Handelns«, in: ders., Beiträge zur soziologischen Theorie. Herausgegeben und eingeleitet von Dietrich Rüschemeyer. Darmstadt/Neuwied 1973, S. 136–159; ders., »Die akademischen Berufe und die Sozialstruktur (1939)«, in: ebd., S. 160–179; ders., »Some Theoretical Considerations Bearing on the Field of Medical Sociology«, in: ders., Social Structure and Personality, London 1970, S. 325–358; ders., »A Sociologist Looks at the Legal Profession (1952)«, in: ders., Essays in Sociological Theory, London 1954, S. 370–385.

32Magali Sarfati Larson, The Rise of Professionalism. A Sociological Analysis, Berkeley 1977.

33Zur höchst positiven Rezeption des Buches siehe etwa die Rezensionen von Paul DiMaggio (in: American Journal of Sociology 95 (1989), 2, S. 534–535) und Arthur L. Stinchcombe (»Restructuring the Sociology of the Professions«, in: Contemporary Sociology 19 (1990), 1, S. 48–50).

34In einem späteren Aufsatz wird Abbott explizit von »linked ecologies« sprechen, um kenntlich zu machen, dass es keinen Sinn macht, eine Ökologie für sich zu betrachten; Andrew Abbott, »Linked Ecologies: States and Universities as Environments for Professions«, in: Sociological Theory 23 (2005), 3, S. 245–274. Bereits in System of Professions argumentiert er, dass die konventionellen Ansätze der Professionsforschung für gewöhnlich einfach unterstellen, dass es reiche, sich der Entwicklung je individueller Professionen zu widmen, womit sie aber übersehen, dass es ganz entscheidend auf das arbeitsteilige Zusammenspiel und Gegeneinander von Berufen ankommt, eben auf das »system of professions«. Abbott nimmt also eine dezidiert relationale Perspektive ein und argumentiert, dass sich einerseits die Jurisdiktionskonflikte nur in der wechselseitigen Konkurrenz der Professionen verstehen (Abbott, The System of Professions, S. 19–20), andererseits sich die Professionen nicht über von vornherein definierbare Wissensbestände und konkrete Techniken oder spezifisches Know-how definieren lassen, sondern nur über die Abstraktion ihres Wissens, ihr Wissenssystem (ebd., S. 9, 102). Allerdings variiert eben der Grad der Abstraktion (ebd., S. 9, 30).

35Siehe dazu Morgan Jouvenet, »Contexts and Temporalities in Andrew Abbott’s Processual Sociology«, in: Annales. Histoire Sciences Sociales 71 (2016), 3, S. 361–392, hier S. 366.

36Abbott, The System of Professions, S. 2.

37Ebd.

38Ebd., S. 3.

39Ebd., S. 10.

40In der Disziplingeschichtsschreibung – aber dies soll hier nicht weiter von Belang sein – spricht man mittlerweile von den drei Wellen der Historischen Soziologie (siehe dazu Julia Adams/Elisabeth Clemens/Ann Shola Orloff, »Introduction: Social Theory, Modernity, and the Three Waves of Historical Sociology«, in: dies. (Hg.), Remaking Modernity. Politics, History, and Sociology, Durham/London 2005, S. 1–72), wobei die oben genannten Vertreterinnen der Historischen Soziologie einer ersten Welle zugerechnet werden, die ihre Argumente zum großen Teil auf sehr einfache Kausalitätsannahmen stützten, was sie auch dazu führte, einigermaßen umstandslos – angelehnt an John Stuart Mill und dessen Wissenschaftslogik – die Methode des Vergleichs zu propagieren. Typisch ist die Argumentation von Theda Skocpol, die in ihrer Analyse sozialer Revolutionen systematisch auf Mills Argumente zurückgreift (Theda Skocpol, States and Social Revolutions. A Comparative Analysis of France, Russia, and China, Cambridge 1979).

41Andrew Abbott, »History and Sociology: The Lost Synthesis«, in: Social Science History 15 (1991), 2, S. 201–238, hier S. 227. In diesem Text macht Abbott unmissverständlich klar, gegen welche Autorinnen innerhalb der Historischen Soziologie er sich mit seinen Argumenten richtet, selbstverständlich gegen Skocpol, ebenso gegen Charles Ragin und dessen Qualitative Comparative Analysis (QCA), siehe dazu Ragin, The Comparative Method: Moving Beyond Qualitative and Quantitative Strategies, Berkeley / Los Angeles 1989.

42Siehe etwa Elisabeth S. Clemens, »Toward a Historicized Sociology: Theorizing Events, Processes, and Emergence«, in: Annual Review of Sociology 33 (2007), S. 527–549.

43Craig Calhoun, »The Rise and Domestication of Historical Sociology«, in: Terence J. McDonald (Hg.), The Historic Turn in the Human Sciences: Essays on Transformations in the Disciplines, Ann Arbor 1996, S. 305–337; ders., »Explanation in Historical Sociology: Narrative, General Theory, and Historically Specific Theory«, in: American Journal of Sociology 104 (1998), 3, S. 846–871, hier S. 850.

44Ebenso ist es kein Wunder, dass Abbott in den 1980er und 1990er Jahren auch in der deutschsprachigen Forschung keine nennenswerte Rezeption erfährt – wo die Historische Soziologie nach 1945 ohnehin immer randständig geblieben ist und wo man aus der Soziologie heraus bis auf wenige Ausnahmen (in diesem Zusammenhang ist natürlich Rainer M. Lepsius zu nennen) auch den Anschluss an die Geschichtswissenschaft gar nicht erst suchte. Warum dies der Fall war, hatte viel mit einer bestimmten disziplinären Matrix in Deutschland zu tun, vor allem mit der Tatsache, dass spätestens seit den 1960er Jahren die Sozialgeschichte dominant zu werden begann (siehe dazu Thomas Welskopp, »Die Sozialgeschichte der Väter. Grenzen und Perspektiven der Historischen Sozialwissenschaft«, in: Geschichte und Gesellschaft 24 (1998), 2, S. 173–198; Bettina Hitzer/Thomas Welskopp (Hg.), Die Bielefelder Sozialgeschichte. Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen, Bielefeld 2010). Herausragende Figuren wie Hans-Ulrich Wehler oder Jürgen Kocka waren in der Lage, auf ambitionierte Weise allseits anerkannte und – wenn man so will – orthodoxe soziologische Theoreme in ihre Forschungen einzubauen und damit den Eindruck zu vermitteln, dass es die Geschichtswissenschaft und nicht die Soziologie sei, die am ehesten eine gelungene Synthese zwischen beiden Disziplinen herzustellen vermöge. Die von diesen deutschen Historikern gepflegte Rede von einer »historischen Sozialwissenschaft« machte immer klar, dass es bei diesem Unterfangen zuallererst um Geschichtswissenschaft gehe, nicht um eine historische Soziologie. Insofern kann es dann auch wenig verwundern, dass die Arbeiten von Abbott in der damaligen Zeit in Deutschland wenig zur Kenntnis genommen wurden, weder in der Geschichtswissenschaft noch in der Soziologie – sieht man vielleicht ab von den wenigen Soziologen, die sich wie etwa Rudolf Stichweh in Deutschland überhaupt mit Professionen beschäftigten.

45Andrew Abbott, »Losing Faith«, in: Alan Sica/Stephen Turner (Hg.), The Disobedient Generation: Social Theorists in the Sixties, Chicago/London 2005, S. 21–36.

46Ebd., S. 34.

47Andrew Abbott, Department & Discipline. Chicago Sociology at One Hundred, Chicago/London 1999.

48Siehe dazu etwa J. David Lewis/Richard L. Smith, American Sociology and Pragmatism. Mead, Chicago Sociology, and Symbolic Interaction, Chicago/London 1980; Martin Bulmer, The Chicago School of Sociology. Institutionalization, Diversity, and the Rise of Sociological Research, Chicago/London 1984; Rolf Lindner, Die Entdeckung der Stadtkultur aus der Erfahrung der Reportage, Frankfurt am Main 1990; Hans Joas, »Von der Philosophie des Pragmatismus zu einer soziologischen Forschungstradition«, in: ders., Pragmatismus und Gesellschaftstheorie, Frankfurt am Main 1992, S. 23–65; Sighart Neckel, »Zwischen Robert E. Park und Pierre Bourdieu: Eine dritte ›Chicago School‹? Soziologische Perspektiven einer amerikanischen Forschungstradition«, in: Soziale Welt 48 (1997), 1, S. 71–83; Christian Topalov, »Les usages stratégiques de l’histoire des disciplines. Le cas de l’école de Chicago en sociologie«, in: Johan Heilbron (Hg.), Pour une histoire des sciences sociales, Hommage à Pierre Bourdieu. Paris 2004, S. 127–157; Hans-Joachim Schubert, »The Chicago School of Sociology. Theorie, Empirie und Methode«, in: Carsten Klingemann (Hg.): Jahrbuch für Soziologiegeschichte 2007, Wiesbaden 2007, S. 119–166.

49Andrew Abbott, »Of Time and Space: The Contemporary Relevance of the Chicago School«, in: Social Forces 75 (1997), 4, S. 1149–1182, hier S. 1154.

50So fällt dann seine Kritik an Blumer manchmal außerordentlich scharf aus, wenn er ihm etwa vorwirft, ein völlig falsches Verständnis von Variablen gehabt und dementsprechend variablenbasierte Ansätze zwar zu Recht kritisiert zu haben, das aber auf eine völlig schiefe Weise. »Blumer also missed the point about context, thinking that the central problem with variable-based approaches was their failure to capture the subjective ambiguities of the situation, rather than their denial of contextual determination in causality in general, of which the subjectivity problem was merely a part.« (ebd., S. 1161; Hervorh. im Original); siehe dazu auch Daniel Cefaï, »Andrew Abbott, un certain héritage de Chicago«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’heritage de l’école de Chicago, S. 69–93, hier S. 79 f.

51Hans Joas, Die Kreativität des Handelns, Frankfurt am Main 1992; Anselm L. Strauss, Continual Permutations of Action, New York 1993.

52Pierre François, »L’action chez Andrew Abbott. Pierre de touche ou chaînon manquant?«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’heritage de l’école de Chicago, S. 171–190, hier S. 172 f.

53Abbott, Department & Discipline, S. 225.

54Andrew Abbott, »From Causes to Events. Notes on Narrative Positivism«, in: Sociological Methods and Research 20 (1992), 4, S. 428–455.

55Il s’agit de réhabiliter la description, contre le raisonnement par variables et la ›grande théorie‹, mais en conservant l’ambition de formalizer des structures et des processus autorisant, par comparaison, la production d’explications générales. Ce type d’hybridation conceptuelle est pour lui le but explicite d’une stratégie d’innovation payante car obligeant à sortir des sentiers battus […].« (Demazière/Jouvenet, »Introduction: Andrew Abbott et sa sociologie«, S. 21).

56Andrew Abbott, Chaos of Disciplines, Chicago/London 2001.

57Jouvenet, »Contexts and Temporalities«, S. 374.

58Jürgen Habermas, »Ein Literaturbericht (1967): Zur Logik der Sozialwissenschaften«, in: ders., Zur Logik der Sozialwissenschaften, Frankfurt am Main 1982, S. 87–366.

59Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.), Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit 1 + 2, Bielefeld 1981.

60Vgl. François Dosse, Geschichte des Strukturalismus. 2 Bände, Frankfurt am Main 1999; Klaus Birnstiel, Wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand. Eine kurze Geschichte des Poststrukturalismus, Paderborn 2016.

61Vgl. Yannick Barthe u.a., »Sociologie pragmatique: mode d’emploi«, in: Politix (2013), 103, S. 175–204; Marc Berviglieri/Joan Stavo-Debauge, »Le Geste pragmatique de la sociologie française. Autour des travaux de Luc Boltanski et Laurent Thevenot«, in: Antropolitica (1999), 7, S. 7–22; Jean-Louis Genard/Fabrizio Cantelli, »Êtres capables et compétents: lecture anthropologique et pistes pragmatiques«, Manuskript, 2018. https://www.researchgate.net/publication/30454069_Etres_capables_et_competents_lecture_anthropologique_et_pistes_pragmatiques, [18. 10. 2019]; Nicolas Dodier, »L’Espace et le mouvement du sens critique«, in: Annales. Histoire, Sciences Sociales 60 (2005), 1, S. 7–31.

62Claire Lemercier, »Andrew Abbott et la micro-histoire«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’héritage de l’école de Chicago. Second Volume, Paris 2016, S. 105–125.

63Vgl. etwa Jacques Revel (Hg.), Jeux d’échelles. La micro-analyse à l’experience, Paris 1996.

64Michel Dobry, Sociologie des crises politiques. 3e édition revue et augmentée d’une préface inédite, Paris 2009. Dobrys Buch erschien erstmals 1986, wurde nicht nur 2009 neu aufgelegt, sondern hat mittlerweile solche Prominenz erlangt, dass ihm jüngst ein Sammelband gewidmet wurde (Myriam Aït-Aoudia/Antoine Roger (Hg.), La logique du désordre. Relire la sociologie de Michel Dobry, Paris 2015). Siehe dazu auch Wolfgang Knöbl, Politische Krisen und Prozessualität: Das Werk Michel Dobrys in der aktuellen theoretischen Debatte, unveröffentlichtes Manuskript, Hamburg 2017. Zu den Berührungspunkten zwischen Abbott und Dobry siehe Quentin Deluermoz, »Andrew Abbott et la question du temps. Configurations, temporalités, historicités«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’héritage de l’école de Chicago. Second Volume, S. 127–148, hier S. 137.

65Abbott, »Prologue: An Autobiographical Introduction«, S. 23 ff. Dass Abbott insbesondere Whitehead rezipiert, liegt auch deshalb nahe, weil Whitehead nicht nur immer wieder die Kreativität von Einzelwesen und damit auch die Offenheit der Geschichte betont, sondern in seiner Kritik an einer Substanzontologie insbesondere den Punkt stark macht, dass Einzelwesen immer als unvollständig und dann auch nicht anders als im Prozess beschrieben werden können (siehe dazu Alfred N. Whitehead, Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt am Main 1987, S. 397).

66Abbott sucht hier also – aus einer soziologischen Perspektive denkend – Anschluss an Debatten in der sogenannten Prozessphilosophie, was insofern nicht verwunderlich ist, als jene Philosophie historisch eng verknüpft ist mit Autoren, die wie William James, John Dewey oder George Herbert Mead mit dem US-amerikanischen Pragmatismus und dann auch der Chicago School of Sociology verbunden waren (siehe dazu Nicholas Rescher, Process Metaphysics. An Introduction to Process Philosophy, Albany 1996, S. 25).

67Abbott, »La conception de l’ordre dans la sociologie processuelle«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’héritage de l’école de Chicago. Second Volume, S. 31–59 (der Aufsatz ist in englischer Sprache bereits 2006 in den Cahiers Parisiens erschienen).

68Ebd., S. 33 f.

69Ebd., S. 35.

70Ebd., S. 35 ff.

71Andrew Abbott, »Things of Boundaries«, in: Social Research 62 (1995), 4, S. 857–882. Siehe dazu weiterführend auch Athanasios Karafillidis, Soziale Ontogenetik. Andrew Abbotts »Things of Boundaries« (1995), unveröffentlichtes Manuskript, Hamburg 2017.

72Ebd., S. 859.

73Ebd., S. 860; vgl. auch Bianca Prietl/Armin Ziegler, »Machtvolle Grenzen als konstitutive Momente des Sozialen. Grenzziehungen als Analysekonzept für eine Soziologiegeschichte«, in: Stephan Moebius/Andrea Ploder (Hg.), Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie. Band 2: Forschungsdesigns, Theorien und Methoden, Wiesbaden 2017, S. 99–114.

74Siehe dazu auch die instruktive Fallstudie zur ersten vegetarischen Vereinigung im viktorianischen England Hsin-Yi Yeh, »Boundaries, Entities, and Modern Vegetarianism Examining the Emergence of the First Vegetarian Organization«, in: Qualitative Inquiry 19 (2013), 4, S. 298–309.

75Abbott, Prozessuales Denken, S. 60.

76Vgl. auch Daniel Hirschman/Isaac Ariail Reed, »Formation Stories and Causality in Sociology«, in: Sociological Theory 32 (2014), 4, S. 259–282.

77Rescher, Process Metaphysics, S. 28; Whitehead hatte dies dann so ausgedrückt, dass Existenz (in jeglicher Form) ohne Prozess nicht zu denken ist (Alfred N. Whitehead, Denkweisen. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Stascha Rohmer, Frankfurt am Main 2001, S. 133).

78Jouvenet, »Contexts and Temporalities«, S. 377.

79Abbott, »Things of Boundaries«, S. 864; Mead hat bekanntlich in seiner posthum erschienenen Arbeit The Philosophy of the Present, die durch eine Beschäftigung mit Whitehead geprägt ist, versucht, die Gegenwart zu theoretisieren: »For that which marks a present is its becoming and its disappearing. While the flash of the meteor is passing in our own specious presents it is all there if only for a fraction of a minute. To extend this fraction of a minute into the whole process of which it is a fragment, giving to it the same solidarity of existence which the flash possesses in experience, would be to wipe out its nature as an event. Such a conspectus of existence would not be an eternal present, for it would not be a present at all. Nor would it be an existence. For a Parmenidean reality does not exist. Existence involves non-existence; it does take place. The world is a world of events.« (George Herbert Mead, The Philosophy of the Present. Edited by Arthur E. Murphy, Chicago/London 1980, S. 1; Hervorh. durch den Autor; siehe auch ders., »Das Wesen der Vergangenheit«, in: ders., Gesammelte Aufsätze. Band 2. Herausgegeben von Hans Joas, Frankfurt am Main 1987, S. 337–346; David L. Miller, George Herbert Mead. Self, Language and the World, Chicago/London 1973, S. 172 ff.)

80Abbott, Prozessuales Denken, S. 20.

81Ebd. Im Übrigen gilt dann selbstverständlich auch, dass (soziologisch adäquate) Beschreibungen eines Zustandes ohne Rückgriff auf Prozessanalysen schlicht nicht auskommen (vgl. Andrew Abbott, »La description face à la temporalité«, in: Giorgio Blundo/Jean-Pierre Olivier de Sardan (Hg.), Pratiques de la description, Paris 2003, S. 41–53.

82Abbott, Prozessuales Denken, S. 25 (Hervorh. durch uns).

83Ebd., S. 53.

84Entsprechend vorsichtig definiert Abbott dann auch soziale Prozesse, die er als Entwicklungslogiken von Ereignissen begreift: »Der soziale Prozess aber, wie wir ihn leben, ist keine Ansammlung sich langfristig herausarbeitender Kräfte. Er ist eine Abfolge von lose miteinander verbundenen Gegenwarten, in denen sich Menschen in problematischen Situationen wiederfinden, die von der unmittelbaren Vergangenheit geschaffen wurden und in denen sie permanent Entscheidungen in wechselnden Zeithorizonten fällen müssen.« (ebd., S. 80.)

85Ebd.

86Ebd. (Hervorh. im Original).

87Man denke nur an seine professionssoziologische These, dass berufliche Arbeitsteilung keine Konsequenz gesellschaftlicher Differenzierung, sondern von Jurisdiktionskonflikten ist. Wenn man so will, ließe sich – in der Diktion von Hans Joas – der radikale Prozessdenker Abbott auch als ein Konstitutionstheoretiker begreifen, die alle eine radikale Kritik an funktionalistischen Annahmen teilen (Joas, Die Kreativität des Handelns, S. 336 ff.).

88Vgl. Mead, »Das Wesen der Vergangenheit«: »Der wirkliche Übergang der Realität liegt in dem Übergang von einer Gegenwart in eine andere, und dort allein findet sich die Realität.« (S. 337.)

89Abbott, Prozessuales Denken, S. 25 f.

90Ebd., S. 78 f., 94.

91Ebd., S. 61.

92Ebd., S. 95.

93Ebd., S. 61–62.

94Abbott, »Prologue. An Autobiographical Introduction«, S. 20–21. Siehe zum Konzept des Encoding auch den Aufsatz »Die Historizität von Individuen« in diesem Band.

95Ebd.

96Ebd., S. 63.

97Ebd.

98Einer solchen Kritik an Ebenenontologien würden sich beispielsweise – wenn auch auf je ganz unterschiedliche Weise – Autoren wie Bruno Latour ( Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft: Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2007) oder Theodore Schatzki (»Praxistheorie als flache Ontologie«, in: Hilmar Schäfer (Hg.), Praxistheorie, ein soziologisches Forschungsprogramm, Bielefeld 2016, S. 29–43) anschließen. Die an dieser Stelle angeführten Zitate weisen Abbott ebenfalls als Vertreter einer solchen flachen Ontologie aus; ob diese tentative Einordnung letztendlich trägt, können wir hier freilich nicht diskutieren. Einschlägig zum Konzept flacher Ontologien: Manuel DeLanda, A New Philosophy of Society: Assemblage Theory and Social Complexity, London 2006.

99Abbott, »Things of Boundaries«; vgl. auch Arnaud Saint-Martin, »L’ontologie sociale d’Andrew Abbott«, in: Demazière/Jouvenet (Hg.), Andrew Abbott et l’heritage de l’école de Chicago. Second Volume, S. 85–104, hier S. 100.

100»Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es keine Ebenen im sozialen Prozess gibt, sondern nur Ordnungen. Hierarchie zwischen Ebenen ist eine Illusion […]. Diese Konzeption von Ordnungen begräbt somit das Mikro-Makro-Problem. Es handelt sich tatsächlich nicht um ein Problem, sondern um eine relative Hierarchie in jeder konkreten Untersuchung. In einer Studie zur Demografie eines gegebenen Berufs ist der Beruf makro, und seine Vertreter sind mikro. In einer Studie zur Berufserfahrung einer bestimmten Generation verhält es sich genau umgekehrt.« (Abbott, Prozessuales Denken, S. 65.)

101Randall Collins, »Micro-Translation as a Theory-Building Strategy«, in: Karin Knorr-Cetina/Aaron V. Cicourel (Hg.), Advances in Social Theory and Methodology. Toward an Integration of Micro- and Macro-Sociologies, Boston 1981, S. 81–108; ders., »On the Microfoundations of Macrosociology«, in: The American Journal of Sociology 86 (1981), 5, S. 984–1014.

102Andrew Abbott, »L’Avenir des sciences sociales: Entre l’empirique et le normatif«, in: Annales. Histoire Sciences Sociales 71 (2016), 3, S. 577–596, hier S. 578.

103Abbott, »L’Avenir des sciences sociales«, S. 594.

104Barbara Celarent, Varieties of Social Imagination. Edited and with a Preface by Andrew Abbott, Chicago/London 2017.

105Andrew Abbott, »The Traditional Future: A Computational Theory of Library Research«, in: College & Research Libraries 69 (2008), 6, S. 524–545; ders., »L’Avenir des sciences sociales«.

106Andrew Abbott, Welcome to the University of Chicago. The Aims of Education Address (for the class of 2006). The University of Chicago, 26. 09. 2002.

107Andrew Abbott, Comments on Pierre-Michel Menger. Innovations Conference, Northwestern University, 08. 04. 2016.

108Abbott, Chaos of Disciplines.

109Abbott, »Nach dem Chaos«, S. 285, Fn2.

110»The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«, Soziopolis. Gesellschaft beobachten, 20. 04. 2017, https://soziopolis.de/beobachten/wissenschaft/artikel/the-shining-not-the-moon/, [18. 10. 2019].

111Abbott, »Prologue. An Autobiographical Introduction«, S. 14.

112Siehe dazu den Beitrag »Zum Begriff des Wendepunkts« in diesem Band.

113»The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«.

114Andrew Abbott, Methods of Discovery. Heuristics for the Social Sciences, New York 2004.

115Abbott, Chaos of Disciplines, S. 17.

116Il-Tschung Lim, »Filmsoziologie als Lyrische Soziologie«, in: Alexander Geimer/Carsten Heinze/Rainer Winter (Hg.), Die Herausforderungen des Films: Soziologische Antworten, Wiesbaden 2018, S. 89–105, hier S. 92.

117Abbott, »Nach dem Chaos«, S. 286.

118Abbott, Methods of Discovery, S. 162–163; siehe dazu grundlegender auch Abbott, Chaos of Disciplines.

119Daneben erörtert Abbott die fraktalen Unterscheidungen (1) Analyse und Narration, (2) Behaviorismus und Kulturalismus, (3) Individualismus und Emergentismus, (4) Kontextualismus und Nonkontextualismus, (5) Wahl und Einschränkung, (6) Konflikt und Konsens sowie (7) transzendentes und situiertes Wissen.

120Im Grunde handelt es sich hierbei um den Normalmodus der Sozialwissenschaften, wie Tim Howard zu bedenken gibt; Tim Newton, »›New‹ Social Theory? Abbott and Social Studies of Finance«, in: Sociology 28. 1. 2019, https://doi.org/10.1177/0038038518821295 [29. 06. 2020].

121Dazu zählen u.a. Suchheuristiken wie jene, in Analogien zu denken; Abbott, Methods of Discovery, S. 114. Siehe zu diesem »analogical reasoning« auch Howard S. Becker, »Reasoning from Analogy«, in: ders, What about Mozart? What about Murder? Reasoning from Cases, Chicago 2014, S. 40–60; Diane Vaughan, »Analogy, Cases, and Comparative Social Organization«, in: Richard Swedberg (Hg.), Theorizing in Social Science: The Context of Discovery, Stanford 2014, S. 61–84.

122Abbott, Methods of Discovery, S. 88–92.

123Siehe dazu den Beitrag »Lyrische Soziologie« in diesem Band.

124Abbott, Methods of Discovery, S. 168–171.

125Abbott, »From Causes to Events«.

126Athanasios Karafillidis, »Erklärungen in rekursiven Verhältnissen«, in: Zeitschrift für Theoretische Soziologie 2 (2013), 2, S. 218–238, hier S. 233.

127Siehe dazu den Beitrag »Lyrische Soziologie« in diesem Band.

128Erving Goffman, Interaktionsrituale: Über Verhalten in direkter Kommunikation, Frankfurt am Main 1986, S. 9.

129Siehe dazu den Beitrag »Lyrische Soziologie« in diesem Band.

130Siehe dazu auch Adloff/Büttner, »Die Vielfalt soziologischen Erklärens«, S. 265.

131Andrew Abbott, »Preface«, in: ders., Processual Sociology, S. IX–XVI, hier S. IX.

132Siehe dazu den »Epilog« in diesem Band.

133Abbott, »Prologue. An Autobiographical Introduction«, S. 32.

134John Dewey, Logik. Die Theorie der Forschung, Frankfurt am Main 2008, S. 127 ff.

135»The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«.

136Abbott, »Prologue. An Autobiographical Introduction«, S. 1.

137Siehe dazu auch Fabiani, »Pour en finir avec la réalité unilinéaire«, S. 553.

138Abbott, »Epilog«, in diesem Band, hier: S. 312.

139Siehe dazu weiterführend Rainer Schützeichel, »Small Variations, Huge Differences. Über zwei Chicagoer Schulen«, in: Soziologische Revue 40 (2017), 4, S. 563–576, hier S. 571–572.

140»The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«.

141Andrew Abbott, »Varianten der Unwissenheit«, in: David Gugerli u.a. (Hg.), Nach Feierabend: Universität, Zürich 2010, S. 15–33, hier S. 32.

142Siehe dazu den Beitrag »Epilog« in diesem Band, S. 294–314.

143Fabiani, »Pour en finir avec la réalité unilinéaire«, S. 555.

144Andrew Abbott, On Writing the Social Process. Vortrag an der Universität Bielefeld, 16. 06. 2010. Siehe dazu auch »The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«.

145»The Shining, not the Moon. Andrew Abbott in conversation with Athanasios Karafillidis«.

146Richard Swedberg, »A Brilliant Work in General Theory. Review: Andrew Abbott, Processual Sociology«, in: Contemporary Sociology: A Journal of Reviews 46 (2017), 6, S. 640–644, hier S. 640–641. Swedberg plädiert somit – kaum verwunderlich – dafür, mehr Abstand zwischen Theorie und Methode zu bringen, als es bei den Pragmatisten, in dessen Tradition Abbott steht, für gewöhnlich üblich ist (S. 644).

147Abbott, »Preface«, S. XI.

148Ebd.

149So auch Schützeichel, »Small Variations, Huge Differences«, S. 574.

150Karafillidis, Soziale Ontogenetik, S. 8.

151Wir kommen darauf noch einmal grundlegend im Abschnitt »Zeit zählt: Abbott in der Soziologie« zurück.

152Abbott, »Nach dem Chaos«, S. 306.

153Demazière/Jouvenet, »Introduction. Andrew Abbott et sa sociologie«, S. 14, 16.

154Alan Sica, »Review: Processual Sociology by Andrew Abbott«, in: American Journal of Sociology 123 (2017), 1, S. 294–296.

155Andere Varianten des »time matters«-Arguments kamen zuvor etwa prominent von Helga Nowotny (z.B. in Time: The Modern and Postmodern Experience, Cambridge 1994), Barbara Adam (z.B. in Time, Cambridge 2004), Hartmut Rosa (z.B. in Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt am Main 2005) oder in der kommunikationstheoretischen Tradition besonders von Armin Nassehi (z.B. in Die Zeit der Gesellschaft. Auf dem Weg zu einer soziologischen Theorie der Zeit, Wiesbaden 2008).

156Abbott, »Preface«, S. IX.

157Scott Lash, »Lebenssoziologie: Georg Simmel in the Information Age«, in: Theory, Culture & Society 22 (2005), 3, S. 1–23.

158Es gibt Klassenlagen, es gibt Zivilgesellschaft und Staat, es gibt Öffentlichkeit und Privates oder natürlich Individuum und Gesellschaft usw.

159Heike Delitz, »Das soziale Werden und die Fabulationen der Gesellschaft. Umrisse einer bergsonianischen Soziologie«, in: dies./Frithjof Nungesser/Robert Seyfert (Hg.): Soziologien des Lebens. Überschreitung – Differenzierung – Kritik, Bielefeld 2018, S. 341–372, hier S. 341–342.

160Ebd.

161Ebd., S. 344.

162Ebd., S. 342.

163Robert Seyfert, »Lebenssoziologie – eine intensive Wissenschaft«, in: Delitz/Nungesser/Seyfert (Hg.): Soziologien des Lebens, S. 373–407, hier S. 376.

164Siehe dazu kritisch Wolfgang Knöbl, »Neues Altes aus Frankreich«, in: Soziopolis, 12. 01. 2016. https://www.soziopolis.de/beobachten/wissenschaft/artikel/neuesaltes-aus-frankreich/ [18. 10. 2019], sowie die betreffenden Passagen (S. 10–11) in: Martin Bauer/Wolfgang Knöbl/Aaron Sahr, Arbeiten mit Sozialen Prozessen, unveröffentlichtes Manuskript, Hamburg 2016.

165Dies auch deshalb, weil Abbott seine Argumentation – im Unterschied zur Lebenssoziologie – im Anschluss an allgemeine prozessphilosophische Analysen vorangetrieben hat, die zwar biologisch orientiert sein können, aber eben nicht müssen, die ebenso phänomenologisch inspiriert sein können wie physikalistisch (vgl. Rescher, Process Metaphysics, S. 22 ff.).

166Abbott, »Sequences of Social Events«, S. 132.

167Ebd., S. 134.

168Siehe dazu auch Enno Aljets/Thomas Hoebel, »Prozessuales Erklären. Grundzüge einer primär temporalen Methodologie empirischer Sozialforschung«, in: Zeitschrift für Soziologie 46 (2017), 1, S. 4–21.

169Zum Paradigma der Wiederholung in der Praxistheorie allgemein siehe Hilmar Schäfer, Die Instabilität der Praxis: Reproduktion und Transformation des Sozialen in der Praxistheorie. Weilerswist 2013; ders., »Praxis als Wiederholung«, in: ders. (Hg.), Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, Bielefeld 2016, S. 137–160.

170Für unsere Auseinandersetzung orientieren wir uns maßgeblich an: Theodore Schatzki, The Timespace of Human Activity. On Performance, Society, and History as Indeterminate Teleological Events, Lanham u.a. 2010; siehe außerdem ders., Social Change in a Material World, New York 2019.

171Schatzki, The Timespace of Human Activity.

172Abbott, »Preface«, S. IX.

173Ebd.

174Ebd.

175Weiterentwicklungen von Schatzkis Ansatz in Richtung einer Theoretisierung von Veränderung finden sich etwa bei Elizabeth Shove/Mika Pantzar/Matt Watson, The Dynamics of Social Practices. Everyday Life and How it Changes. Los Angeles u.a. 2012, oder Schatzki, Social Change in a Material World.

176Ein besonderes Verhältnis zur Zeitlichkeit hatte freilich von Anfang an der kommunikationstheoretische Ansatz Niklas Luhmanns, insbesondere in seiner Zuspitzung durch Armin Nassehi. Dessen Blick auf Gesellschaft geht allerdings noch einmal auf eine andere Weise vom Diktum »Zeit zählt« aus, indem er den operativen Vollzug der Gegenwart als Bezugspunkt wählt. Auch damit ist eine Sozialtheorie aufgerufen, die von einem Ereignisbegriff als ontologischer und epistemologischer Grundlage soziologischer Forschung ausgeht: »es lässt sich kein ontologisches Substrat ausmachen jenseits des ›Es geschieht‹« (Armin Nassehi, Die Gesellschaft der Gegenwarten, Berlin 2011, S. 16). Siehe dazu auch ders., Die Zeit der Gesellschaft. Da es Nassehi noch nicht gelungen ist, einen vergleichbaren turn der Sozialtheorie einzuleiten, blenden wir ihn an dieser Stelle aus Platzgründen aus. Eine umfangreichere Verortung Abbotts in den Varianten von »Time Matters« dürfte freilich auf Nassehi nicht verzichten.

Zeit zählt

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