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10 – Leichenschauhaus via Jahrmarkt

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Auf Stille, maximal durch das Kreischen einer Knochensäge unterbrochen, gefasst, betraten die Drei das Leichenschauhaus.

Gemurmelte Wortfetzen streiften ihre Ohren, während Menschen wie aufgescheuchte Hummeln, hin und her huschten.

Verwundert drehte Adda den Kopf in Richtung des Majors. Fragend war ihr Blick, und skeptisch obendrein. »Bist du sicher, Herr Major, dass wir hier richtig sind? Mich erinnert das eher an einen Jahrmarkt, als an eine Leichenhalle.«

Doch Kolasa ging es nicht anders, als den anderen beiden Kommissaren. Auch er blieb verwundert stehen. Suchend schickte er seinen Blick über die Köpfe der Menschen hinweg, die aufgeregt durch die Halle eilten. Als er ihn endlich unter all den Menschen ausmachte, hob er die Hand und schrie aus vollen Lungen: »Karel, hier bin ich. Ich, Kolasa!«

Der Mann jedoch bemerkte den Major nicht, noch, dass er ihn hörte.

Kolasa machte den beiden Kommissaren Zeichen, und sie folgten ihm, hin zu dem Pathologen, den Kolasa, nachdem er ihn in der Menschenmenge erspäht hatte, auch nicht mehr aus den Augen ließ.

Hinter einem hageren Mann, Ende vierzig, mit schütterem Haar, schulterlang und strohblond, blieben sie stehen.

Adda schickte ihren Blick auf das Haar des Mannes. Ausgedünnt wirkte es. Auch entging ihr nicht der Anflug einer lichten Stelle, die sich kreisförmig auf dessen Hinterkopf ausbreitete.

Kolasa schlug dem Mann leicht auf die Schulter.

Erschrocken drehte er sich um. Als er in das Gesicht des Majors blickte, nahm seine Miene einen beinahe verzweifelten Ausdruck an. Er wusste, für Kolasa brauchte er Zeit. Punkt genau wollte der immer alles wissen. Und Zeit zum Reden, schien er überdies noch im Überfluss zu haben. Nicht aber der Gerichtsmediziner. Und heute schon gar nicht, bei all der Arbeit, die, sogar bis auf den Boden hin ausgebreitet, noch vor ihm lag.

»Karel, was ist denn hier los?«, wollte Kolasa von Karel Bobrowski wissen. Den Gerichtsmediziner kannte er noch von der Schulbank her.

Der ältere Mann winkte ab. »Hör‘ mir bloß auf, Kolasa. Du hast dir heute den ungeschicktesten Zeitpunkt überhaupt, ausgesucht.«

»Womit du mir immer noch nicht gesagt hast, was heute hier los ist. Dermaßen voll war es bei dir doch noch nie. Zumindest nicht bisher.«

»Nerv‘ mich nicht, Major. Ich hab echt keine Zeit für dich und deine Plaudereien.« Bobrowski wollte sich abwenden, doch der Major hielt ihn an der Schulter fest. »Ich bin auch nicht gekommen, um mit dir Smalltalk zu halten, sondern um den beiden«, er deutete auf Adda und Braun, »das deutsche Mordopfer zu zeigen.«

Erst in diesem Augenblick fiel dem Gerichtsmediziner auf, dass der Major nicht alleine gekommen war. »Bist dienstlich hier, heute.« Ein trauriges Grinsen umflog seine Mundwinkel. »Das ist etwas anderes. Da muss ich mir ja wohl Zeit für euch nehmen, auch wenn ich eigentlich gar keine hab‘.« Der Mann hielt zuerst der Frau, anschließend dem Mann die Hand zum Gruß hin.

Nach kurzem Vorstellen bat er sie, ihm zu folgen.

Adda und Braun mussten auf dem Weg dorthin, über schwarze Leichensäcke steigen, mit denen der Boden der Leichenhalle übersät war.

»Eine Massenkarambolage auf der Autobahn«, erklärte Karel ihnen, auf ihre fragenden Blicke hin. »Und jeden Augenblick kommen neue Opfer hinzu.« Er strich sich mit fahrigen Fingern über die Stirn. »Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll. Jeden von ihnen muss ich mir ansehen. Nur wann, frage ich dich, Kolasa, wann?«

»Wie ich dich kenne, Karel, machst du das schon. Wenn es sein muss, bleibst du heute Nacht hier und schläfst auf einer der Bahren«, versuchte er, dem alten Schulkollegen, Mut zuzusprechen.

»Du hast gut reden. Siehst du auf diesem Rummelpatz irgendwo eine freie Bahre?« Er schaute sich um, dabei wusste er, dass die Leichenhalle im wahrsten Sinne des Wortes, überbelegt war. »Ich nicht.«

Kolasa schenkte Karel ein kameradschaftliches Lächeln. »Hör‘ auf zu jammern. Du schaffst das schon. Bisher hast du immer alles gepackt.«

»Mag sein, aber bisher waren wir auch nicht dermaßen überfüllt, wie das heute der Fall ist.«

Vor einer der Kältekammertüren blieb er stehen. »Dahinter, liegt sie. Könnt sie euch selbst rausschieben, ich muss wieder an meine Arbeit zurück. Wenn ihr noch Fragen habt, irgendwo in diesem Gewühl werdet ihr mich schon finden«, sagte er, und hetzte auch bereits schon wieder von ihnen fort, zurück zu der Leiche, über die er gebeugt gewesen war, als Kolasa ihn bei seiner Arbeit unterbrochen hatte.

Adda drängte sich zwischen Braun und den Major. »Einer von euch beiden muss die Tote aus der Kammer ziehen«, sagte sie laut, und ihr Befehlston, der mit ihren Worten mitschwang, entging keinem der beiden Männer.

Adda Fried

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