Читать книгу Namenlos oder Kreuz As... und die Morde enden nie - Angelika Nickel - Страница 10
8. Die Phantomzeichnung
ОглавлениеOdin stand schwanzwedelnd hinter der Tür. Als Lotte nicht schnell genug öffnete, sprang er bellend an der Eingangstür hoch.
»Gut, Odin, bin ja gleich bei dir.«
Einen Augenblick später begrüßte sie der Schäferhund freudig.
Lotte legte ihre Tasche auf den kleinen Tisch im Flur, wandte sich Odin zu und begrüßte ihn, indem sie sich über ihn beugte und ihm beidseitig den Bauch klopfte. »Du bist ein ganz Braver, Odin.« Sie langte nach ihrem Schlüssel und ging mit ihm nach draußen.
In der Nähe war ein kleiner Wald; dorthin ging sie mit Odin, der freudig vor- und zurückrannte, immer laut bellend. Auf Lottes Zeichen hin, schwieg er auf der Stelle, blieb mit gespitzten Ohren vor ihr stehen und wartete den nächsten Befehl ab.
Sie sah sich nach einem Stock um, bückte sich danach und warf ihn für Odin weit weg. Leise fiepend stand er vor ihr, wartete auf die Aufforderung, nach dem Stock zu rennen.
»Hol ihn!«
Sofort hechelte der Hund los. Nicht lange und er war mit dem Stock zurück und ließ ihn vor ihren Füßen ab. Dieses Zeremonial wiederholten die beiden noch einige Male, bis Odin außer Puste war. Danach lief Lotte mit dem Hund weiter, hin zu einem Bach, aus welchem sie Odin Wasser schlappern ließ.
»Hätte das nicht Zeit bis morgen gehabt?« Bill Bäcker, der Zeichner, öffnete übelgelaunt die Tür zu seinem Büro.
»Sorry, Bill, aber Lotte mein, dass es wichtig...«
»Jesse, bei der Lombard ist immer alles wichtig. Wenn´s nach der ginge, dann müssten wir hier nicht nur Phantombilder zeichnen, nein, der wär´s am liebesten, wenn wir ihr die Täter gleich auf dem silbernen Tablett servieren würden.« Bill wusste, dass er damit Unrecht hatte, auch er kannte Kommissarin Lombard schon lange genug, um zu wissen, dass ihr der Ruf der Fairness, allerdings auch der von Gründlichkeit, vorauseilte. Dass sie nie über zu leistende Überstunden schimpfte, noch klagte; und immer für jeden ein freundliches Wort hatte. Ganz anders als bei ihm. Bill war des Öfteren übelgelaunt. Oftmals stand er bereits schon mit schlechter Laune auf. Bisher hatte er es immer auf sein ödes Singledasein zurückgeführt; aber hieß es nicht auch von der Lombard, dass sie immer noch Single sei? Und die war immerhin schon fast vierzig. Bill brummte irgendetwas Unverständliches, ließ die Rolllade herunter, damit ihn die Sonne nicht auf den Monitor blendete, und fuhr gleich danach seinen Rechner hoch.
Nach nicht ganz einer Stunde, hatte sich Jesse so gut und genau als nur möglich an die Leiche zu erinnern versucht, so dass Bill seinen Rechner wieder runterfahren konnte. Die ausgedruckte Phantomzeichnung legte er der Lombard in einer Mappe auf den Schreibtisch. »Kommt bloß morgen nicht auf die Idee mich wieder anzufordern. Morgen bleibe ich nämlich mit meinem Arsch daheim, und ans Telefon gehe ich auch nicht, das kannst du dir gleich mal merken, Jess-Mann. Ich bin nämlich nicht so blöd und schenke denen meine Überstunden.« Mit diesen Worten ließ er Jesse, der sich nochmals überschwänglich bei Bill für sein Kommen bedankt hatte, auf dem Flur stehen, verließ das Gebäude und schwang sich auf seinen Drahtesel, den er an der Stange eines Straßenschildes festgebunden hatte.
Als Lotte am Abend, Odin hatte sie mitgebracht, die Mappe auf ihrem Schreibtisch vorfand, die Zeichnung des Phantombilds, auf die Jesse ein Post-it mit dem Vermerk So in etwa, Lotte, hat die Leiche ausgesehen. Gruß Jesse geklebt hatte, sah, wurde sie ganz weiß um die Nase. »Oh mein Gott, das kann doch nicht sein!«, stammelte sie, und sackte auf ihren Bürostuhl.