Читать книгу Zwischen Knast und Alltag - Anita B. - Страница 17
Echte Gefühle
ОглавлениеDrei Tage warten. Drei Tage, die sich anfühlen wie drei Wochen. Doch heute, ich stehe gerade in der Küche am Fenster, da kommt die Post. Gleichzeitig klingelt das Telefon und meine Mom ist am Apparat. Ich höre ihr mit halbem Ohr zu und platze währenddessen fast vor Neugier. Wie hat John unser erstes Treffen nach all den Jahren erlebt? Ich renne hinaus, hole die Post und fange direkt an zu lesen.
Hallo mein Schatz!
Das war ja heute eine riesige Überraschung, als du auf einmal vor mir standst. An so einen schönen Anblick würde ich mich zu gern gewöhnen.
Ich gefalle ihm also auch noch?
Du hast mich damit sehr glücklich gemacht. Ich hätte dich am liebsten gar nicht mehr gehen lassen.
Da ging es mir nicht anders. Nur hätte ich John viel lieber mitgenommen, denn »Ferienlager«, wie wir seinen Aufenthalt seit unserem Treffen nennen, war noch nie so mein Ding.
Übrigens war ich total nervös. Das macht sich bei mir unter anderem auch dadurch bemerkbar, dass ich dann immer viel zu viel rede. Und ich glaube, vorhin habe ich geplappert wie ein Wasserfall, oder? Ich bin heilfroh, dass es nun doch so schnell geklappt hat und wir mehr als nur eine Stunde Zeit hatten. Mir haben sie übrigens immer noch nichts von dem genehmigten Besucherschein mitgeteilt.
Wer weiß, wie lange der schon bearbeitet dort herumlag? Da hat uns meine Ungeduld zur Abwechslung mal richtig in die Karten gespielt.
Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber jetzt, nachdem ich dich hier bei mir hatte, möchte ich mir ein Leben ohne dich gar nicht mehr vorstellen.
Das hat er süß geschrieben. Ich hoffe, er meint es tatsächlich so.
Was denkst du jetzt nach unserem ersten »Date« nach all den Jahren? Ich wusste gar nicht so recht, wie ich dich verabschieden sollte, weil ich dich am liebsten in den Arm genommen und nie wieder losgelassen hätte. Ich kann eigentlich nur hoffen, dass du ebenso begeistert von mir bist, wie ich es von dir bin.
Jetzt komme ich mal zurück auf deinen Brief, den ich ja auch noch an diesem perfekten Tag bekommen habe. Ich kann kaum glauben, dass dir in den letzten Jahren nie jemand gesagt hat, was für eine wundervolle Frau du bist. Andererseits bin ich natürlich auch froh darüber, weil wir uns sonst vermutlich nie wiedergefunden hätten.
Wo er recht hat, hat er recht. Ein bisschen mehr Gefühl und eine etwas liebevollere Art von meinem Ex, ich hätte ihn nie im Leben verlassen. Ich wollte doch nichts sehnlicher, als mit meiner kleinen Familie glücklich sein.
Ich hoffe, dass du nach heute meine Briefe auch weiterhin abends lesen kannst und sie dich nun nicht mehr so aufwühlen.
Das hoffe ich auch, denn es ist gerade nachts, wenn ich noch nicht so ganz an dieses Märchen mit uns in der Hauptrolle glauben kann.
Dass dein Selbstbewusstsein im Keller ist, finde ich absolut unbegründet! Für mich bist du optisch super attraktiv, sollte es dich interessieren.
»Natürlich interessiert es mich!«, lächle ich glücklich.
Du fragst, was meine Idealvorstellung von unserer gemeinsamen Zukunft wäre?
Gut, dass ich ihm diese Frage wenigstens im Brief gestellt hatte, wenn ich schon unter vier Augen nicht dazugekommen bin.
Zuallererst natürlich, dass wir die momentane Situation so schnell wie möglich überstehen und hinter uns lassen. Dann möchte ich ganz einfach mit euch, meiner kleinen Familie, zusammen sein, alles Mögliche unternehmen, den Kindern alles bieten, was sie benötigen, dich verwöhnen und unterstützen, vielleicht ein nettes kleines Häuschen mit Garten, aber vor allem würde ich jeden Tag mit dir an meiner Seite genießen und dankbar dafür sein, dass ich so ein Glück hatte, dich noch einmal kennenlernen zu dürfen.
Diese Antwort ist mehr, als ich je zu hoffen gewagt hätte. Ein nicht enden wollendes Lächeln beschreibt meinen momentanen Gefühlszustand wohl am besten.
Vielen Dank für die Fotos, mein Schatz. Sie hängen schon an meiner Pinnwand. Die hebe ich für unsere Kinder und Enkelkinder auf.
Woran der schon wieder denkt, grinse ich vor mich hin.
Ich hoffe doch sehr, es ist ein Versprechen, wenn du sagst, dass ich dich nicht mehr loswerde.
Definitiv! Nur so zum Spaß tue ich mir diese brutalen zwei Jahre bestimmt nicht an!
So mein Schatz, nun schnell in den Umschlag mit dem Brief, damit du ihn ganz bald bekommst. Ich bin so glücklich, dass es dich in meinem Leben gibt. Ich denk an dich und drück dich ganz fest. HDL! Liebe Grüße und einen dicken Kuss, dein John
Ich bin geplättet. Liebevollere Worte hätte ich mir von keinem Mann der Welt nach einem ersten Treffen wünschen können. Meine Ängste, dass sich zwischen uns vieles geändert haben muss, sind mir damit fürs Erste genommen. Es fühlt sich mit einem Mal alles so richtig, so perfekt, so angekommen an – nahezu unglaublich und unglaublich schön.
Drei Tage später habe ich wieder Post.
Hallo mein lieber Schatz!
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich gerade gefreut habe, als ich deinen Brief bekam. Ich habe nämlich schon voller Sehnsucht darauf gewartet. Du weißt doch, wie neugierig ich bin. Und natürlich war ich total gespannt darauf, was du zu uns sagst, jetzt wo wir uns endlich wiedersehen durften. Dass du ebenso positiv über uns denkst, macht mich unsagbar glücklich. Ich würde dich jetzt so gern in den Arm nehmen, mein Schatz. Ich vermisse dich total. Ich bin heute nicht einmal hoch in die Redaktion gegangen, weil ich dir sofort antworten wollte.
Süße, logisch habe ich mitbekommen, wie sehr es dich gestört hat, dass ich hin und wieder mal eine Zigarette rauche.
Und ob mich das gestört hat! Eins ist sicher, für mich und meine Kinder kommt ein Raucher definitiv nicht in Frage!
Keine Sorge, meine Süße, bei mir ist das wirklich so, dass ich nicht rauchen muss. Du wirst mich auch nie rauchen sehen, weil ich darauf gar keine Lust habe, wenn ich mit einer Frau zusammen bin, die nicht raucht und erst recht nicht, wenn ich Kinder um mich herum habe. Unabhängig davon, habe ich unmittelbar nach unserem Treffen entschieden, dass ich auch das Gelegenheitsrauchen einstelle. Ich bin nun also wieder zu einhundert Prozent Nichtraucher.
Haha! Der kann mir viel erzählen. So, wie Johns Klamotten nach Zigaretten gestunken haben, wird er gerade da drinnen damit aufhören. Ich glaub ihm kein Wort.
Süße, mach dir nicht so viele Gedanken darüber, dass du, wenn ich meine Ausgänge habe, keine eigene Wohnung hast oder es aufgrund der großen Entfernung und der Kinder schwierig wird, dass wir uns regelmäßig sehen und, und, und. Wir bekommen das alles hin, wirst sehen! Die Hauptsache ist doch, dass wir uns haben und unser gemeinsames Leben als Familie bald genießen können.
Naja bald? Augenverdrehend schüttle ich den Kopf.
Übrigens kann ich sehr wohl richtig abschalten. Das war zwar nicht immer so, aber inzwischen geht das schon. Außerdem für dich und die Zwerge nehme ich mir natürlich so viel Zeit wie nur möglich.
Leicht gesagt aus seinem derzeitigen Domizil heraus.
Süße, ich hätte auch niemals gedacht, dass ich erst auf eine Anzeige antworten muss, um meine Traumfrau zu finden. Und dass diese Traumfrau jetzt tatsächlich zwei Jahre auf mich wartet, rechne ich ihr ganz hoch an.
Ja, dieses Weihnachten bin ich wohl leider hier mit meinen »Ferienlagerkumpels« noch einmal allein. Am liebsten wäre ich bei euch, mein Schatz. Im nächsten Jahr können wir dann aber in jedem Fall gemeinsam feiern.
Hehe, ein gutes Steak wäre wirklich klasse gewesen. Nur leider darf man hier tatsächlich nichts mit reinbringen, noch nicht einmal Babygläschen oder Spielzeug für die Kinder sind erlaubt. Aber im Ernst, alles was ich brauche bist du, mein Schatz. Weder ein Steak, noch ein Stück Kuchen oder eine Tafel Schokolade sind wichtig, Hauptsache, du bist da!
Und Süße, es macht mir überhaupt nichts aus, dass ich zukünftig, wie du es so schön nennst, »Aufbauarbeit« leisten muss. Ganz im Gegenteil! Wenn ich lese, wie du deine letzten Jahre verbracht hast und womit du zu kämpfen hattest, dann durchfährt mich einfach nur ein nicht nachzuvollziehendes Unverständnis. Wie kann man eine so wundervolle Frau nur so behandeln? Ich kann so etwas absolut nicht verstehen, aber ich bin da wohl komplett anders.
Na, das hoffe ich. Aber das Gute ist, erstens habe ich diese Zeit hinter mir und zweitens kann ich jetzt alles was kommt viel besser genießen. Da geht es John bestimmt ähnlich. Er wird die Welt nach dieser momentanen Zwangsauszeit auch mit anderen Augen sehen.
Für mich gibt es nichts Schöneres, als meine Partnerin glücklich zu machen und sie zu verwöhnen. Und wenn es doch einmal etwas gibt, womit der andere ein Problem hat, dann sprechen wir einfach darüber und finden ganz sicher eine gemeinsame Lösung. Das ist es doch, was eine gute Beziehung ausmacht, nicht wahr?
Ich nicke zustimmend.
WAS? Du hast noch nie ein Frühstück ans Bett bekommen? Das werden wir auf jeden Fall ändern! Wenn du in der Früh noch schläfst, schnappe ich mir den Nic und dann machen wir dir ein Frühstück, geliefert bis ans Bett.
Klar kannst du mit zu den Bayern ins Stadion kommen. Süße, ich nehme dich überall mit hin, ebenso wie unsere Zwerge. Schließlich sind wir doch eine Familie. Außerdem ist das für die Jungs sicherlich alles sehr spannend.
Wow! Jetzt spricht er sogar schon von »unseren« Zwergen und einer »Familie«. Das klingt für mich noch wie ein Traum.
Warum warst du dir denn nach unserem Treffen nicht sicher, dass ich so positiv darüber schreiben würde? Lara, ich habe es wirklich ernst gemeint. Ich bin super glücklich, dass du wieder in mein Leben zurückgekommen bist und ich möchte mir mein Leben ohne dich gar nicht mehr vorstellen. Ich bin in Sachen Gefühlsäußerungen vor allem zu Beginn eher zurückhaltend und vorsichtig, aber bei dir fühlt sich jetzt schon alles so richtig an. Ich bin mir – Aus welchem Grund auch immer? – so sicher mit dir, dass ich mir auch keine Sorgen mache, verletzt zu werden.
Unsere gemeinsame Zukunft vor Augen, nehme ich mir fest vor, ich bin für diesen Mann da. Ich werde diese zwei Jahre schaffen! Komme was wolle.
Was für eine Frage, Süße, natürlich möchte ich, dass du mich wieder besuchen kommst. Unter der Woche ist es immer am besten, weil dann weniger los ist und man eigentlich fast immer mehr als eine Stunde bekommt.
Aber am Wochenende kann ich die Jungs viel leichter unterbringen.
Wie gesagt, mein Schatz, für mich seid ihr meine kleine Familie und für meine Familie und dass es ihr gut geht, tue ich alles, was notwendig ist. Das wirst du schon noch merken. Ich lasse meinen Worten viel lieber Taten folgen, so dass du sehen kannst, dass alles, was ich sage/schreibe, auch so gemeint ist. Auch wenn mir da im Moment leider noch ein wenig die Hände gebunden sind.
Ich kann nicht anders, ich glaube John, und dennoch werde ich den Gedanken nicht los, dass es ein Leichtes für ihn ist, in seiner Situation diese Worte zu schreiben.
So, meine Süße, jetzt werde ich mich wieder unter meine Decke kuscheln – in Gedanken nehme ich dich mit – und von dir träumen. Hab dich lieb! Dicker Kuss, dein John
Ich lese diesen Brief bestimmt noch fünf Mal und schlafe irgendwann darüber ein.