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Auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit

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Alles scheint perfekt zu sein. Es ist Frühlingsanfang, die Kinder sind glücklich, die Sonne scheint, wir läuten am Abend die Grillsaison ein und doch fehlt etwas. Seit sechs Monaten wohnen wir nun schon hier in Aham, im tiefsten Niederbayern. Für die Jungs ein Traum, für mich als Stadtkind ist es jedoch eine sehr einsame Gegend. Mehr und mehr merke ich, dass ich etwas vermisse.

Gerade die letzten Wochen habe ich versucht, diese aufkeimende Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit so weit wie möglich von mir wegzuschieben. Allein die Tatsache, dass ich sehe, wie gut es den Jungs hier draußen geht und wie sehr der Alptraum, den wir hinter uns haben, zunehmend in Vergessenheit gerät, hindert mich daran den nächsten Schritt zu wagen.

Eigentlich sollte ich mich um eine Wohnung für uns kümmern, um endlich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Aber ich schiebe diesen Part seit Wochen vor mir her. Ich rede mir ein, meine Jungs gehen vor. Wenn es ihnen gut geht, bin ich glücklich. Und den beiden geht es gut, sehr gut sogar. Auch sie haben in Hans einen super Freund gefunden. Wir unternehmen viel gemeinsam, sind oft draußen im Garten, auf dem Spielplatz, im Wald und auch zu Hause toben die Kinder wie verrückt. Oft habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn sie mit dem Bobby Car durchs Wohnzimmer flitzen und die Bälle mal wieder durchs Haus fliegen.

Gedankenversunken lehne ich mich zurück, genieße die letzten Sonnenstrahlen des Tages und sehe den Jungs beim Spielen zu. Blitzartig ist diese scheinbare Idylle vorbei. Hans, der den ganzen Nachmittag schon hin- und hergesimst hat, muss plötzlich noch mal weg. An seiner Reaktion erkenne ich, dass eine Frau dahinterstecken muss. Ein komisches Gefühl macht sich in mir breit. Ich meine, wir wohnen zusammen, sind in einem Alter, er ist attraktiv, einfühlsam, erfolgreich, die Kinder lieben ihn, genauso wie er sie, und trotzdem hat es bei mir nie gefunkt.

Obwohl ich ihm von Anfang an zu verstehen gab, dass wir nur Freunde bleiben werden, zögerte er keine Sekunde, uns vorübergehend bei sich aufzunehmen. Nachdem auch er zu diesem Zeitpunkt seit einigen Jahren single war, freute er sich über die Abwechslung und darüber, dass endlich Leben in sein Heim einkehren sollte. Und was könnte ich mir als Mutter mehr wünschen, als dass meine Kinder in einer Familie aufwachsen. Bisher war ich jedoch weder bereit für eine neue Beziehung, noch dachte ich, dass ich jemals wieder jemanden so lieben könnte wie den Vater meiner Jungs.

Nichtsdestotrotz verunsichert mich, dass Hans mit einer anderen Frau Nachrichten austauscht. Sei‘s drum, ich lösche das Licht und lege mich schlafen.

Doch dann kommt just an diesem Abend der Anruf von meinem Ex. Seit Wochen ahne ich es ja bereits, aber seine Worte lassen mir sofort die Tränen in die Augen steigen. Nach außen hin reagiere ich kalt und unberührt, als er mir mitteilt, dass er eine neue Freundin hat. Er möchte sie am kommenden Wochenende unseren Jungs vorstellen. Innerlich zerreißt es mich fast. War er nicht derjenige, der nach eigenen Worten alles falsch gemacht hatte. Er konnte meinen Auszug damals voll verstehen und er war ebenfalls der Meinung, dass uns diese vorübergehende räumliche Trennung guttun wird. Aber er wird die Türe niemals zumachen, wir könnten jederzeit zu ihm zurückkommen. Es war das erste Mal, dass ich ihn habe weinen sehen.

Und heute, wenige Monate später, ist dieser Mann, für den ich die ganzen Jahre so viel Kraft aufgebracht habe und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, wieder glücklich vereint mit einer anderen Frau. Trotz Vorahnung und der Tatsache, dass wir gemeinsam nie eine glückliche Zukunft gehabt hätten, bin ich wie vom Blitz getroffen. Es gibt nichts und niemanden, der mir in dieser Situation helfen kann. Ich liege wach in meinem Bett, drehe und wende mich gefühlte eintausend Mal und finde keine Ruhe.

Plötzlich kommt es mir vor wie eine Ewigkeit, die wir hier wohnen. Von meiner Vergangenheit abgeschnitten, dreht sich mein ganzes Leben nur noch um die Kinder. Da mein Ex kein Auto hat, bringe ich ihm die beiden seit wir hier wohnen jeden zweiten Freitag und hole sie am Sonntag wieder ab. Bekomme ich dafür ein einziges Mal ein »Danke«? Nein! Im Gegenteil, ich kann froh sein, wenn ich ab und zu mit einem »Hallo« begrüßt werde, ansonsten erwarten mich genau wie all die Jahre zuvor nur Befehle und Verachtung.

Und jetzt? Was mache ich jetzt? Plötzlich schlägt meine Stimmung um und ich sehe nur noch die guten Seiten an ihm und all das, was ich nun endgültig verloren habe. Er ist der Papa meiner Jungs, die beiden lieben ihn. Auch wir hatten sehr schöne Tage miteinander. Wir sind gemeinsam einen Marathon gelaufen, waren zusammen an der Ostsee und wir hatten eine ähnliche Vorstellung von unserer Zukunft.

Ich zwinge mich, mir vor Augen zu führen, warum ich mich von diesem Mann getrennt habe. Noch einmal durchlebe ich unsere Beziehung im Schnelldurchgang, seine verachtenden Aussagen, unser liebloses Nebeneinander, seine jähzornigen Ausbrüche und die unzähligen Erniedrigungen der letzten fünf Jahre. Dennoch war ich stets für ihn da. Trotz Schwangerschaft und Vollzeitjob habe ich seine Doktorarbeit korrigiert und die Kinder praktisch allein aufgezogen, während er meist betrunken, schlecht gelaunt oder gar nicht anwesend war. Nie hat er mir den Rückhalt gegeben, den ich mir doch von Anfang an so sehnlichst gewünscht hatte. Ganz zu schweigen von seinen aggressiven Übergriffen, die ich immer wieder geduldet und weggesteckt habe.

Selbst als er mich mit unserem drei Monate alten Sohn, vierhundert Kilometer entfernt, ohne Auto sitzen ließ und nach einem Streit einfach abgefahren ist, habe ich ihm verziehen. Immer wieder bin ich zu ihm zurückgekehrt, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass unsere eigentlich so perfekte kleine Familie keine Chance haben sollte. Auch nach unserer Trennung habe ich gedanklich weiter an ihm festgehalten. Ein Fingerzeig von ihm, dass er Reue zeigt und künftig für seine Familie da sein möchte, ich wäre bestimmt wieder auf der Matte gestanden. Es kam jedoch nichts dergleichen.

Trotzdem empfand ich es bis zu seinem Anruf gerade als völlig normal, dass ich mir weiterhin Sorgen um ihn gemacht habe. Schließlich habe ich fünf Jahre mit ihm verbracht und bis zuletzt an einen gemeinsamen Lebenstraum geglaubt. Sollte ich diese Gefühle aufgrund einer räumlichen Trennung von heute auf morgen abschalten? Das konnte ich nicht. Ganz anders wohl er! Er ist wieder glücklich. Schon kommt mein Schmerz aufs Neue hoch und gerade nachts kann ich diese Gedanken einfach nicht abschalten.

Dabei ist es kaum sechs Monate her, als ich keine Nacht mehr schlafen konnte. Im Durchschnitt schaffte ich es auf maximal zwei Stunden, oft fand ich mehrere Nächte hintereinander überhaupt keine Ruhe. Schlafmittel konnte ich mir laut Aussage meiner Ärztin sparen. »Frau Gruber«, nahm sie mich damals ins Gebet, »Sie müssen etwas an der Ursache ändern! Sie sind auf dem besten Weg chronisch krank zu werden. Anstelle von Schlafmitteln kann ich Ihnen höchstens Antidepressiva empfehlen.« »Antidepressiva? Ich? Auf gar keinen Fall!« Nachdem ich das gehört hatte, wurde mir das erste Mal bewusst, dass mir diese Beziehung nicht nur seelisch sondern auch körperlich schadet. Ich wusste, ich muss dringend etwas ändern.

Schließlich habe ich etwas geändert. Am Ende meiner Kräfte angekommen, zog ich vorübergehend mit meinen Kindern zu unserem guten Freund Hans in eine Wohngemeinschaft. Seitdem habe ich gelernt, wieder zur Ruhe zu kommen und mich an den positiven Seiten des Lebens zu erfreuen.

Aber ich kann nicht ewig mit meinen Kindern in einer WG wohnen. Vielleicht brauchte ich diese Nachricht von meinem Ex auch, um wachgerüttelt zu werden. Möglicherweise musste ich noch einmal fallen, um etwas an meiner momentan festgefahrenen Situation zu ändern. Komisch übrigens, »mein Ex!«, so nenne ich ihn tatsächlich erst seit seinem letzten Anruf. Zuvor hätte ich diesen Ausdruck nie über die Lippen gebracht und jetzt ist er plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, nichts anderes mehr für mich als eben »mein Ex«.

Doch wie soll es nun weitergehen? Ich wohne mit fast siebenunddreißig Jahren in einer Wohngemeinschaft in einem Dorf irgendwo in Niederbayern, wo ich definitiv nicht ewig leben möchte.

Ich ziehe mir meine Laufschuhe an und gehe joggen. Da kriege ich den Kopf frei und bringe meinen müden Kopf und Körper wieder in Schwung. Direkt hinterm Haus laufe ich los, erst kurz durch den Wald, danach über die Felder. Meine Gedanken rasen die ganze Zeit da weiter, wo sie letzte Nacht irgendwann aufgehört haben.

Ich muss also wieder aktiv werden! Aber wie? Wie soll ich mein Leben plötzlich ändern? Es ist ja nicht gerade so, dass einem hier draußen auf dem Land ständig jemand über den Weg läuft, mit dem man sein Leben verbringen möchte. Hinzu kommt, mit zwei Kleinkindern, von daheim aus arbeitend, wird das »Jemand-Kennenlernen« ohnehin nicht einfacher. Dennoch, ich darf jetzt kein Trübsal blasen oder im Selbstmitleid ertrinken.

Plötzlich kommt mir eine Idee: »Das ist es!«, sage ich unterm Laufen laut zu mir selbst. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich von meinem Vorhaben überzeugt. Ich werde eine Kontaktanzeige aufgeben. Da die Jungs noch klein sind und ich örtlich nicht gebunden bin, erscheint mir die Süddeutsche Zeitung als genau das richtige Medium. Darin kann ich gezielt beschreiben, wen oder was ich mir für mich und meine Jungs wünsche.


Welcher liebevolle Mann hat Lust auf Familie?

Warmherzige Akad., 36 Jahre, NR, schlank, sportlich, finanziell unabhängig, sucht einen einfühlsamen Partner für sich und ihre Jungs (1 u. 3 J.). Chiffre: ... oder E-Mail: ...


Der Startschuss in ein neues Leben ist hiermit gefallen. Die Umsetzung, so denke ich, nur noch eine Frage der Zeit. Ich bin gespannt wie ein Teenager. Drei Tage warten und es gibt kein Zurück.

Wieder gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf. Was, wenn es Freunde von mir lesen? Oder schlimmer, was, wenn mein Ex die Annonce liest? Der weiß doch sofort wer dahintersteckt. Aber warum sollte er sich für Kontaktanzeigen interessieren, wenn er doch eine Freundin hat. Wem soll ich davon erzählen? Wird sich überhaupt jemand melden? Bestimmt schrecken zwei Kinder alle Männer sofort ab. Warum sollte sich ein liebevoller Mann auch gleich eine ganze Familie antun? Der will doch sicher viel lieber eigene Kinder haben.

Am nächsten Morgen, die Jungs sind in der Kita, ruft mich überraschend meine ehemalige Mannschaftskollegin aus Amerika, Katarina Brunner, an. Katti ist heute beruflich in Landshut und würde sich freuen, mich zu treffen.

Sofort setze ich mich ins Auto und fahre los. Gedanklich bin ich bei unserer gemeinsamen Collegezeit. Wir waren in Amerika sehr eng befreundet, haben uns nach unserer Rückkehr allerdings mehr oder weniger aus den Augen verloren.

Kattis Besuch ist eine willkommene Abwechslung vom tristen Alltag. Einfach über das zu quatschen, was wir seit dem Studium gemacht haben. Ich merke richtig, wie die Geschehnisse der letzten Jahre nur so aus mir heraussprudeln. Das ist unter anderem auch das, was ich in Aham am meisten vermisse, eine gute Freundin, mit der ich über alles reden kann.

Katti ist total überrascht, dass unsere süße kleine Familie so offenbar nur noch auf Fotos existiert. Beiläufig erzähle ich ihr, dass ich eine Kontaktanzeige in der Süddeutschen Zeitung aufgegeben habe, die am Samstag erscheinen soll. »Lara, das ist eine prima Idee!«, macht sie mir Mut.

Dann wechseln wir das Thema und sprechen über die guten alten Uni-Zeiten und zuletzt noch über unsere unvergessliche Kalifornienreise. Doch viel Zeit bleibt uns dafür nicht. Aus unserem geplanten Kaffee ist ohnehin nicht nur ein Frühstück geworden, sondern später noch ein Mittagessen.

Jetzt muss ich aber wirklich los, um die Jungs abzuholen. Wie immer versprechen wir uns beim Verabschieden, in Kontakt zu bleiben und uns gegenseitig zu besuchen. Allerdings gehe ich davon aus, dass wohl auch unser nächstes Treffen wieder einige Jahre dauern wird.



Zwischen Knast und Alltag

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