Читать книгу Ein Abgesandter der Götter - Anita Koschorrek-Müller - Страница 12

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Besucher

Ich lerne gelegentlich auch andere Menschen kennen, die nicht zum Rudel gehören, aber in unseren Räumlichkeiten für eine gewisse Zeitspanne geduldet werden.

Eine Frau, sie wird Brigitte genannt, kommt des Öfteren vorbei. Doch die darf unser Haus nicht betreten. Meist nähert sie sich nur bis zum Gartentor, doch hin und wieder kommt sie auch bis an die Haustür. Sie kündigt ihren Besuch immer mit einem Klingelzeichen an, was übrigens alle so handhaben müssen, die nicht zum Rudel gehören. Brigitte bleibt wie immer an der Tür stehen. Warum, kann ich mir nicht erklären, denn sie riecht verdammt gut, hat ein liebenswürdiges Wesen, ist mir wohlgesonnen und hat immer Leckereien dabei. Ihre Erziehung war für mich eine simple Angelegenheit. Ein freundliches Wedeln mit der Rute, ein kurzer hypnotischer Augenaufschlag und nachdem ich mich vor sie hingesetzt hatte, reichte sie mir auch schon ihre Hand, während sie mit der anderen nach Leckereien suchte, die sie immer in ihrer Hosentasche für mich bereithält. Sich die Hand geben, ist ein menschliches Ritual, mit dem man sich üblicherweise begrüßt.

Heute lässt sie mich jedoch warten. Nach einem nicht mehr als kurzem Hallo wendet sie sich von mir ab, beachtet mich nicht mehr. Stattdessen gibt sie der Frau, die sich für die Ranghöchste im Rudel hält, einen kleinen Stab in die Hand und hält ihr ein komisches Gerät vor die Nase. Ich werde von den beiden Frauen ignoriert und dieses Verhalten finde ich, gelinde gesagt, absolut inakzeptabel. Es liegt wohl an diesem Stab, dessen Übergabe an Frauchen meine sämtlichen Erziehungserfolge zunichtemacht. Mit einem Satz habe ich mir dieses Teil, es handelt sich dabei wohl um ein sogenanntes Schreibgerät, geschnappt und suche mein Heil in der Flucht. Besondere Umstände erfordern gelegentlich unkonventionelle Maßnahmen und ich, als Erziehungsberechtigter mit göttlichem Auftrag, kann nicht lange fackeln, um Rückschläge in der Erziehung der mir anvertrauten Menschen im Keim zu ersticken.

Nachdem ich dieses Schreibgerät in viele kleine Teile zerkaut habe, komme ich wieder aus dem Gebüsch hinterm Haus hervor, in das mir niemand folgen kann, der eine Schulterhöhe von mehr als einem halben Meter besitzt.

Brigitte ist fort und die Aufregung im Haus wegen meines spontanen Einsatzes hat sich gelegt, doch das Klingelzeichen an der Tür kündigt einen neuen Besucher an. Nein, es sind sogar zwei, ein Mann und eine Frau. Nach der bei Menschen üblichen Begrüßungszeremonie, also Pfötchengeben ohne Leckerli, werden die Leute ins Haus geführt. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, da die mir wohlgesonnene Brigitte immer nur bis zur Haustür kommen darf und diese beiden, deren Gerüche alles andere alles angenehm sind, hereingeführt werden. Ich liege zwar in der Küche unterm Tisch, habe aber bereits Witterung aufgenommen. Geruchsfäden, direkt nachdem die beiden den Hausflur betreten haben, wabern durch den Raum. Unnatürliche Düfte schweben bis zu mir in die Küche, Wolken von künstlichen Blütengerüchen und Putzmitteln. Mit Putzmitteln wurde ich bereits des Öfteren konfrontiert. Die schüttet Frauchen immer in einen Eimer mit Wasser und verteilt diese eklige Brühe auf dem Fußboden. Diese anderen widerlichen Gerüche, die wohl Blumendüften nachempfunden sind, die sich mit den Putzmittelgerüchen vermischt haben, finde ich zum Kotzen. Dies ist jetzt wohl nicht die meinem edlen Geblüt angemessene Ausdrucksweise, aber manchmal muss man die Dinge eben beim Namen nennen. Es stinkt mir ganz gewaltig.

Frauchen betritt die Küche, um dieses Getränk herzustellen, das Menschen immer zum Frühstück trinken. Den Göttern sei Dank, dieser Duft wird die unangenehmen Gerüche der Besucher wohl überdecken.

Herrchen betritt den Raum und holt Milch und Zucker, die in kleinen Behältern aufbewahrt werden. „Musstest du die denn hereinbitten?“, zischt Frauchen leise.

„Ich kann die doch nicht an der Haustür abfertigen“, raunt er zurück und geht wieder zu den, wie es wohl ausschaut, unwillkommenen Gästen.

Mmh, das kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Mein Rudel mag die Gäste nicht und lässt sie trotzdem ins Haus? Merkwürdiges, typisch unlogisches Menschverhalten.

Nun muss ich doch mal nachschauen, was das für Leute sind. Solch eine Witterung ist mir bisher noch nie untergekommen.

„Ach, ihr habt ja wieder einen Hund“, sagt der fremde Mann, während die dicke Frau missbilligend die Augenbrauen nach oben zieht und schnauft.

„Tja, ohne geht es bei uns einfach nicht“, antwortet Herrchen lachend und streichelt mir den Kopf.

„Also ich finde, wenn ein Kind im Haus aufwächst, sollte man sich keinen Hund anschaffen. Hunde sind unhygienisch und gefährlich.“

Ich schaue mir diese Frau nun ganz genau an und lächele freundlich.

„Seht ihr, der zeigt mir schon die Zähne!“

Was ist denn das schon wieder? Will ich mal nett sein und verhalte mich wie ein Mensch, wird das gleich falsch verstanden.

„Da brauchst du keine Angst zu haben. Unser Blacky ist ein ganz Lieber“, versucht mein Herrchen diese Frau zu beruhigen.

Doch ich kann bereits ihre Angst riechen, zusätzlich zu dem eigenartigen Gestank, den die beiden verbreiten. Ich gehe mal lieber aus dem Zimmer und mache es mir in meinem Körbchen gemütlich, während mein Rudel, der kleine Junge hat sich inzwischen auch dazugesellt, und die Gäste das tun, was die Menschen am besten können: reden, reden, reden …

Mir ist ja sooo langweilig. Ich gehe mal gucken, ob ich nicht ein bisschen zur Unterhaltung beitragen kann. Aber vorher hole ich mir noch etwas zum Spielen herbei: die Bürste mit dem langen Stiel, die im Badezimmer in der Ecke steht. Die riecht so gut und damit kann ich den Gestank der Gäste ein wenig abmildern.

Mit der Bürste in der Schnauze betrete ich den Raum und mache es mir auf der Couch, direkt neben dem kleinen Jungen, bequem.

Niemand sagt ein Wort. Alle schauen mich fasziniert an. Die Dicke wird blass und schnappt nach Luft. Gesund ist die nicht, da bin ich mir absolut sicher. Die müsste mal öfter an die frische Luft. Aber ich kann mich nicht um jeden kümmern. Es reicht schon, wenn ich mit Frauchen regelmäßig spazieren gehe.

„Der Blacky hat schon wieder die Klobürste geklaut“, sagt der Junge und schüttelt sich.

Warum schüttelt er sich jetzt? Ach so, er lacht. Lachende Menschen kann ich noch nicht richtig einordnen, denn Lachen ist eine Eigenschaft, die wir Hunde nicht kennen. Bei derartigen Gefühlsregungen wedelt unsereins mit dem Schwanz. Aber das nur nebenbei.

Herrchen scheint auch zu lachen, obwohl er die Zähne nicht zeigt, aber sein Bauch wackelt. Um Frauchen mache ich mir etwas Sorgen. Sie ist doch sehr sensibel. Ich glaube, die platzt gleich. Die Gäste erheben sich ruckartig von ihren Plätzen und die Dicke sagt: „Komm Gerhard, wir gehen.“

„Ach, schon?“, antwortet Herrchen, während sein Bauch immer noch wackelt, „das war aber nur ein kurzer Besuch.“

Er bringt die Gäste noch zur Haustür. Ich sorge mich um die Frau in meinem Rudel. Eben dachte ich, sie platzt gleich, doch jetzt hat sich bei ihr eine Art Schnappatmung eingestellt. Die Röte in ihrem Gesicht flaut langsam, den Göttern sei Dank, ab.

Dann sitzen wir alle wieder zusammen und mein Rudel scheint recht fröhlich zu sein. Der Junge grinst, Herrchen lacht schallend und Frauchen hat vor lauter Freude Tränen in den Augen. Auch ein menschliches Phänomen, das ich noch nicht richtig einordnen kann. Aber das wird schon, dessen bin ich mir sicher.

Ein Abgesandter der Götter

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