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Belastung im Beruf

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Berufliche Anforderungen steigen gerade extrem an und bringen Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Ganz besonders gilt das für alle Menschen, die bei der Arbeit in direkten Kontakt mit erkrankten Menschen kommen. Dazu zählen natürlich vor allem die Menschen in den Krankenhäusern oder im Rettungsdienst, Menschen, die kranke Menschen pflegen, versorgen, reanimieren oder beim Sterben begleiten. Sie stehen nicht nur ganz praktisch neuen Herausforderungen gegenüber, weil sie manchmal aus medizinischen Fachbereichen abgezogen wurden, in denen sie mit Notfallmedizin nichts zu tun hatten, und nun im Notfallmodus lernen müssen, wie man beatmet und sich schützt. Sie müssen häufig auch länger arbeiten – mit kurzen Pausen und wenig Erholung. Dazu kommt die Herausforderung, Bilder und Erlebnisse zu verarbeiten, die sie bisher noch nicht erlebt haben und auf die sie sich auch nicht vorbereiten konnten. Arbeit in Schutzanzügen, sterbende Patienten auf ganz unterschiedlichen Stationen, die nicht von ihren Angehörigen begleitet werden können und dadurch in eine große Not geraten, die Pflegekräfte nicht lindern können.

Auch in der Altenpflege ist durch die massiven Kontaktbeschränkungen eine neue Situation entstanden. Eine Pflegerin sagte mir kürzlich: »Erklären Sie mal einem dementen Menschen, dass er Ihnen nicht nah kommen darf, wenn er das immer gewohnt war.« Ja, wie soll das gehen, ohne dass man heftiger reagiert, als das diesem Menschen guttäte? Und natürlich vermissen die Menschen in Heimen und Pflegeeinrichtungen den Besuch, der häufig der Höhepunkt des Lebens war und nicht selten auch dessen noch verbleibender Sinn. Manche verstehen nicht, warum die Tochter oder der Sohn nicht mehr kommt, und denken, sie/er sei tot. Diese Umstände induzieren bei Senioren oder zu Pflegenden zusätzliche massive Krisen – und häufig auch bei ihren Angehörigen.

Erzieherinnen und Erzieher sollen Kindern in der Notfallbetreuung nicht mehr körperlich nah kommen. »Mach das mal, wenn ein Kind sich das Knie aufgeschlagen hat«, sagt eine von ihnen. Unser Herz spricht klar für ein In-den-Arm-Nehmen und Trösten. Aber es ist nicht erlaubt. Der Tag ist voll von solchen Konflikten, ein normales und menschlich entspanntes Arbeiten ist nicht möglich.

Polizeikräfte rechnen mit Unruhen und haben Anweisung, diese frühzeitig im Keim zu ersticken. Jedoch, wie soll das gehen? Einerseits sollen auch sie anderen Menschen nicht nahekommen, gleichzeitig sind viele Anweisungen unklar. Darf nun ein Pärchen auf der Parkbank knutschen oder nicht? Man muss kontrollieren, ob beide zusammenwohnen oder nicht. Und was, wenn zwei Menschen mit großem Abstand auf der gleichen Bank sitzen? Täglich ändern sich Regelungen und nicht jeder Polizist ist mit ihnen einverstanden. Vermehrt liegt an verschiedenen Orten Unruhe in der Luft, die auch bei Einsatzkräften immer stärker spürbar wird.

In Supermärkten kochen immer wieder Emotionen hoch, Menschen geraten wegen des richtigen Abstands zueinander in Konflikt, andere verhalten sich panisch, wieder andere aggressiv, und nicht selten bekommen die Mitarbeiter das ab. Verkäuferinnen, die in Bäckereien oder im Drogeriemarkt den Mindestabstand zwischen den Kunden garantieren sollen, treffen häufig auf Unverständnis und unfreundliche Kunden. Auch die Paketboten arbeiten am Anschlag. Die Zahl der Sendungen liegt auf Vorweihnachtsniveau – allerdings nicht nur ein paar Tage lang.

Darüber hinaus finden sich Millionen von Arbeitnehmern und Selbstständigen von einem Tag auf den anderen im Homeoffice wieder. Was erst einmal romantisch klingt und auch entlastend, weil das nervende morgendliche Gedränge im Bus wegfällt, ist auf den zweiten Blick für viele eine riesengroße Herausforderung. Während sich die einen den Arbeitsplatz zu Hause mit Blick in den Garten oder in die Weinberge einrichten können, sitzen andere mit zwei kleinen Kindern in einer winzigen Wohnung oder in der Studenten-WG, wo es nicht einmal einen richtigen Schreibtisch gibt, das Internet hängt und man sich von Tag zu Tag mehr auf die Nerven geht. Der Spagat zwischen Job und (unbetreuten) Kindern kann schwierig sein. Aus Angst, die Arbeit nicht gut genug zu machen, wird vermehrt nachts gearbeitet, was sich auf Dauer wiederum auf die psychische Belastungsfähigkeit auswirkt – mit allen Folgen davon. Ganz abgesehen davon, dass Chefs nicht immer in der Lage sind, ihre Mitarbeiter auch im Homeoffice motivierend und angemessen zu führen.

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