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ОглавлениеJetzt stark werden! Die Corona - Krise als Wachstumsbeschleuniger
Kein Leben ohne Krisen. Warum eigentlich? Könnte man nicht auch ohne Krisen leben und sollte nicht unser Bestreben sein, Krisen so weit wie möglich abzuschaffen? Der Wunsch liegt nah. Krisen tun weh, in Krisen geht viel kaputt, um uns herum, aber auch in uns drin. Wir haben Angst, wenn wir in eine Krise geraten, und Krisen verändern das Leben immer radikal.
Trotzdem kommen in einem Leben ziemlich viele Krisen zusammen. Die Versuche der meisten Menschen, Krisen zu vermeiden, fruchten nicht. Selbst wenn es ihnen gelungen ist, das Leben jahrzehntelang störungsfrei zu verbringen, fallen sie spätestens mit Mitte fünfzig in die Midlife-Crisis. Dazu kommen die uneingeladenen Krisen: Auch wenn ein Mensch in perfekter Balance lebt und alles unter Kontrolle zu haben scheint, kann das Schicksal jemanden aus seinem Leben reißen. Plötzlich liegt dann alles in Scherben und die Krise ist da. Oder es macht sich, wie dieses Jahr, ein Virus aus einer fernen Stadt in China auf seinen Weg durch die Welt und stellt sie komplett auf den Kopf. Ohne Vorwarnung. Niemand kann sich dagegen absichern, niemand darauf vorbereiten – und so sind wir alle, mehr oder weniger, auf ganz unterschiedliche Weise plötzlich gefordert, uns an Umstände anzupassen, die wir uns nie gewünscht haben, und mit Herausforderungen fertigzuwerden, für die es keine Anleitung und keine Vorlage gibt.
Krisen gehören zu jedem Leben. Obwohl das so ist, wurde bisher nur sehr wenig über sie geschrieben. Unternehmen beschäftigen sich mit der Frage, wie sie Krisen bewältigen können, Militärs beschäftigen sich mit Krisen und Staaten entwerfen Krisenpläne. Aber Individuen? Menschen wie du und ich? Wir leben meistens, als gäbe es Krisen nur in Ausnahmefällen und als seien sie vermeidbare Pannen in einem sonst geglätteten und angenehmen Leben. Wir beschäftigen uns stattdessen viel mit der Frage, wie wir am besten mit Stress umgehen. Aber mal ehrlich: Im Angesicht einer echten Krise, die das ganze Leben auf den Kopf stellt, ist der tägliche Stress doch eher banal. Mag sein, er führt in eine Krise, weil uns bewusst wird, dass wir im Leben etwas falsch gemacht haben, wenn wir ständig unter Strom stehen. Aber wenn die Krise da ist? Spielt er dann wirklich noch eine Rolle?
Ganz ehrlich betrachtet ist es doch so: Krisen begleiten uns durch das Leben. Sie wirbeln immer wieder alles durcheinander, werfen uns aus Komfortzonen, markieren die wichtigen Wendepunkte, lassen uns reifen, oft wider Willen, und letztlich machen sie uns stark. Kennst du einen beeindruckenden Menschen, der ein Leben ohne Krisen hatte?
Wenn aber klar ist, dass Krisen Teil des Lebens sind, und keiner von uns an ihnen vorbeikommt, sollte es an der Zeit sein, uns für sie zu interessieren, damit sie uns nicht komplett unvorbereitet treffen. So können wir wenigstens die aktuelle Krise leichter bewältigen und ihr volles Potential nutzen.
Die Krise als Chance
Als unvermittelt die Corona-Krise über uns hereinbrach, hat sich auch mein Leben innerhalb einer Woche komplett verändert. War ich vorher drei Tage pro Woche in ganz Deutschland unterwegs, hielt Seminare und Vorträge und unterstützte Unternehmen und Leistungssportler, stand plötzlich alles still. Die Volleyball-Bundesliga, in der ich ein Team coachte, wurde abgebrochen, Veranstaltungen auf Monate hinaus abgesagt und viele meiner Freunde, die selbstständig sind, kämpften plötzlich um ihre wirtschaftliche Existenz. Meine Mitarbeiterin war von einem Tag auf den anderen im Homeoffice, die Kinder mussten sich Mathe selbst beibringen und konnten ihre Freunde nicht mehr sehen. Die Tapete, die sich schon länger von der Wand im Badezimmer ablöst, ging uns allen plötzlich richtig auf die Nerven. Wir machten uns Sorgen um meine Mutter, die nach einer schweren Herzoperation noch nicht wieder richtig fit war, sagten unseren Urlaub ab und krempelten stattdessen die Ärmel hoch, um zu überlegen, wie wir uns am besten aus den unerwarteten Widernissen befreien konnten. Einer meiner Söhne lag wegen einer ganz anderen Erkrankung im Krankenhaus und von einem Tag auf den anderen durfte ihn niemand mehr besuchen. Plötzlich war er auf sich allein gestellt, musste selbst den Ärzten alle wichtigen Fragen stellen und uns informieren, weil wir telefonisch kaum an Auskünfte kamen.
Auf einmal war das Thema »Krise« für alle Menschen um mich herum brisant, weil alle mehr oder weniger davon betroffen waren. Und ich überlegte mir: Warum nicht jetzt gleich, mitten in der Krise, genau darüber schreiben? Um genau jetzt zu zeigen, was wir aus Krisen machen können? Denn Krisen sind nicht nur schlimm, sie sind auch psychologische Entwicklungsbeschleuniger. Nichts lässt uns schneller wachsen als eine Krise. Dabei ist relativ egal, um was für eine Krise es sich handelt: Je gravierender sie das Leben betrifft, je mehr sie es aus den Fugen hebt, umso dringlicher zwingt sie uns, über uns selbst hinauszuwachsen. Krisen sind, so sehr wir sie zum Teufel wünschen, für die menschliche Entwicklung ein Segen. Ohne Krisen würden wir unser Leben in geraden und langweiligen Bahnen verbringen. Krisen zwingen uns, wichtige Entscheidungen zu treffen, manchmal große Risiken einzugehen und Dinge zu wagen, die wir uns bisher nie zugetraut hätten. Wahrscheinlich würden wir ohne Krisen immer noch auf den Bäumen leben.
Gewappnet für die Krise
Was genau aber ist eigentlich eine Krise? Und welche Arten von Krisen gibt es überhaupt? Worin unterscheiden sie sich? Und was macht die Corona-Krise so besonders? Diesen Fragen gehen wir im ersten Kapitel dieses Buches nach.
Im zweiten schauen wir uns die Psychologie der Krise genauer an. Was passiert in der Krise, aber auch vorher und nachher mit uns? Warum setzt eine Krise so enorm viel Energie frei? Wie schafft sie es, uns so kreativ zu machen? Und warum hat sich schon nach mancher Krise der Freundeskreis verändert? Warum verfluchen wir Krisen zuerst und sind danach häufig dankbar für sie? Und was steht psychologisch dabei auf dem Spiel? Dabei hilft ein neues Modell zu tieferem Verständnis: der Krisenzirkel. Du wirst dich an vielen Stellen wiedererkennen und begreifen, warum Krisen eigentlich ein Segen sind, wenn du sie sinnvoll nutzt und ihr Potenzial ausschöpfst. Du erfährst von der tiefen transformatorischen Kraft der Krisen – auch der aktuellen.
Was ist aber ganz konkret zu tun, wenn du mitten in der Krise steckst, wie es vielleicht gerade jetzt der Fall ist? Das erfährst du im dritten Kapitel. Zuerst wird es darum gehen, aus Gefühlen von Angst und Ohnmacht auszusteigen, damit du handlungsfähig wirst. Wie du anschließend herausfinden kannst, was die Krise von dir will, und was du nun am besten tust, kannst du mithilfe verschiedener, ganz praktischer Techniken und Übungen entdecken. Es geht dann nämlich darum, aktiv zu werden. Das Kapitel leitet dich sicher durch alle Schritte und gibt dir Unterstützung darin, die Entscheidungen zu treffen, die für dich dran sind.
Weil die aktuelle Krise leider und zum Glück nicht die letzte gewesen sein wird, widmet sich das vierte Kapitel deiner mentalen Stärke, damit du auch künftig gut auf Krisen vorbereitet bist. Dabei geht es nicht darum, die nächste Krise zu verhindern. Schließlich sind Krisen zwar schrecklich, aber wertvoll. Sie bringen dich weiter. Du erfährst also stattdessen, wie du deine Psyche so stärkst, dass dich künftige Krisen nicht umwerfen und du sie gut und sicher bewältigst. Dafür lernst du eine Menge über Resilienz, die Wunderwaffe gegen alle Herausforderungen, die einem das Leben vor die Füße wirft, und die verschiedenen Fähigkeiten, aus denen sie sich zusammensetzt. Und ich zeige dir ganz praktisch, wie du genau diese Fähigkeiten auf Dauer trainieren kannst.
Dieses Buch soll ein Leitfaden durch Krisen sein, durch die schwierigsten Phasen deines Lebens. Der Kompass, der dich auf einer Expedition in unbekanntes Land begleitet und der dich sicher führt. Du lernst darin, wie du dich in einer akuten Krise einfangen und stabilisieren kannst, damit du die Herausforderungen erfolgreich bewältigst – zum Beispiel jetzt in der Zeit von Corona, aber auch in allen anderen Krisen. Denn alle Krisen folgen den gleichen Gesetzen.
Nach der Lektüre wirst du Krisen künftig anders begegnen und weniger an ihnen leiden, weil du weißt: Sie sind wichtig, sie bringen dich weiter, du wirst an ihnen wachsen und Ziele erreichen, die du ohne sie niemals erreicht hättest. Das sind manchmal äußere Ziele. Noch häufiger aber solche im Innern – neue Stärken und Fähigkeiten, über die du nach der Krise verfügst. Krisen bringen dich tiefer in Verbindung mit dir selbst und deinen inneren Schätzen. Diese Schätze sind riesig!
Schon beim Lesen wirst du immer klarer spüren, wie es möglich ist, an Krisen zu wachsen. Das Buch soll dir Mut machen. Es ist der Beweis dafür, dass jeder Mensch in einer Krise an seine tiefen Kraftquellen herankommen kann – ganz egal, wie schlimm es vielleicht gerade ist.
Als Psychologin habe ich in den letzten zwanzig Jahren Hunderte von Menschen durch die unterschiedlichsten Krisen begleitet. Ich habe immer wieder erlebt, was für eine befreiende Kraft sie haben – ohne Ausnahme. Denn Verzweiflung und vielleicht sogar Hoffnungslosigkeit sind genauso wie Angst Teil dessen, was in jeder Krise passiert. Sie sind aber zugleich bereits Teil der Bewältigung. Sie helfen dir in die nächsten Schritte zu mehr Lebendigkeit, mehr Freude und mehr menschlicher Tiefe.
Auch ich bin schon durch viele Krisen gegangen. Keine davon habe ich mir freiwillig ausgesucht, keine gewünscht, jede war schmerzhaft und jede war wichtig. Das sehe ich von heute aus so und ich weiß: Bei der nächsten wird es mir genauso gehen. Und das ist in Ordnung. Eine Krise ist wie eine Geburt. Sie tut weh. Sie lohnt sich. Und du bist dabei nicht allein.
Mach dich mit mir gemeinsam auf die Reise zu der besonderen Kraft der Krisen! Lass sie uns zu dem machen, was sie wirklich sind: Ganz entscheidende und befreiende Phasen des Lebens, die alte Muster wegsprengen und das Leben nachhaltig reicher machen. Und stell dir vor, wie gleichzeitig mit dir viele andere Menschen diesen Weg gehen – hin zu mehr Kraft, mehr Tiefe und mehr Menschlichkeit. Denn genau das passiert, wenn wir uns auf die befreiende Kraft von Krisen einlassen: Sie bringen uns näher zu uns selbst und machen uns damit auch offener für die Beziehung zu anderen.
Ich wünsche dir alles Gute für diese spannende Reise. Sei mutig, sei neugierig, sei offen! Sei dir bewusst, dass du Gegenden in dir entdecken wirst, die du noch nicht kanntest, und Fähigkeiten, die du nie in dir vermutet hättest. Mach dich bereit, dich neu zu entdecken und das Glück des Lebens immer intensiver zu spüren: mehr bei dir, mehr im Hier und Jetzt, freier und tiefer. Ich weiß: Es ist manchmal ein steiniger oder steiler Weg. Aber weil er fantastische Ausblicke ermöglicht, lohnt sich jeder Schritt. Lass uns Seite an Seite durch diese Krise gehen.
Deine Anke Precht