Читать книгу Menschen mit Migräne sind Kämpfer - Anna Wichelmann - Страница 34

Migräne und Schwangerschaft - Cristina Fankhauser

Оглавление

Ich heiße Cristina, bin 30 Jahre alt und lebe mit meinem Mann und meiner kleinen Tochter in der Schweiz. Seit meiner Kindheit leide ich an Kopfschmerzen und später auch an Migräne. Ich hatte immer Phasen in denen die Kopfschmerzen und die Migräne stärker und dann wieder schwächer wurden. Manchmal hatte ich lange Zeit fast keine Kopfschmerzen mehr.


Ca. seit 3-4 Jahren ist es jedoch wieder schlimmer. Aber ganz schlimm ist es seit der Schwangerschaft. Hier ist meine Geschichte. Mein Mann und ich heirateten im September 2019. Kurz darauf wurde ich schwanger. Ich freute mich so sehr, als ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Doch schon kurze Zeit später änderte sich das. Ich kann mich noch genau an meine erste richtig üble Migräneattacke in der Schwangerschaft erinnern. Da war ich in der 7. Woche schwanger, also noch ziemlich am Anfang. Ich musste mich aufgrund der Schmerzen mehrmals übergeben und konnte mehrere Stunden weder Wasser noch Nahrung bei mir behalten.

Durch die Schwangerschaft konnte ich ja auch kaum Medikamente einnehmen. Ich rief dann meine Frauenärztin an und fragte sie ,was ich tun soll. Die Arztsekretärin hat mich dann vertröstet und hat gemeint, dass sie die Ärztin fragen und mich dann zurückrufen werde. Ich habe dann ca. 4 Stunden später einen Rückruf erhalten. Die Arztsekretärin hat mir mitgeteilt, dass ich alle 6 Stunden 2 Dafalgan à 500mg einnehmen darf. Nach dem Telefongespräch habe ich also gleich 2 Dafalgan eingeworfen, welche ich aber sogleich wieder erbrochen habe. Ich konnte einfach nichts bei mir behalten wegen der Migräne. Ich rief erneut in der Arztpraxis an. Sie gaben mir dann Zäpfchen an, welche gegen Übelkeit waren. Die ging mein Mann kaufen und brachte sie mir nach Hause. Somit nahm ich ein Zäpfchen und 30 Minuten später nochmals 2 Dafalgan. Die Dafalgan (Paracetamol) haben mir mehr oder weniger nichts geholfen.


Von diesem Tag an bis zum Ende der Schwangerschaft ging es mir meistens nicht gut. Hatte ich mal keine Migräne dann aber sicher üble Spannungskopfschmerzen. Da ich als Sekretärin am Computer arbeitete, wurde ich relativ früh (ca. im 4. Monat) krankgeschrieben. Ich konnte nicht noch den ganzen Tag in den Computer schauen. Ab der 12. Woche bis in die 28. Woche durfte ich dann immerhin auch Algifor (Ibuprofen) einnehmen. Das hat mir besser geholfen. Aber eben auch nur begrenzt. Ich lag manchmal tagelang am Stück im dunklen Zimmer und war den Schmerzen ausgeliefert.

Mein Mann litt ebenfalls sehr unter der Situation, genauso meine Eltern. Ich musste verschiedene Sachen absagen und zog mich völlig zurück. Meine sozialen Kontakte haben sich reduziert. Wenn es mir mal einigermassen gut ging, konnte ich mich sehr auf unsere Tochter freuen. Meistens war das aber nicht der Fall. Ich war so müde und wurde immer depressiver. Die Schmerzen haben mich körperlich und seelisch einfach so runtergezogen. Kurz gesagt: Die Schwangerschaft war der Horror. Was natürlich noch dazu kam war das schlechte Gewissen meiner Tochter gegenüber. Ich hatte immer solche Angst, weil ich halt im Vergleich zu anderen Frauen doch viele Medikamente (Dafalgan und Algifor) eingenommen habe.


Als der errechnete Geburtstermin überschritten war, machten wir uns auf den Weg ins Krankenhaus um die Geburt einzuleiten. Wie konnte es anders sein, natürlich hatte ich auch an diesem Tag Migräne. Wir mussten sogar auf dem Weg ins Krankenhaus anhalten, ich musste mich übergeben. Im Krankenhaus angekommen, teilten mir die Hebammen mit, dass sie so die Geburt nicht einleiten würden. Das wäre zu viel für meinen Körper. Ich solle doch zuerst die Migräne vorbeigehen lassen und mal eine Nacht im Krankenhaus schlafen. Mein Mann hat sich dann verabschiedet und ist nach Hause gefahren. Die Hebammen haben mir dann alle 6 Stunden wieder Paracetamol gegeben (via Infusion).


Leider wurde es nicht besser. Geschlafen habe ich in dieser Nacht eigentlich kaum. Um 05.00 Uhr morgens habe ich mit der Hebamme ein langes Gespräch geführt. Ich habe ihr erzählt wie es mir geht und wie die Schwangerschaft mit der Migräne verlaufen ist. Dann fragte ich sie: «Ist es jetzt zu spät, mich für einen Kaiserschnitt zu entscheiden?» Sie sagte nein, ich könne das immer noch, sollte das mein Wunsch sein. Ich entschied mich dann relativ spontan für einen Kaiserschnitt. Ich hatte einfach keine Kraft mehr, die Migräne ging nicht weg und ich wollte nicht länger „auf bessere Zeiten“ warten. Die Hebamme hat alles in die Wege geleitet, hat meine Frauenärztin angerufen, welche dann später zu mir kam um alles zu besprechen. Später kam mein Mann und am Mittag war unsere Tochter da. Sie war und ist nach wie vor kerngesund. Darüber bin ich sehr glücklich.


Der Aufenthalt im Spital war für mich der absolute Horror. Schon nur wegen Corona. Ich war in einem Viererzimmer. Die Nächte mit 4 Babys der Horror, die Vorhänge gezogen, im Juni heiß, kein Tageslicht etc. und schon nach 2 Tagen merkte ich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Ich fiel in eine schlimme postnatale Depression. Ich hatte es ehrlich gesagt schon etwas kommen sehen. Mir ging es ja aufgrund der Migräne schon während der Schwangerschaft nicht gut. Nach der Geburt hat es mir aber so richtig den Boden unter den Füßen weggezogen.


Ich habe lange nichts für meine Tochter empfunden und konnte nichts mit ihr anfangen. Mir bricht es nach wie vor fast das Herz, wenn ich darüber nachdenke. Ich habe mir dann sehr schnell professionelle Hilfe geholt und nehme noch jetzt Antidepressiva. Psychisch geht es mir viel besser. Ich liebe meine Tochter über alles und sie ist ein echter Goldschatz! Sie ist echt geduldig mit mir. Wegen meinem Kopf bin ich seit ca. 6 Monaten im Unispital (Inselspital Bern) im Neurozentrum in Behandlung.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich meinem Mann sehr dankbar bin. Er verzichtet auf sehr viele Dinge und widmet sich ganz mir und unserer Tochter. Er war während der Schwangerschaft immer für mich da und auch jetzt ist er jederzeit zur Stelle, wenn es mir mal wieder nicht gut geht. Ohne ihn und unsere Familien würde es nicht gehen. Ich bin allen so so so dankbar.


Cristina Fankhauser ist 30 Jahre alt und arbeitet als ausgebildete kaufmännische Angestellte in der Justiz. Seit ihrer Kindheit hat sie Migräne.



Menschen mit Migräne sind Kämpfer

Подняться наверх