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KAPITEL 2

(Nicht nur) graue Theorie zum Selbstmord

Zahlen, Daten, Fakten und mehr …

Der Hauptschwerpunkt dieser 2. Auflage soll Hinterbliebenen von Menschen, die durch Selbsttötung aus dem Leben geschieden sind, Hilfen anbieten, ihre Vielfalt von Gefühlen und Gedanken zu verarbeiten. Ein Ja zu den eigenen Gefühlen in den einzelnen Phasen der Trauerarbeit zu finden und sich die nötige Zeit zu nehmen, diese Aufs und Abs zu durchlaufen, ist ein hilfreicher Schritt der Selbstunterstützung bei der Verarbeitung des Suizids einer nahestehenden Person. Neben dieser primär emotionalen Beschäftigung mit einem Suizid soll dieses Kapitel die Möglichkeit bieten, auf der eher intellektuellen, also »kopfigen« Ebene zu verstehen, wie viele Menschen in die Sackgasse des Selbstmords laufen, was sie dazu motiviert und wie sich dieses uralte menschliche Verhalten erklären lässt. Menschen versuchen die Welt, in der sie leben, zu verstehen, die auftretenden Probleme zu analysieren und daran anschließend Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. In der eigenen Trauer um einen durch Selbstmord aus dem Leben Geschiedenen entlastet es zu bestimmten Zeiten festzustellen, dass der eigene unfassbar erscheinende Schicksalsschlag kein Einzelfall ist, sondern dass es rund um den ganzen Globus viele Leidensgenossen gibt, die vergleichbare Krisen zu bewältigen haben. Auch bei ihnen fahren die Gefühle zunächst Achterbahn und sie müssen sich an die neue Lebenssituation anpassen. Die im Folgenden dargestellten und kommentierten Zahlen, Daten und Fakten sollen einen Schlüssel liefern, der die Tür zum Raum des Verstehens und Begreifens dessen öffnet, was das eigene Lebensmosaik erschüttert hat.

Suizid (= lat.: sui caedere, seine eigene Person hauen, schlagen, töten) ist ein Thema, das die Menschheit zu allen Zeiten begleitet und bewegt hat – gehört doch zur Auseinandersetzung mit dem Leben auch das Bewusstsein für den Tod, in diesem Fall als »frei« gewählt. Hinter jeder der folgenden Zahlen verbirgt sich das Schicksal eines Menschen, der diesen »freiwilligen« Tod wählte. Sie mögen sowohl informieren als auch ein Bewusstsein für die Notwendigkeit zu helfen wecken – Hilfe, die die Not wendet.

Nach Schätzungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) sterben weltweit jährlich knapp eine halbe Million Menschen durch Selbstmord. Er gehört in Europa und in den USA zu den zehn häufigsten Todesarten. Bei Studenten steht Suizid als Todesursache an 2. Stelle. Es sterben mehr Menschen durch Selbstmord als aufgrund eines Verkehrsunfalls. Das Verhältnis von »gelungenem Suizid« zu Suizidversuch ist ca. 1 : 10 – 20. Diese Zahlen sind nur schätzbar, da es eine hohe Dunkelziffer gibt. Manche Menschen tarnen ihren Selbstmord als »normalen« Unfall. Gründe hierfür können Schuldgefühle und Scham sein oder die Betroffenen wollen ihren Angehörigen die Auszahlung der Lebensversicherung ermöglichen. Das Land mit der höchsten Suizidrate ist Ungarn, gefolgt von Finnland, Schweden und Österreich.

Die Zahlen waren in den vergangenen Jahren pro Land immer ähnlich, in nationalen Krisenzeiten, z. B. während eines Krieges wird ein Absinken der Suizidrate verzeichnet.

Um ein Empfinden für die abstrakten Zahlen zu bekommen, seien einige Beispiele genannt:

In der Schweiz mit ihren ca. 7,3 Mio. Einwohnern suizidierten sich 1999 1296 Menschen. In Deutschland mit einer mehr als zehnmal so hohen Bevölkerungszahl waren es 1991 insgesamt über 14 000 Menschen. Allein in Hamburg, einer Großstadt mit ca. 1,7 Mio. Einwohnern, brachten sich im Jahr 1998 von insgesamt 333 Personen 220 Männer und 113 Frauen um. Diese Relation gibt das übliche Geschlechterverhältnis von etwa 2 : 1 (Männer zu Frauen) wieder. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verübten im Jahr 2004 in Deutschland 10 733 Menschen Suizid – 907 davon mit Schusswaffen. (Rein statistisch gesehen bringen sich in Deutschland somit jede Stunde ca. 1,2 Menschen um.)

Bei Selbstmordversuchen sind es etwa zwei bis drei Mal so viele Frauen wie Männer. Männer wählen eher harte Methoden (z. B. Erhängen, Erschießen, Sprung vor den Zug), Frauen eher weiche Methoden (z. B. Alkohol und Tabletten). Etwa ein Drittel aller Selbstmorde wird von Personen über 65 Jahren verübt. Ältere und alte Menschen sind also überproportional vertreten in der Selbstmordstatistik.

Um auch den Statistikfans meiner Leserschaft entgegenzukommen, möge die folgende Tabelle der Weltgesundheitsorganisation Auskunft darüber geben, wie viele Suizide in ausgewählten europäischen Ländern auf 100 000 Einwohner treffen.

Tabelle 1: Selbstmordraten in ausgewählten europäischen Ländern pro 100 000 Einwohner

Land Jahr Männer Frauen Durchschnitt
Litauen 1999 73,8 13,6 43,7
Estland 1999 56 12,1 34
Lettland 1999 52,6 13,1 32,8
Belgien 1995 31,3 11,7 21,5
Schweiz 1996 29,2 11,6 21,5
Frankreich 1997 28,4 10,1 19,25
Dänemark 1996 24,3 9,8 17
Deutschland 1998 21,5 7,3 14,4
Spanien 1997 13,1 4,3 8,7
Italien 1997 12,7 3,9 8,3
Portugal 1998 8,7 2,7 5,7
Griechenland 1998 6,1 1,7 3,9

Quelle: www.who.int (Weltgesundheitsorganisation, letzte Änderung: 28. 09. 2002)

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